Freitag, 8. Dezember 2017

Txum kilvanä / Flussgift [1]

Hapxì 'a'awve 
(1. Teil)


Es war mein Vorschlag, das Lager der Rey'engya für eine gewisse Zeit zu verlassen und im Lager der Maguyuk (befreundeter Clan) zu leben, denn ich hatte ein Gefühl, dass die sawtute (Himmelsmenschen) etwas planen und ich befürchtete einen Angriff. Also sprach ich mit den anderen darüber und sie stimmten mir zu. So verließen wir vor einiger Zeit unser Lager und ließen nur einige Wachen zurück. Sey'syu baute rund um das Lager und vor allem dort, wo sich unser Torbogen befindet, viele Fallen auf, um ein etwaiges Eindringen der fremden zu verhindern.

Als wir Korlans (Clanführer der Maguyuk) Lager erreichten, kamen mir Erinnerungen in den Sinn. Lange Zeit hatte ich sie verdrängt, doch als ich vor der Hängematte stand, in der ich einst mit meinem muntxatan (Ehemann) schlief, war es, als könne ich die Stimmen von damals hören. Nachdem wir uns mit den wichtigsten Vorräten versorgt und das Gebiet um unser neues Heim herum ausgekundschaftet hatten, kam es eines Abends, als wir alle am Feuer saßen, dass jeder eine Geschichte erzählte. Als ich an der Reihe war, erzählte ich von eben diesen Erinnerungen. Ich sprach von Tac'ìri und Ali'yara (Korlans Frau und Tochter), die nun schon seit langer Zeit unauffindbar sind, ich erzählte von Winataron (Kxìryas verstorbenem Ehemann) und von Dingen, die wir -  nicht selten gemeinsam - erlebt hatten.

Wieder war es Neyri, der ich, obgleich auch sie eine Geschichte aus ihrer Gefangenschaft bei den sawtute (Himmelsmenschen) erzählte, deutlich anmerkte, dass es sie wieder bedrückte, nicht über solche Erinnerungen zu verfügen, wie wir es tun. Ich glaube, es macht sie sehr traurig und sie fühlt sich manchmal, als würde man sie alleine lassen. So verging Tag um Tag und die Tatsache, dass wir nicht die kleinsten Beobachtungen machen konnten, was mögliche Aktionen der sawtute (Himmelsmenschen) angeht, schien nicht nur Tsaro oder Beyda sehr zu beschäftigen. Ich spürte eine seltsame Anspannung, die sich durch den ganzen Clan zu ziehen schien. Als Sey, der lange Zeit unterwegs war, uns schließlich dort fand, beschlossen wir zurück in unser Lager zu gehen. Das heißt Tsaro, Korlan und ich benutzten das eine Boot, Sey'syu, Neyri und Sey das andere. Wir hatten die Boote mitgenommen, um die Gegend rund um das Sumpfgebiet herum leichter auskundschaften zu können.

In unserem Lager angekommen spüre ich, dass es mir ein wenig schwindelig ist und ich fühle mich warm, so als wäre ich eine weite Strecke gerannt. Doch ich denke, es ist nur die Anstrengung, die das Steuern eines Segelbootes erfordert. Also mache ich mir keine weiteren Gedanken und warte zusammen mit den anderen am Torbogen, bis Sey'syu uns sagt, dass sie alle Fallen, die sie aufgebaut hatte, sicher gemacht habe. Trotz aller guten Erinnerungen und der Clangeschichten am Feuer bin ich froh, wieder in meiner Hängematte schlafen zu können und lege mich auch sehr rasch hin, nachdem ich nur die nötigsten Dinge erledige und mich dann von den anderen verabschiede.

Etwas merkwürdig fühle ich mich, als ich mich in meine Hängematte lege, aber sicher bin ich nur überanstrengt und brauche etwas Ruhe, denke ich, bevor sich dann einschlafe. Als ich dann aber aufwache spüre ich, dass mein Kopf so heiß ist, wie die Glut des Clanfeuers. Schweiß rinnt an meiner Stirn hinunter und ich habe Durst - Großen Durst. Ich versuche aus meiner Hängematte aufzustehen, aber ich bin so schwach, wie ein neu geborenes Yerik (Hirsch ähnliches Tier) und meine Beine knicken unter der Last meines Körpers in sich zusammen. Kempe lolen? (Was ist geschehen?) Diese Frage stelle ich mir mehrfach, während ich mich mühsam über den Boden in Richtung einer großen Wasserschale ziehe. Ich will nach den anderen rufen, doch meine Stimme versagt.

Mein zittriger Griff zu der Wasserschale lässt diese umkippen, sodass das Wasser sich zum Teil über meinen Kopf ergießt. Ein kleiner Moment, der mir angenehme Kühle bringt, nicht aber meinen Durst löscht. Immerhin gelingt es mir, einige Tropfen vom Boden und von meiner Hand abzulecken, doch ich spüre, dass ich immer schwächer werde und dann bin ich sicher zu wissen, was mit mir los ist: Ich habe das Flussfieber, jenes heimtückische Fieber, an dem meine beste Freundin Ne'wey beinahe zu Grunde gegangen wäre, wäre es mir und dem Clan damals nicht gelungen, ihre winzige Verletzung aufzuspüren und das Gift in ihrem Körper zu neutralisieren. Ich sehe sie einen Moment lang vor mir liegen...

Dann plötzlich höre ich Stimmen, aber sie sind sehr leise, sehr weit von mir entfernt. Doch ich versuche zu rufen, mich bemerkbar zu machen. Ich fühle mich schwach, sehr schwach und möchte schlafen, viel schlafen, doch in meinem Kopf spüre ich diese unsagbar große Hitze, die es mir nicht erlaubt, jetzt und hier einzuschlafen. Ein einziger Gedanke geht mir durch die Sinne: Neyri! Sie kann, sie muss mir helfen und so rufe ich nach ihr...


[Die nun folgenden Absätze entstammen rein Kxìryas Phantasien, die durch das ständig steigende Fieber hervorgerufen werden.]
Atan. Ich sehe Atan vor mir. Ein Gefühl der Freude überkommt mich, dass er uns besucht. Ne'wey wird sich darüber sicherlich ebenso sehr freuen, wie ich es tue. Doch ich muss ihn warnen, denn die sawtute (Himmelsmenschen) planen einen sehr hinterhältigen Angriff auf unser Lager. Wieder wird es einen ungleichen und sinnlosen Krieg zwischen den verschiedenartigen Völkern geben und wieder werden viele von ihnen und noch mehr von uns sterben. Doch wofür? Ich muss ihn warnen. Er, Sey und all die anderen müssen versuchen, die anderen Clans unseres Volkes zu erreichen, sie um Hilfe in diesem bevorstehenden Krieg bitten.

Ich sehe Bilder vor mir. Bilder, die mir zeigen, dass wieder viele grausame Dinge geschehen werden. Mir wird sehr kalt und ich sehe Blut, dass das Gras unserer Weiden rot färbt. Blut, dass die Erde tränkt und kleine Pfützen bildet, weil es nicht schnell genug vom Boden aufgenommen werden kann. Wie einst sehe ich brennende fa'lì (Schreckenspferde), wie sie schreiend davon laufen und ich sehe hoch über mir Ikrane (Banshees), die von den Feuerpfeilen der sawtute (Himmelsmenschen) getroffen zu Boden fallen.
Dann spüre ich einen stechenden, brennenden Schmerz an meinem linken Fuß. Hat irgendetwas mich getroffen? Bin ich verletzt? Wieder rufe ich, bitte um Hilfe, doch sich sehe nur Atan, meinen einstigen Olo'ekytan (Clanführer) vor mir und wieder spüre ich von einem zum anderen Moment diese unsagbare Hitze in mir. Mein Kopf fühlt sich an, wie die Glut eines Feuerberges.

Etwas in meiner Kehle brennt und ich will es ausspucken, aber selbst dies vermag ich nicht zu tun. Ich fühle mich schwach, sehr schwach und will nur schlafen, doch ich bin von irgendetwas wie gefesselt und spüre wieder diesen brennenden Schmerz am Fuß und zugleich in meiner Kehle. Ich kann nichts sehen, kann nichts hören, aber ich glaube zu spüren, was Neyri einst gespürt haben muss, während sie von diesen ayvrrtep (Dämonen) gefangen gehalten wurde. Ich weiß, sie können meinen Körper töten, meinen Geist jedoch wird in Eywa weiter leben und die große Mutter wird ihn in sich aufnehmen, so wie sie es mit allen unseren Seelen macht. Ich habe keine Angst davor und daher wehre ich mich nicht. Aber ich weiche auch nicht vor ihnen. Ich werde ihnen diesen Körper mit all seiner geborgten Energie ohne Kampf überlassen und ihnen nicht den Triumph gönnen, dass sie mich in diesem ungleichen Kampf besiegt haben. Sie werden allenfalls erzählen können, dass sie eine mit heruntergelassenen Waffen vor ihnen stehende Na'vi getötet haben.

Ich denke an mein kleines Mädchen, Maytame und ihren Spielgefährten Ryatxi. Sie sollen mich nicht so sehen. Sie sollen nicht miterleben, was sie mir antun. Ich will und werde es meinem Kind selber zeigen und sagen, wenn sie zu den Stimmenbäumen geht, um mir und den Ahnen zu lauschen. Ich werde ihr zeigen, was sie mit mir gemacht und wie feige sie mich, ihre sa'nu (Mama) getötet haben. Rutxe txoa livu ma 'itetsyìp (Bitte vergib mir, kleines Mädchen), aber ich und sempu (Papa) werden wieder vereint sein und wir werden Dich und die anderen immer beschützen.

Dann, von einem zum anderen Augenblick spüre ich nichts mehr. Weder Kälte, noch Hitze, weder Hunger, noch Durst. Nur das Brennen in meiner Kehle sagt mir, dass ich noch lebe. Wie lange noch? Ich weiß es nicht, aber ich zähle nicht die Atemzüge, die mir noch verbleiben, bis Eywa meinen Geist zu sich holt. Doch jeder Atemzug ist ein kleiner Sieg für mich, denn mit jedem Atemzug vergeht ein kleiner Moment. Es ist Zeit, die ich gewinne und die sie verlieren...



[Die Fortsetzung dieser Geschichte wird dann zeigen, wie das RP in der Realität verlaufen ist und ob dies wirklich nur alles Phantasien waren...]

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