Donnerstag, 5. Dezember 2013

Ayfmawn / Neuigkeiten

Mipa hey sì sìlen amip sì txana aysäfpìl amip nìteng.
(Neue Gesichter, neue Ereignisse und auch viele, neue Gedanken.)

Auch wenn er für den Rest meines Lebens in meinen Gedanken, in meinem Herzen, in den Geschichten, die wir uns erzählen und auch in den Liedern, die wir singen, erhalten bleiben wird, ich glaube, es fällt mir allmählich immer leichter, mich von Winataron, meinem verstorbenen muntxatan (Ehemann) zu lösen.  Gleiches gilt auch für Seys Tochter Tsìlpey und für Kee'lanee. Immer noch pocht mein Herz etwas, wenn ich an sie denke. Sie war meine beste Freundin. Wir teilten alles miteinander. Doch auch dies tritt mehr und mehr in den Hintergrund und ich konzentriere mich auf neue Dinge. Dinge die vor mir liegen und die mich viel Kraft kosten werden und vielleicht auch irgendwann einmal mein Leben...

Ne'wey ist eine wirklich gute Freundin geworden. Auch mit ihr teile ich inzwischen alles und sie ebenso mit mir. Sie passt auf Maytame auf, wenn ich mich um andere Dinge kümmern muss, sie hilft allen im Clan gerne und dies obwohl sie mit ihren beiden Schülern Seysyu und Dallan wahrlich mehr als genug Arbeit hat. Ich glaube, niemand beneidet sie darum. Aber sie weiß, dass auch ich und die anderen ihr helfen, wenn es darauf ankommt. Ich hoffe, ich kann ihr ein wenig von dem zurück geben, das sie mir und uns allen jeden Tag gibt...

Unser Clan ist gewachsen. Außer Tswero, dem es inzwischen so gut geht, dass er sich wieder einigermaßen gut bewegen und laufen kann, sind auch wieder neue Gesichter in unseren Reihen aufgetaucht. Txe'lanyrr kam zu uns, das heißt, sie kam zu unseren Freunden, den Maguyuk (befreundeter Nachbarclan). Wir trafen im Wald auf sie und inzwischen scheint sie sich bei unserem Nachbarclan auch gut eingelebt zu haben, obgleich sie viel unterwegs ist. Zumeist scheint sie mit ihrem uran (Boot) unterwegs zu sein. Ich freue mich immer drauf, wenn sie kommt und uns von ihren neuen Erlebnissen berichtet.

Tsaro ist sich inzwischen auch sehr sicher, dass er uns nicht so bald wieder verlassen wird. Er erwähnte dies vor einigen Tagen einmal, als wir in einer gemütlichen Runde am Feuer beisammen saßen und erzählten. Auch er ist oft unterwegs, um das uns umgebende Land zu erkunden, doch er kehrt bisher immer wieder gesund zurück zu uns. Nur neulich hatte er sich etwas zugezogen. Nach seiner Rückkehr bat er mich, dass ich mir seinen Fuß einmal ansehen möge, weil ihn dort wohl irgendetwas gestochen habe. Mir fiel gleich seine Abgspanntheit und Müdigkeit auf, denn er brachte beinahe keinen Satz heraus, ohne dabei zu gähnen. Schnell war dann klar was passiert war. Obwohl der Stich bereits beinahe vollständig verheilt war, behandelte ich Tsaro vorsorglich, damit kein Schmutz in die, wenn auch nur noch sehr kleine, Wunde eindringen kann. Er schlief daraufhin fast drei volle Tage und nahezu regungslos. Maytame berichtete es mir, nachdem wir von der Erkundung der großen Menschensiedlung zurück kehrten. 

Dallans Bericht, dass seine Geräte etwas merkwürdiges angezeigt hätten, ließ uns aufbrechen und die Gegend in Richtung der Feuerberge erkunden. Er, Sey, Ne'wey, ich und auch Ne'weys Schülerin Seysyu machten uns schließlich auf den Weg dorthin. Ein beschwerlicher und sehr kräftezehrender Weg, wie wir schon bald feststellen mussten, an dessen Ende wir riesige von den sawtute (Himmelsmenschen) erbaute Siedlungen fanden und einen Feuerberg, aus dessen Innerem schon seit sehr langer Zeit kein Feuer mehr an die Oberfläche Eywa'evengs (Pandoras) gekommen sein kann. In dem riesigen, trichterförmigen Krater schliefen wir sogar, da er uns am sichersten erschien.

Bevor wir ihn jedoch fanden, lernten wir, dass die sawtute (Himmelsmenschen) Waffen haben, die ohne ihr Zutun funktionieren. Als nämlich Dallan eines der Gebäude von innen untersuchen wollte, hörten wir aus unserem Versteck Schüsse. Er hatte offenbar damit gerechnet, denn her trug während des gesamten Erkundungsmarsches Kleidung, die selbst, wie er uns später noch sehr eindrucksvoll zeigen sollte, den Feuerpfeilen der Menschenwaffen zu widerstehen vermag.

Seysyu hat als numeyu (Schülerin), die sie noch dazu ja noch nicht allzu lange ist, ihr bestes gegeben. Ich glaube so viel, wie sie während dieser Erkundung gelernt hat, hat vorher noch niemals ein numeyu (Schüler) während einer zweitägigen Reise gelernt. Was sollte sie auch anderes machen, als sich uns bedingungslos anzuschließen und genau das zu machen, was wir alle taten?  Wir mussten schließlich alle wittern, lauschen, beobachten, klettern, Zeichen geben und auch Spuren deuten und vieles mehr. Sie hat es aber wirklich gut gemacht, was ihr nach unserer Rückkehr auch von allen Lob einbrachte. Ich hoffe sehr für sie, dass Ne'wey ihr bald eine kleine Prüfungsaufgabe stellen wird, an deren Ende Seysyu vielleicht einen Schritt weiter auf ihrem Weg zur tsamsìyu (Kriegerin) gekommen ist.

In den wenigen Momenten der Ruhe hatte ich sehr oft das Bild meiner kleinen Jägerin vor meinem geistigen Auge. Maytame blieb bei Nìm'wey und Ma'wey zurück in unserem Lager. Immer wieder habe ich das Gefühl, zu wenig Zeit für sie zu haben, mich nicht ausreichend um sie zu kümmern und ihr oft Versprechen zu geben, die ich dann aus verschiedensten Gründen doch nicht einhalten kann. Das macht mich traurig und sie ebenso. Neulich war sie einmal sehr wütend auf mich, weil ich ihr wieder einmal etwas zugesagt hatte, dann aber am Feuer eingeschlafen war. Aber ich habe es wieder gut gemacht und ihr einen ganzen Tag mit ihrer sa'nu (Mama) geschenkt, an dem ich mich fast nur um sie gekümmert habe.

Dieser Tag war auch für mich eine große Erholung und ich konnte in dieser Zeit wieder einmal fast so unbeschwert sein, wie Maytame auch. Wir schwammen im See um die Wette, wir spielten mit dem neuen Spielzeug, das Seysyu sich für die kleine ausgedacht und es gebaut hatte und wir tanzten, lachten und sangen, bis sie dann am Abend todmüde, aber sichtlich zufrieden in meinen Armen einschlief. Als ich sie dann schlafen legte, beobachtete ich sie noch eine lange Zeit. Still hockte ich neben ihrem Schlaflager und mir wurde zum ersten mal nach sehr langer Zeit bewusst, mich vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft einer neuen Prüfung zu stellen. Der Prüfung, mich vielleicht noch einmal, sollte dies Eywas Plan für mich sein, mit einem tutan (Mann) zu verbinden...

Doch dies wird die Zeit mit sich bringen, ebenso wie dazu sutan (Männer) zu unserem Clan hinzu kommen müssten. Außer Tsaro, Dallan, Sey und Tswero bestehen die Rey'engya nur aus Frauen. Darüber schmunzeln wir hin und wieder, wenn wir zusammen am Feuer sitzen. Ob es nun aber jemand von diesen Vieren sein könnte, vermag ich jetzt noch nicht zu sagen, zumal hin und wieder mein Herz in Ne'weys Nähe etwas stärker zu pochen beginnt. Ich glaube, sie ist für mich ein wenig mehr als nur eine tsmuke (Schwester)...

Sey ist unser olo'eyktan (Clanführer) und wir haben schon so viel gemeinsam erlebt und auch überstanden. Ich denke, er wird mir immer das sein, was er schon von Anbeginn für mich war. Ein überaus guter und treuer Freund, ein loyaler tsmukan (Bruder), ein sehr guter Jäger, sowie ein olo'eyktan (Clanführer), dem ich bedingungslos und jeder Zeit mein Leben anvertraue.

Dallan ist nun einmal ein sawtute (Himmelsmensch), der in der langen Zeit, die er nun schon bei uns lebt, zum tsmukan (Bruder) und 'itan (Sohn) zugleich geworden ist. Ich mag ihn wie meinen Sohn und stehe zu ihm, wie zu jedem tsmaukan (Bruder) und zu jeder tsmuke (Schwester). Einmal nur, vor sehr langer Zeit, sah ich für einige kurze Momente sein wahres, unverhülltes Gesicht und berührte es sogar. Ich bemerkte, obgleich es so fremdartig war und ist, dass es auch irgendwie weiche Züge hatte. Aber er ist nun einmal sehr klein und wenn ich ehrlich zu mir selber sein soll, muss ich mir eingestehen, dass ich Männer mag, die mich mit ihrer Körpergröße überragen.

Tswero kenne ich bislang noch viel zu wenig und er mich ebenso. Durch seine schweren Verletzungen war er ja lange Zeit auf meine und die Hilfe des Clans angewiesen. Allzuviel wissen wir noch nicht über ihn außer, dass er von einem Clan kommt, der direkt am großen Ozean lebte. Sein Wissen über die Bewohner der Meere, Flüsse und Seen interessiert mich allerdings schon sehr. Allein als er uns zeigte, dass man das Fleisch der großen Muscheln kochen und essen kann, faszinierte mich und die anderen wohl auch. Einzig Ne'wey hatte es schon einmal lange Zeit zuvor gegessen, wie sie erzählte.  Ich bin schon sehr gespannt, ob er das, was er aus einer der Muscheln heraus holte, noch einmal mit ans Feuer bringt, um es uns allen zu zeigen. Es war eine kleine, sehr bunt schillernde Kugel, die er aus dem Muschelfleisch heraus geschnitten hatte. 

Tsaro ist ein Jäger, den ich, auch wenn er bereits deutlich älter ist als ich oder Ne'wey, sehr schätze. Seine Ruhe, seine Gelassenheit und gleichzeitig die Gabe, viele Dinge scheinbar zur gleichen Zeit in sich aufnehmen und verarbeiten zu können, versetzen mich immer wieder in Erstaunen. Sein etwas höheres Alter lässt ihn manchmal sogar sehr weise erscheinen. Doch ich glaube, er fühlt sich eher zu Ne'wey hingezogen, als dass er ein Auge auf mich geworfen hat. Wenn dies so sein sollte, dann hat er auf alle Fälle auch mit ihr eine seht gute Wahl getroffen und ich wäre gespannt darauf, wie es sich weiter entwickelt.

"Ma sa'nu (Mami), wollen wir schlafen gehen?", unterbricht mich eine Stimme, an der ich mich manchmal nicht satt hören kann. Maytame lehnt sich müde an mich und reißt mich aus meinen Gedanken. Sanft streiche ich ihr eine Strähne fort, die ihr ins Gesicht gefallen ist, nehme sie in den Arm und erwidere lächelnd: "Sran, ma taronyu fa ayrum (Ja, Jägerin der Kugeln), Du hast Recht. Komm mit, dann erzähle ich Dir noch eine Geschichte."  Dabei lege ich etwas geheimnisvolles in meine Stimme, um sie etwas neugierig zu machen. Gemeinsam tappsen wir dann Hand in Hand zu den Schlafplätzen. Als wir uns hinlegen, kuschelt sie sich eng an mich. Ich muss lächeln. Als ich meinen langen Schweif um sie uns mich lege, versucht sie es mir gleich zu tun, was ihr natürlich nicht gelingen kann.

Sie lacht mich dann an und schaut mich gespannt und etwas funkelnd mit den dunklen Augen des tutan (Mannes) an, ohne den es sie niemals geben würde. So erzähle ich ihr von einer Jagd, die Winataron und ich einmal mit Sey und Kee'lanee zusammen machten, als Maytame noch nicht da war und wir immer zu ihr sprachen, wenn sie von innen gegen meine Bauchdecke trat...

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