Samstag, 17. Oktober 2020

Ateyol ftxoley karyut sneyä | Ateyo hat seinen Lehrer gewählt

Sorgfältig prüfe ich das einzige, das ich aus dem alten, zerstörten  Lager der Rey'engya retten konnte, als ich mit Neyri und Ateyo dort war. Mein rituelles Gewand, das ich vor langer Zeit aus sehr vielen Federn hergestellt habe. Durch Ruß und Rauch verschmutzt lag es etwas verstreut in unserer Höhle und selbst der Schädelknochen, den ich manchmal bei sehr wichtigen Ritualen trage, ist beinahe unversehrt. Ich konnte es zwar nur eher notdürftig reinigen, aber ich hoffe, dass Sey und Ateyo es mir nicht übel nehmen, wenn ich es dennoch heute bei Ateyos erstem Ritual bei den Rey'engya tragen werde. Allerdings werde ich mir einen neuen Bogen für Zeremonien bauen müssen, denn diesen konnte ich, so sehr ich auch danach suchte, nirgendwo entdecken und Neyri offenbar ebenso wenig, denn sie hätte es mir gesagt.

Mittwoch, 14. Oktober 2020

Txopu sängi oe | Ich fürchte mich

Manchmal sind es Gedanken, manchmal Gefühle, manchmal sind es Dinge, die ich sehe, höre oder spüre. Wenn es geschieht, fühle ich mich oft ratlos und allein. Dann denke ich oft zurück an Mutter, an Vater, dem ich noch so vieles sagen wollte, es aber es nicht mehr konnte. Habe ich es nur nicht gesehen?  Habe ich es nicht sehen wollen?  Oder bin ich nur zu oft abgelenkt durch Dinge, die mir wichtiger erscheinen?

Montag, 5. Oktober 2020

Fko syaw por Ateyo | Man nennt ihn Ateyo

Nur langsam scheint der Alltag wieder Einzug in den Clan zu erhalten. Viele Dinge fehlen jedoch immer noch. Korlan, Sey und die anderen helfen wo sie können, um neue Schalen, Werkzeuge, Kleidung und was wir sonst noch so alles benötigen, zu sammeln und herzustellen. Nachdem Korlan, Neyri und auch die Kinder mir geholfen haben, einen neuen Webstuhl zu konstruieren, wird es nun bald immerhin möglich sein, Tücher, Verbände und neue Kleidung herzustellen, doch es wird noch ein langer Weg, bis dieser fertiggestellt sein wird. Es fehlt einfach an allem.

Dienstag, 19. Mai 2020

Sa'nu ist sehr wütend auf mich

Einige Tage leben wir schon im Kelutral (Heimatbaum) der Lukara, nachdem unser Clan von den Sawtute (Himmelsmenschen) zerstört wurde. 
Ich mag den Heimatbaum. Er ist groß und überragt alle Bäume im umliegenden Wald. Auch, wenn wir uns noch nicht so sehr eingerichtet haben, fühlen wir uns wohl dort.

Freitag, 17. April 2020

Zene hivum ayoel kelkut ayoeyä | Wir müssen unser Zuhause verlassen


Gleich nachdem ich aufwache, mache ich an diesem Morgen meine Gehübungen. Auch wenn Neyri und die Kinder es gut mit mir meinten, als sie mir diese Schiene an meinem rechten Bein anlegten, die mir das Gehen auch sehr erleichtert, will ich dieses Ding so schnell es geht wieder loswerden. Bald werden uns bestimmt die sawtute (Himmelsmenschen) wieder angreifen, ich habe ein merkwürdiges Gefühl in meinem Bauch. Bis dahin muss ich wieder laufen können. Ich kann und will für die anderen keine Last sein. Die ersten Schritte fallen mir noch schwer, denn obwohl Neyri ihr Bestes gab, stört diese Schiene mich, denn manchmal drückt sie ein wenig an meinem Oberschenkel.

Dienstag, 14. April 2020

Sweylu txo liyevu oe sempul srak - Hapxì apxeyve | Soll ich Vater werden? - Teil 3



Neyri und ich liegen immer noch am Ufer des seichten Flusses, der mitten durch unser Sumpfgebiet führt und wir sind immer noch unbekleidet. Sie ist eine sehr hübsche Frau und ich beneide Tsahìk (spirituelle Clanführerin) schon ein wenig, dass sie mit Neyri vor Eywa vereint ist. Doch es war und ist Eywas Plan und ich akzeptiere ihn. Ich bin dennoch froh und auch stolz darauf, dass sie meine Lehrerin ist, dass sie mir meine Bitte erfüllt, all das von ihr zu lernen, was ich bisher im Leben nicht haben lernen können.

Sonntag, 12. April 2020

Sweylayu livu oe sempul srak - Hapxì amuve | Soll ich Vater werden? - Teil 2


Neyri und ich sitzen uns lange wortlos gegenüber. Ich bin sicher sie wartet darauf, dass ich etwas sage, etwas tue, aber was soll ich tun?  Ich nehme all meinen Mut zusammen und erzähle ihr, was außer der Tsahìk (spirituelle Clanführerin) und dem Olo'eyktan (Clanführer) bisher niemand weiß. Ich, Tsetu, komme aus dem Clan der Ku'ur, doch sie verstießen mich, als ich etwa in Surews (Sey'syus Schüler, ca. 15 Jahre alt) Alter war. Seit meiner Kindheit, seit ich mich zurück erinnern kann, war ich alleine. Ich hatte niemals Freunde, spielte niemals mit anderen Kindern des Clans, denn ich war anders als sie.

Freitag, 10. April 2020

Sweylayu livu oe sempul srak - Hapxì a'awve | Soll ich Vater werden? - Teil 1


Testu fko syaw oer ulte lu tsamsiyu Rey'engyayä (Ich heiße Testu und bin Krieger der Rey'engya). Eigentlich komme ich aus dem Clan der Ku'ur, aber ich lebe schon sehr lange bei den Rey'engya und ich bin stolz darauf, diesem Clan dienen zu können. Meine Geschichte habe ich bisher für mich behalten. Nur Tsahìk (spirituelle Clanführerin) Kxìrya und Olo'eyktan (Clanführer)  Sey kennen sie, denn ich schäme mich, sie meinen anderen smuktu (Geschwistern)  zu erzählen. Doch nun habe ich mein Schweigen gebrochen, denn ihr musste ich es einfach erzählen, weil sie mir sehr vertraut - und weil ich verliebt in sie bin. Ihr Name ist Neyri.

Donnerstag, 2. April 2020

Neyri mi lu karyu oeyä | Neyri bleibt meine Lehrerin

Manchmal ist es nicht leicht eine Numeyu (Schülerin) zu sein.
Seit dem der Krieg mit den Menschen begonnen hat, gibt es immer wieder verletzte. Und seit Sa'nu  (Mami) von einem Sawtute (Himmelsmenschen) schwer verletzt wurde, muss Neyri sich um vieles kümmern.
Darum hat sie oft so viel zu tun, dass sie dabei vergisst, dass sie eine Schülerin hat, die etwas lernen möchte.

Mittwoch, 25. März 2020

Maytamel uniltsola oet | Maytame hat von mir geträumt

Immer noch liege ich verwundet in unserer Höhle. Ich fühle mich manchmal etwas einsam, denn ich höre die Kinder vor der Höhle spielen und ich höre die Geschäftigkeit der anderen. Ein wenig schmerzt es in meinem Bein. Neyri erklärt mir, dass dies nicht ungewöhnlich sei und dass ich mich nicht sorgen soll, da sie und auch Maytame meine Wunde weit öffnen mussten. Nur so konnte sie das Blutband (Arterie) zusammenfügen und mich so vor dem sicheren Tod bewahren.


Mittwoch, 18. März 2020

Tsam - Hapxì amuve | Krieg - Teil 2



Ich höre Stimmen, kann sie aber im ersten Augenblick nicht zuordnen. Es ist, als wären sie sehr weit entfernt von mir. Dann wird mir klar, dass ich wohl eingeschlafen sein muss. Ich weiß, dass ich nicht schlafen sollte, denn es könnte ein Schlaf ohne Erwachen sein. Doch mein Herz schlägt noch, ich spüre aber, dass ich mit jedem Schlag immer noch Blut verliere. Wieder konzentriere ich mich, um mein Herz langsamer schlagen zu lassen. Neyri braucht Zeit, denn ich schickte sie zum Clan der Wassernebel, jenem Clan, den wir vor langer Zeit besuchten. Tse'law, die Tsahìk (spirituelle Clanführerin) des Clans ist die einzige, die mir einfiel, die helfen könnte, meine Wunde zu versorgen. Doch war meine Entscheidung richtig?  Ist diese Aufgabe vielleicht zu schwierig für Neyri oder ist sie gar unlösbar?  Ich wünsche mir, dass Neyri mich jetzt einfach nur festhält, während ich sterbe. Ich vermisse Dich.

Sonntag, 15. März 2020

Tsam - Hapxì a'awve | Krieg - Teil 1

Etwas in mir hat sich verändert. Seitdem Korlan, Surew und ich vor einiger Zeit einen Tawtute (Himmelsmenschen) töten mussten, seitdem wir wieder einmal sinnlos viel Blut vergießen mussten, fühle ich mich ratlos und schwach. Oft liege ich in der Nacht wach, starre die Höhlenwände an und, während um mich herum alle schlafen, spüre ich zugleich Wut und eine große Traurigkeit in mir.
Oft ist es Neyri, die mir in solchen Momenten Halt gibt, indem sie mich umarmt und einfach nur da ist. Ebenso Maytame (Kxìryas Tochter). Jedes Mal stelle ich Neyri dieselben Fragen und erhalte von ihr die gleichen Antworten. Sie versucht mir Mut zu machen, versucht mich aufzumuntern und mir die schönen Dinge in Erinnerung zu rufen. Doch oftmals gelingt es ihr nicht, denn sie sucht ebenso Halt und Zuwendung bei mir. Wie lange wird - wie lange kann es noch so weitergehen?