Wieder
einmal machte ich mich auf den Weg trockenes Holz für das Clanfeuer zu suchen.
Es
waren in der Zwischenzeit schon einige Tage vergangen als Sey mir meine erste
richtige Aufgabe übertrug. Nun stand ich aber vor dem Dilemma: Im Wirkungsbereich
des Lagers legte mir der Wald keine frischen Hölzer mehr vor die Füße und weiter weg dufte ich nicht gehen.
Schließlich bot Sey’syu, die Tsamsiyu (Kriegerin)
ist mir eine erleichternde Lösung an. Unweit des kleinen Lagers am See verbarg
sich eine Felsspalte, welche in einen kleinen Felskrater mündete. Sey’syu führte
mich dort hin und zeigte mir mehrere Bündel Holz, welche an den Ästen der Bäume
hingen. Sie erklärte daraufhin, welch praktischen Nutzen es hat Brennholz so aufzubewahren
und zu trocknen. Es ist natürlich Sinnvoll und hilf mir dadurch auch sehr, nicht
selbst in dem Wald gehen zu müssen. Da es die Saronyu (Jäger) eh taten und selbst bei einer misslungenen Jagd
dennoch wichtige Dinge für den Clan aus den Wald holten und sei es Holz für die
Waffenherstellung oder als Brennholz.
Äußerst
rasch merkte ich, dass sich Sey’syu für solche Dinge interessierte, was allein
ihr Erscheinungsbild eindrucksvoll verdeutlichte. Alles was Sey’syu am Leibe
trug, muss einen Nutzen haben, dementsprechend schlicht war sie auch gekleidet.
Sie
ist weniger die Sorte Frau, welche sich mit typischen Aufgaben begnügt. In
weiteren Gesprächen erfuhr ich schon vorausahnend jene Vorlieben der jungen Kriegerin.
Von Harz verklebter Haut, schmutzigen Fingernägeln und oft einem eher leicht
modrigen Duft begleitet, stand sie beispiellos in ihrem Bestreben neue nützliche Dinge für
den Clan zu fertigen. Von ihrer Vergangenheit erzählte mir Sey’syu
daher nur recht wenig, aber man konnte selbst daran erkennen, dass auch Sie eine eher schwierige Kindheit gehabt
haben musste.
Wir
saßen inzwischen wieder auf den Yerikfellen am Clanfeuer und so schnell mir Sey’syu
bei meinem Problem geholfen hatte, so schnell hatten wir die Zeit vergessen, als
wir miteinander sprachen. Erst als der Tag sich dem Ende näherte und die
anderen Smuktu (Geschwister)
sich am Gemeinschaftsfeuer zusammenfanden, merkten Sey’syu und ich es, worauf
wir etwas darüber kichern mussten.
Dann kam auch Kxìrya, die Tsahìk (Schamanin)
zu uns und setzte sich neben Sey’syu. Ein Kuss seitens Kxìryas erwischte Sey’syu,
ehe diese sie wie folgt begrüßte: „ Kameie ngat ma Yawntu.“(„Ich sehe dich, Geliebte“) Ich
muss dazu wohl kaum erwähnen wie erstaunt ich in jener Situation war, oder? [xD]
Natürlich
sahen es Kxìrya und Sey’syu mir an und nach dem heiteren Grinsen der beiden
bekundeten sie mir offen ihre Liebe
zueinander. Rückwirkend muss ich sagen, das Sey’syu eine Kriegerin war, war eher
nur die halbe Wahrheit. Viel mehr war sie zu jenem Zeitpunkt, wie auch ich, eine
Numeyu (Schülerin),
doch war sie mit ihrer Ausbildung schon so gut wie am Ende angelangt, was unter
anderem auch erklärte wieso sie sich nicht mit Kxìrya verband.
Während
wir die letzte Mahlzeit des Tages zu uns nahmen, erzählten Kxìrya und Sey’syu mir
wie die aufstrebende Kriegerin gefunden wurde und in den Clan der Rey’engya kam.
Im eben jenem erwähnten Felskrater gibt es noch heute ein tiefes Loch… Ein
unterwasserstehendes Tunnelsystem …Ein Ort der Einsamkeit welcher in Sey’syus Fall
nicht von den Sawtute (Himmelsmenschen)
errichtet wurde. [Hierbei kurz Angemerkt, jene Geschichte möge euch Sey’syu doch
lieber selbst erzählen].
Gleichermaßen
wie ich mit Sey’syu zusammen bis zum Abend miteinander sprachen, erzählten
die beiden mir bis tief in die Nacht jene Geschichte. Auch wenn mich das Interesse daran wachhielt und mich die Neugierde das Schlafen vergessen ließ, umso stärker fühlte ich dann meine Erschöpfung, als die Geschichte von Sey’syu endete.
Vielleicht war es genau dieser Moment, als Kxìrya mich so übermüdet sah, der die
Erinnerung an ihre Tochter May wieder in ihr Gedächtnis vorrückte. Meiner
bis dato distanzierten Haltung zum Trotz, nahm mich Kxìrya zögernd mit beiden
Armen hoch und brachte mich schon halb schlafend zu den Hängematten in die
Höhle. Zwar war ich noch immer neu im Clan, kannte selbst noch nicht alle Namen,
sah selbst wie ein halb gerissenes Yerik (Hexapede –
pflanzenfressendes Beutetier) aus, doch spürte Kxìrya mehr in mir
als diese oberflächlichen Dinge. Dieses Gefühl von Geborgenheit und Zuwendung war bei mir vorher komplett in Vergessenheit geraten. Sicherlich würde die Tsahìk (Schamanin)
auch jeden anderen jungen Na’vi in die Höhle bringen, wenn jener sich nicht
mehr richtig auf den Beinen halten kann. Es war aber, so unglaublich es auch
klingen mag, doch etwas völlig neues für mich.
Die
restliche Nacht war weniger nennenswert. Da ich wie ein Stein schlief.
Mich
an meine Aufgabe erinnernd weckte mich Kxìrya sehr früher und zeigte
dabei mit ihrer Art, wie ernst sie doch ihre Rolle als spirituelle Führerin des
Clans wahrnimmt. Unvoreingenommen ist jeder für sie auf demselben Ast und wird
von ihr auch nicht benachteiligt oder gesondert behandelt. Dies erklärte
sie mir, da einfach jedes Mitglied des Clans seinen Beitrag an der Gemeinschaft
hat. Wenn also ein Einzelner ein Problem hat betrifft es auch den restlichen
Clan.
Im
ersten Augenblick fand ich dies äußerst Monoton, beinah gleichstellend mit
der Wachablösung bei den Sawtute (Himmelsmenschen).
Der kleine aber feine Unterschied dazu ist aber der Umgang mit den
Geschwistern, selbst wenn vieles als selbstverständlich angesehen wird. Dahingehend lernte ich schnell, dass ein einfaches „Irayo“ (Danke) im
Clanleben kaum Verwendung findet. Viel mehr sind es die kleinen, manchmal kaum
bemerkbaren Gesten und Ausdrücke welche von Dank zeugten.
Für
mich verstand es sich von selbst, dass ich meiner Aufgabe doch sehr pflichtbewusst nachging. Mal dahingestellt, dass es mich nur einen Bruchteil des
Tages beschäftigte, verstand ich dennoch den Sinn dahinter. Außerdem gab man
mir damit die Möglichkeit jene Dinge nachholend zu lernen, welche für das Volk
doch grundsätzlich sind. Da über den Tag hinweg aber die meisten Mitglieder
entweder auf der Jagd waren, das Lager bewachten oder die Himmelsmenschen
ausspähten, blieben mir oft nur eine Hand voll welche mich unterstützen
konnten.
Nicht
gerade verwunderlich war es daher, dass ich mich schnell wieder bei Kxìrya
einfand. Sie war nicht nur immer im Lager anzutreffen, sondern verstand zum
Teil auch mein gebrochenes Na’vi-/Deutsch am besten. Die Tage vergingen
dementsprechend sehr unspektakulär, doch lernte ich von ihr mehr, als wenn ich ‘nur‘
Holz heranschaffte. Die Sprache des Volkes und dessen Regeln verstand ich zwar
recht zügig, doch machte mir die Aussprache mehr zu schaffen. Oft fiel es mir schwer, mir die vielen neuen Worte und Bedeutungen einzuprägen. Kxìrya hingegen verstand es umso
besser mir jene Begriffe darzulegen und machte es für mich in manch witzigen
Vergleichen deutlich.
Mit
der Zeit kam natürlich eine Verbindung zwischen mir und Kxìrya zustande, was
schon bei der morgendlichen Begrüßung begann oder sich in ihrem neckischen Nachhaken
bestimmter Wörter äußerte. Auch wenn sie
mich dennoch hart mit der Sprache ran nahm, so respektierte ich ihre Mühen dafür
und auch wenn sie es damals nie offen Aussprach war sie stolz auf meine voranschreitenden
Leistungen.
Eines
Tages spürte ich selbst schon, das Kxìrya mir kaum noch etwas Neues zur Sprache
beibringen konnte. Sie gingen daher öfter mit mir in den Wald, um mir dort noch Dinge
zeigen zu können, damit ich deren Bedeutung besser verstand. Aber selbst damit
verbrachten sie und ich nur noch wenig Zeit und philosophierten lieber über das
Leben und den Wald. In einer doch längeren Gesprächspause nahm ich meinen Mut
zusammen und sprach meinen Wunsch offen an Kxìrya aus: „ oel new futa sa’nok oeyä
slayu nga.“ (Ich möchte, dass du meine Mutter wirst.)
Irgendwo
konnte Kxìrya sich diese Frage von mir schon im Vorfeld erahnen. Doch nun
wirklich in diese Situation zu kommen verunsicherte sie dennoch. Eine direkte
Antwort von ihr blieb im ersten Moment aus, doch wusste sie und sah es mir
gut an, welchen Mut ich aufbringen musste, um jenen kurzen Satz
über meine Lippen zu bringen. Als ich von der Anspannung immer unruhiger wurde,
meine Hände schweißnass waren und meine Finger leicht zu zittern begannen, umarmte mich Kxìrya sanft und schlang vorsichtig ihren langen Schweif um meine
Hüften. Sie erklärte mir darauf, dass sie einverstanden war, aber vorher
noch mit Sey’syu darüber reden mochte. Danach kam dann von Kxìrya die Frage,
ob ich damit einverstanden sei, dass ich somit dann 2 Mütter hätte. Wortlos beantwortete ich ihre Frage mit einem sehr wohlwollenden Nicken.
Im
Laufe des Tages kam dann auch Sey’syu aus den Wald zurück und wir sprachen zu dritt über meinen Wunsch. Sey’syu war diesbezüglich weniger überrascht und gab
auf ihre typische Art und Weise das Tam („Ok“). Am
Abend, als alle Mitglieder des Clans beisammen saßen, teilten Sey’syu Kxìrya und
ich eines der Yerikfelle miteinander. Einige konnten wohl schon den Braten förmlich
riechen, aber erst als Kxìrya am Clanfeuer vor allen aufstand und die Neuigkeit
an die anderen Geschwister verkündete stand es fest. Auch wenn Sey, der Olo’Eyktan(Stammesführer)
an vielen Dingen ein übergeordnetes Mitspracherecht besitzt, blieb er sitzen und
stand erst auf, als er uns Dreien seinen Segen für unsere Übereinkunft gab.
Seit diesem Tage her, war
ich unter den Rey’engya als Neyri te Rey’engya Kxìrya ‘ite ( Neyri, vom Rey’engya-Clan,
Tochter von Kxìrya) bekannt. Ein Tag den ich nie vergessen werde.
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