Dienstag, 22. Juli 2014

Muvea uniltaron oeyä / Meine zweite Traumjagd

Lamu lehrrapa tìsop atxan. Set lu oe tsahìk Rey'engyayä ulte layu oer lahea sìn.
(Es war eine lange und gefährliche Reise. Nun bin ich die Tsahìk der Rey'engya und werde andere Aufgaben haben.)
Heute ist er nun, der große Tag. Zum zweiten Mal in meinem Leben werde ich mich dieser gefährlichen Zeremonie hingeben, zum zweiten Mal wird das Gift des kalì'weya (giftige Spinnenart) durch meine Adern fließen und zum zweiten Mal, so hoffe ich, werde ich dann wieder geboren. Doch bevor es so weit ist, sind noch einige wichtige Dinge zu erledigen. So gehe ich schon sehr früh, kaum dass die ersten Sonnenstrahlen den neuen Tag ankündigen, in den Wald, um Kräuter für die Zeremonie zu suchen. Auch benötige ich die Wurzeln des torukspawm (Riesenpilz), die mich vor einer tödlichen Vergiftung schützen werden. Als ich ins Lager zurück komme, werde ich bereits von meiner yawntu (Liebsten) erwartet. Sie wird mir helfen, die weiße, zeremonielle Bemalung anzulegen. 


Sey'syu begrüßt mich und ich sehe ihr an, dass sie sehr gespannt auf das ist, was sie heute erleben wird. Ich kann sie verstehen, erinnere ich mich doch nur allzu gut an Seys uniltaron (Traumjagd), welches er nur wenige Tage vor meiner ersten Traumjagd machte, Es ist schon sehr lange her. Wir lebten damals noch im Clan der Tipani. Bereitwillig lasse ich mich von Sey'syus Händen bemalen. Obwohl doch beinahe das Gleiche, ist es diesmal auch ganz anders und mir ebenso vertraut, wie vollkommen fremd. Aber ich bleibe ruhig, während meine yawntu (Liebste)  mir einige Fragen zu dem bevorstehenden Ereignis stellt. Ich erzähle ihr von den Erinnerungen an meine erste Zeremonie. Sey scheint vollkommen ruhig und gelassen zu sein, doch ich kenne ihn und weiß, dass er sich, ebenso wie die anderen auch, um mich sorgt. Einer der Blicke, die er mir zuwirft, zeigt mir jedoch sehr deutlich, was in ihm vorgeht.
Ne'wey und Tsaro sprechen miteinander, während ich mich daran mache, die gesammelten Kräuter in einen Korb zu legen und alles für den Aufbruch zum vitra utral (Baum der Seelen) vorzubereiten. Da ich meine Waffen heute nicht brauchen werde, verstaue ich sie in unserer Höhle - bis auf mein Messer.
Nach und nach finden sich dann auch unsere Freunde des Clans der Maguyuk und auch Txällän (Dallan) bei uns ein. Sey'syu lässt sich nicht in Unruhe bringen. Sie beendet zunächst ihre Arbeit, ehe sie dann alle begrüßt. Ich folge ihr und bemerke eine merkwürdige Art von Spannung, die in der Luft liegt. Jemand fragt mich, ob ich Angst habe?  Angst habe ich keine. Was ich empfinde, ist eine besondere Form des Respekts. Es sind vermischte Gefühle aus Dingen, die ich bereits erlebte und den Vorahnungen über jene Dinge, die ich vielleicht heute erleben werde. Angst vor dem Tod habe ich nicht, denn ich weiß, sollte ich diese Zeremonie nicht überleben, wird die große Mutter meinen Geist in sich aufnehmen und ich werde ein Teil von ihr sein und ich weiß, man wird sich an mich erinnern und ich werde in den Liedern des Clans weiter leben. Der Reihe nach schaue ich alle an und empfinde Stolz für sie, meine Familie.

Der Weg zum vitra utral (Baum der Seelen) ist nicht sehr weit, er führt uns jedoch mitten durch den dichten Wald. Die Jäger und Krieger achten auf jede noch so kleine Bewegung, jeden kleinsten Laut und in ihrer Mitte fühle ich mich absolut sicher. Entfernt brüllt ein Palulukan (Thanator), aber er ist zu weit entfernt, um unsere Fährten riechen zu können. Als wir unser Ziel erreichen beginne ich, die Zeremonie vorzubereiten. Es ist etwas merkwürdig, aber Tasun, die einstige Tsahìk (spirituelle Clanführerin) der Tipani kommt mir in den Sinn. Sie bereitete einst diese Zeremonie für mich vor und ich kann nun nachempfinden, was damals in ihr vorging. So zünde ich die mitgebrachten Kräuter an, die schon nach kurzer Zeit einein wohlriechenden, aber recht dichten Rauch verbreiten. und setze mich in die Mitte des Kreises, den die anderen um mich herum bilden.
Sey, der den Krug mit dem kalì'weya (spinnenähnliches Tier) gut bewacht mitgebracht hat, öffnet den Deckel und ich muss unweigerlich an Atan denken, wie er damals ebenso neben Sey stand, als dieser seine Traumjagd antrat. Für einen kurzen Moment kommen mir Bilder meines ersten uniltaron (Traumjagd) in den Sinn, doch dann trifft es mich völlig unerwartet und überraschend. Zwei direkt aufeinander folgende Stiche des kalì'weya (spinnenähnliches Tier) treffen mich im Genick und ich schreie auf. Doch schon im nächsten Moment scheinen meine Gedanken wie Wolken zu verschwimmen. Ich sehe sie alle um mich herum sitzen, aber auch ihre Gesichter verschwimmen und ihre Stimmen verzerren sich bis zur Unkenntlichkeit. Es klingt wie ein Grollen oder Stampfen. Bin ich noch ich selber?  Bin ich ein Teil Eywas geworden?  Ich weiß nicht, was gerade mit mir geschieht.

Ich sehe das Gras um mich herum wachsen und es wächst mit unvorstellbar hoher Geschwindigkeit. Die Grashalme scheinen nach mir greifen zu wollen und ich höre viele verzerrte Stimmen, die nach mir rufen. Es hört sich an als riefen sie: "Za'uuuuuuu... Za'uuuuuuu..." ("Kooooommmmm heeer...... Koooommmm heeeer...") Es fühlt sich an, als hätte ich dies schon einmal erlebt und aus meinen tiefsten Erinnerungen kommen Gedanken in mir hoch, die mir die Bestätigung dafür geben. Ich versuche, die inzwischen beinahe armdicken und baumhohen Grashalme zu greifen, aber meine Hände gleiten durch sie hindurch. Ich höre ein Lachen und eine unsichtbare Kraft packt mich und zieht mich sehr schnell nach oben. Ich will das nicht, aber jeder Protest ist zwecklos. Es ist beinahe wie der Flug auf einem Ikran (Banshee), nur nimmt die Geschwindigkeit immer mehr zu. Die Bilder verschwimmen zu Farben...
Immer schneller und immer höher werde ich getragen, wobei ein grelles rötlich violettes Licht mich vollständig einzuhüllen scheint. Ich habe keine Angst und fühle mich in diesem Licht plötzlich sogar geborgen und sicher. Immer höher und höher tragen mich diese unsichtbaren Hände und das mich umgebende Licht wird immer intensiver.
Die Farben verändern sich. Aus den roten und violetten Farbtönen werden gelbe und grüne. Mit unglaublicher Geschwindigkeit bewege ich mich auf den Himmel zu, doch von einem zum anderen Moment lassen mich diese unsichtbaren Hände los und ich beginne zu fallen. Erschreckt schließe ich meine Augen und warte darauf, dass der Wald mich auffangen wird. Doch nichts dergleichen geschieht. Weiter und weiter falle ich immer schneller. Völlig unerwartet endet dieser unendlich erscheinende Sturz und als ich eine Augen wieder öffne erkenne ich, dass ich tief unter der Oberfläche unseres Ozeans sein muss. Nur wenige Sonnenstrahlen vermögen es, ihr Licht hier hinunter zu bringen. Die Feststellung, dass ich atmen kann, nimmt mir den Schrecken ein wenig. Wieder kommt mir eine Erinnerung. An diesem Ort war ich vor sehr langer Zeit schon einmal.

Obwohl ich den Grund des Ozeans nicht sehen kann, beginne ich auf ihn zu zu schwimmen. Ein Gefühl der Ungeduld überkommt mich und ich schwimme immer schneller in die Tiefe. Dann wird es hell und ich erkenne, dass  unvorstellbar viele ayatokirina' (Saat des heiligen Baumes) mit mir schwimmen. In ihrem Licht nehme ich schemenhaft eine Art Höhle wahr und ich schwimme direkt darauf zu. Auch diesen Ort erkenne ich aus meinen Erinnerungen wieder.
Mit schnellen und kraftvollen Armzügen erreiche ich die Höhle, doch als ich gerade in sie hinein schwimmen will, werde ich wieder von diesen unsichtbaren Händen gepackt und in die Höhe gerissen. Wütend über diese Dämonen,  beginne ich laut zu brüllen: "Ftang aynga, ma ayvrrtep! Ke new oe kivä ayngahu! Oeti lonu pxiswaway. New oel fìtsengit tivok." ("Hört auf, Ihr Dämonen! Ich will nicht mit Euch gehen! Lasst mich sofort frei! Ich will hier bleiben!")  Die unsichtbaren Hände jedoch gehorchen mir nicht und reißen mich stattdessen wieder höher und höher aus der Tiefe des Ozeans heraus und unseren drei Sonnen entgegen. 

Wieder ändert sich das Licht und die mich umgebenden Farben werden nach und nach wieder violett und rot. Doch ich kann alles um mich herum klar erkennen. Als dann eine sehr tiefe Stimme zu mir spricht, erinnere ich mich abermals, schaue mich um und erkenne dann, dass ich auf einem Ikran sitze. Seine gelb grüne Maserung ist einzigartig und mir wird sofort bewusst, dass es Rima Txep (Kxìryas erster Ikran) ist, der mich mit sich trägt. Viele Erinnerungen an ihn kommen mir in den Sinn. Er spricht zu mir und sein weicher Tonfall lasst mich sehr ruhig werden. "Txopu rä'a si ma taronyu anawm!" ("Hab keine Angst, geschätzte Jägerin!"), sagt er zu mir. Er erklärt mir, dass er mich in wenigen Momenten wieder fallen lassen wird und dass ich dann eine ganz besondere Jagd miterleben werde. Eine Jagd, von der ich ein Teil war und die immer ein Teil von mir sein wird. Danach will er mich wieder zu sich holen. Er verspricht, dass mir nichts geschehen wird. Immer noch vertraue ich ihm und weiß, er wird mich niemals ins Unglück stürzen. Schon im nächsten Augenblick wendet er sich in einer schnellen Bewegung zur Seite, ich rutsche ab und es beginnt ein rasanter Sturz in eine mir endlos erscheinende Tiefe...

Ebenso plötzlich, wie der Sturz begann, endet er nach einer mir unendlich vorkommenden Zeitspanne dann auch wieder. Einige Augenblicke vergehen, bis ich dann realisiere, dass ich in einem Versteck liege. Mein Bogen ist gespannt und mein Pfeil zielt auf ein Yerik (hirschähnliches Tier), das nur unweit entfernt vor mir, nichts ahnend, durch den Wald streift. Immer noch umgibt mich dieses grell bunte Farben- und Lichterspiel, doch es stört meine Jagd nicht. Ich erinnere mich, genau diese Situation wirklich erlebt zu haben. Damals, vor sehr langer Zeit, im Tal der Tipani. Es ist eine Erinnerung, die gerade jetzt, in diesem Moment stattfindet. Ich lausche konzentriert, beobachte meine Beute und wittere noch einmal. Dann geben meine Finger langsam die straff gespannte Sehne meines Bogens frei. Nur ein leises Zischen begleitet den Flug meines Geschosses. Im selben Moment, als mein Pfeil seine todbringende Reise beginnt, überkommt mich jedoch ein Gefühl von Panik, denn ich erkenne, dass ich selber dieser Pfeil bin, den ich soeben abgeschossen habe. Und ich erkenne, dass es kein Yerik (hirschähnliches Tier) ist, auf das ich mich zu bewege, sondern es ist jenes Mädchen, das ich einst im Schmerz der Liebe, die ich für einen Krieger empfand, getötet habe.
Kurz bevor ich ihr in der Gestalt eines Pfeiles erneut den Tod bringe, spricht sie zu mir. Sie begrüßt mich freundlich mit den Worten: "Ohel ngengati kameie, ma tsmuke." (förmlich, etwa "Ich sehe Euch.")  Mit einer geschmeidigen Bewegung weicht sie mir aus und es scheint, als hätte sie unendlich viel Zeit dazu. Ihr Lachen klingt warm, als sie fortfährt: "Wie ich es einst voraus sagte, kehrst Du nun an den Ort zurück, den das Auge nicht sieht und den nur Du so siehst, wie Du ihn jetzt siehst."  Sie macht eine kleine Pause und spricht dann warm, freundlich und ohne jeglichen Groll darauf, dass ich sie einst getötet habe, weiter: "Nun sieh Dich um, meine Freundin. Sieh Dich sehr genau um... und lausche..."  Noch bevor ich etwas erwidern kann, werde ich wieder von den unsichtbaren Händen gepackt und inmitten dieses Spiels aus grell wabernden Farben hinfort gerissen. Doch weiß ich nun, es sind keine Hände, sondern es ist mein erster Ikran (Banshee), der mich durch diese unwirkliche und doch so reale Welt trägt. Ich empfinde beinahe grenzenlose Geborgenheit. "Ma Kxìrya...", sagt er: "ich zeige Dir nun Deine Bestimmung. Den Ort wirst Du erkennen und Du wirst dort auf jemanden treffen, den Du kennst. Doch er wird Dir nicht erscheinen, wie Du ihn kennst. Doch höre auf seine Worte und lerne, sie zu sehen. Ob Dir dies gelingt, kann Dir niemand sagen, außer Du selber."
Wir fliegen, immer noch begleitet von diesen wabernden Farbenspielen, eine mir endlos vorkommende Strecke, bevor Rima Txep mich erneut abwirft und ich in eine endlos erscheinende Tiefe stürze. Ich durcheile eine Art Tunnel oder Höhle, doch es wird so finster, dass ich nichts mehr zu sehen vermag. Nur ganz weit unten, am Ende dieses Tunnels, sehe ich ein sehr helles, weißes Licht, das mir mit unvorstellbarer Geschwindigkeit entgegen zu kommen scheint. Ich bereite mich innerlich auf einen sehr unsanften Aufprall vor, doch als ich das Ende erreiche, geschieht nichts dergleichen. Entgegen aller Erwartungen lande ich sehr sanft und weich. Als meine Augen sich an das helle Licht gewöhnt haben, sehe ich voller Erstaunen Nì'hì, den kleinen syaksyuk (Affen), dem ich ab und an im Wald begegnete, als ich noch ein kleines Mädchen war.

Ich selber gab ihm diesen Namen, weil seine Laute auf mich immer lustig und voller Spaß wirkten. Er erschien mir bereits bei meinem ersten uniltaron (Traumjagd) und seither weiß ich, dass der syaksyuk (Affe) mein Traumtier ist. Ich strecke ihm eine Hand entgegen und begrüße ihn: "Ma Nì'hì, kameie ngati." ("Nì'hì, ich sehe Dich."), doch er entgegnet nichts und deutet nur stumm mit einer Geste an, dass auch ich nun still sein möge. Sein Blick ist sehr eindringlich, daher gehorche ich ihm.
Als er dann seinen Mund öffnet und beginnt zu sprechen, durchzuckt es mich, als hätte ein Blitz mitten in mein Herz getroffen. Täuschen mich meine Ohren gerade oder spricht dort die tiefe, aber doch so sanfte Stimme Winatarons (Kxìryas verstorbener Mann) zu mir?
"Ma muntxate ayawne oeyä..." ("Meine geliebte Ehefrau...") beginnt er und ich merke, wie mich diese Stimme immer noch trifft, wie sie mich mit ihrem Klang fesselt und wie ich sie in all der Zeit seit seinem Tod vermisse: "Deine Reise nähert sich bald ihrem Ende Du hast viele Dinge erlebt. Einige davon waren Angst einflößend, andere waren sehr angenehm oder auch mysteriös für Dich und wieder andere haben Dich vielleicht sehr verwirrt. Doch alle diese Dinge haben etwas gemeinsam. Sie haben Dich gelehrt, mit Dir selber umzugehen, sie haben Dir gezeigt, Dich selber zu sehen und sie haben Dir gezeigt die Welt, in der Du lebst, anders zu sehen."  Ich hebe verwirrt eine Hand und will zunächst wissen: "Du bist nicht Nì'hì, aber Du bist auch nicht Vaters Vater. Deine Stimme..." Sehr leise, aber eindringlich und neugierig frage ich gedehnt: "Weeeer bist Duuu...?" 

Der Affe entgegnet weise und dabei lächelnd: "Du fragst mich, wer ich bin, obwohl Du die Antwort längst kennst?"  Er sieht mich lange an und fügt hinzu: "Du traust Dich nur nicht, es auszusprechen, weil es Dir zu unglaublich und zu unvorstellbar erscheint."  Ic halte seinem Blick stand und entgegne: "Ma tsmukan omum nìno fwa nga lu tìreaioang oeyä." ("Bruder, ich weiß genau, dass Du mein Geistestier bist.")  Der Affe schließt seine Augen, senkt leicht den Kopf und wiederholt meine Wrote: "Srane, oe lu tìreaioang ngayä." ("Ja, ich bin Dein  Geistestier ."), um hinzuzufügen: "Nga lìyu tsahìk olo'ä Rey'engyayä, ma nawma tsmuke, slä tìng mikyun!  Nga pìyähem tì'ì'aro tìsopä ngeyä." ("Du wirst sehr bald die Tsahìk (spirituelle Clanführerin) der rey'engya sein, doch höre zu!  Du wirst am Ziel Deiner Reise ankommen."
Seine Stimme erweckt Neugier in mir und so höre ich ihm weiter zu, als er weiter spricht: "Eines möchte ich Dir mit auf den Weg geben.  Aus Dir ist eine starke und selbstbewusste zwykoyu (Heilerin), eine tapfere und mustig taronyu (Jägerin) und eine liebevolle sa'nu (Mama) geworden. Du weißt selber zu entscheiden, wohin Dich Dein weiterer Weg führen wird. Lasse Dich niemals und von niemandem von diesem Weg abbringen, wenn Du es nicht selber willst. Beschütze den Clan, dessen Teil Du bist und beschütze alle die, die Du liebst und die auch Dich lieben. Du bist nicht nur Teil Deines Clans, Du bist ebenso Teil aller Völker unserer Welt und all seiner Geschöpfe, wie auch ein Teil von mir."
Geduldig seinen  Worten lauschend fügt er nach einer weiteren Pause hinzu: "Du wirst es nicht verstehen, aber Du bist ein Teil von dem, was uns und unsere Welt umgibt und Du wirst eine Lehrerin sein, eine Ratgeberin und eine, die den Willen Eywas deutet. Schau in den Himmel bei Nacht, dann weißt Du, was ich meine. Die vielen Sterne umgeben uns und das seit vielen, vielen Jahren. Auch Du bist ein Teil von ihnen und ein Teil der Zeit. Auch sie umgibt uns und wir leben in ihr und durch sie. Drei Fragen gab ich Dir einst mit auf den Weg, Du erinnerst Dich? Woher kommst Du? Wohin wirst Du einmal gehen? Und wozu sind wir hier und was soll das hier alles?  Die ersten beiden Frage, ich weiß es, hast Du längst beantwortet, aber wie steht es mit der Antwort auf die dritte Frage?


Die Unsicherheit, die ich in diesem Moment verspüre, wird von Gefühlen der Geborgenheit, der Liebe und des Willkommenseins überspielt, die der syaksyuk (Affe) ausstrahlt. Als ich meinen Mund zu einer Antwort auf diese dritte Frage dann zunächst öffne, dann aber doch nichts sage, ist es ein weises und zustimmendes Lächeln, das er mir entgegen bringt: "Es spricht für Dich, diese Frage immer noch nicht zu beantworten. Du wirst die Antwort finden, indem Du Deinem Volk zuhörst. Deute ihre Worte und deute die Zeichen, die Eywa Dir immer wieder geben wird. Du wirst oft unsicher sein, aber Du wirst lernen, all diese Zeichen zu sehen und sie zu verstehen."
Als ich dann etwas darauf antworten will spüre ich, dass mich diese unsichtbaren Hände wieder packen. Auch das Spiel der violetten und roten Farben setzt wieder ein. 
Mit sehr großer Geschwindigkeit durcheile ich dann wieder einen mich vollständig umgebenden Farbwirbel der nach einer gefühlt unendlich langen Zeit dann immer schwächer wird, Ich spüre, dass die Traumwelt, in der ich mich wohl noch befinde, mehr und mehr der Realität weicht. Zunächst scheinen sich beide Welten miteinander zu vermischen, doch schließlich höre ich Stimmen und nehme Gefühle über meinen Zopf wahr. Sofort, und noch ehe ich meine Augen öffne, stellt sich mir jedoch die Frage, weshalb mein Zopf offenbar verbunden ist?  Ich hatte mich nicht mit der großen Mutter verbunden, als dieses Ritual begann. Sollte jemand der anwesenden mich währenddessen...?  Nein, das würden sie niemals tun und ich wäre auch zutiefst enttäuscht, würde jemand so etwas respektloses tun.

Als ich meine Augen dann öffne und noch etwas benommen in die Runde schaue, sehe ich, dass alle nach wie vor auf den Plätzen sitzen, die sie zuvor eingenommen hatten. Einzig Sey ist ein wenig abseits und ich frage mich, was geschehen sein könnte?  Dann bemerke ich, dass mein Zopf mit den Wurzeln des vitra utral (Baum der Seelen) verbunden sind. Schonend wird mir dann erklärt, es habe unerwarteten Besuch gegeben, welcher auch verantwortlich dafür sei, dass ich nun mit Eywa verbunden bin. Ungläubig höre ich Seys Ausführungen zu, als dieser mir berichtet, dass ein ganz besonderer Nantang (Natterwolf) während des Rituals wie aus dem Nichts auftauchte und um mich herum schlich, als ich bewusstlos am Boden lag.  Ich beginne zu begreifen und spreche dann zunächst direkt zu Sey: "Ma olo'eyktan anawm Rey'engyayä (großer Clanführer der Rey'engya), ich stehe nun vor Dir, bereit, mich dem zu widmen, für das die große Mutter mich auserwählt hat. Nun ist es gewiss, dass mich neue und sicherlich auch manchmal unlösbar erscheinende Aufgaben erwarten. Doch ich bin bereit, mich ihnen zu stellen."
Eine Hand auf Seys Herz legend, spreche ich weiter: "Haben wir in letzter Zeit oft vom ewigen Kreislauf gesprochen und dass alles in ständiger Bewegung ist?"   Er nickt mich an und in seinem Gesicht zeichnet sich ein sehr wohlwollendes und zugleich auch wissendes Lächeln ab. Ich berichte von dem gerade Erlebten und höre gespannt dem zu, was die anderen berichten werden. Besonders Sey'syu ist froh, mich gesund und wenigstens halbwegs munter wieder in ihre Arme schließen zu können. Sie berichtet mir von diesem grünen Licht, das in letzter Zeit oft auftrat, wenn ich mich mit dem Baum verbunden hatte. Nun haben es wohl alle gesehen und nachdem ich mit meinen Erzählungen geendet habe, bemerkt Tsaro, dass dieses Licht wohl ein Zeichen Eywas dafür war, was mich hier heute erwartet hat. Sey ist dann der erste, der mich mit "Ma Tsahìk" anspricht und es ist mir etwas mulmig im Bauch, da ich weiß, Mich werden nun fortan alle mit diesem Titel ansprechen. Ich schaue in den Baum hinauf und verneige mich vor Eywa, obgleich meine Knie immer noch etwas wacklig sind. Ich versuche, niemandem zu zeigen, dass ich gerade in diesem Moment sehr an mein Kind denke. Ich weiß, sie wäre, könnte sie jetzt hier sein, voller Stolz auf ihre sa'nu (Mama). 

Wir beschließen, den Weg zurück in unser Lager anzutreten, denn inzwischen ist beinahe der ganze Tag vergangen. Ich habe Hunger und Durst. Mir ist, als könne ich acht Wasserkrüge nacheinander leeren. Begleitet und beschützt von dem ganzen Clan durchqueren wir den Wald. Wir kommen etwas langsamer voran, da ich doch noch etwas geschwächt bin. Als wir im Lager ankommen, verabschieden sich Korlan, Tac'ìri und Ali'yara von uns und treten ihren Heimweg an. Auch wir machen uns daran, nun etwas Ruhe einkehren zu lassen und versammeln uns ums Feuer. nach und nach schlafen wir dann alle ein. Das letzte, das ich bemerke ist Sey'syus Kopf, der an meiner Schulter lehnt. Ich lege sie etwas zur Seite und mich dann zu ihr. Die kmmenden Tage werden viele Fragen mit sich bringen, viele neue Dinge und ich habe das Gefühl, wieder zur numeyu (Schülerin) geworden zu sein...

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Alle Bilder zu diesem RP findet Ihr in meinem flickr Fotoalbum.

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