Sonntag, 7. April 2019

Fya'o Na'viyä (hapxì amuve) - Der Weg des Volkes (2. Teil)


Nachdem Kxìrya mich vom See zurück ins Lager der Rey’engya gebracht hatte, verstand ich erst langsam wie sinnlos meine Aktion war. Was half es mir ‘wegzurennen‘? Genau... nichts.
Trotz dieser ersten Einsicht viel es mir dennoch nicht einfacher.


Kxìrya führte mich zurück zur Feuerstelle, wo schon Sey mit den anderen sich weiter beriet, an welchen Stellen im Wald nach mir gesucht werden sollte. Umso erstaunter waren die Gesichter der Smuktu (Geschwister), als sie mich mit Kxìrya zurückkommen sahen. Der Olo’Eyktan(Stammesführer), Sey, wandt sich ebenfalls zu uns um und sah dabei nicht wirklich mit erleichterndem Blick mich an. “Ngal pesengit tolok (Wo warst du?)“, sprach er mit einen raunendem Unterton in seiner Stimme.
Erst als ich Sey respektvoll das Zeichen des Sehens zu meiner Stirn vollführte, antwortete ich: “Oel ro ‘orati tolok (Ich war beim See.)“

Anschließend erläuterte ich Sey, was der Grund für meine Flucht aus dem Lager war. Zurückblickend auf meine Vorgeschichte konnte er es irgendwo verstehen, dennoch sah er meine Aktion kritisch. Er erklärte mir daraufhin welche Risiken entstehen, wenn junge, unerfahrene Na’vi alleine im Wald umherstreifen. Mit einem betrübten Blick schnitt Sey kurz die Ereignisse von Ari’lana an, welche ebenfalls davon lief, aber nicht mehr lebend zurückkehrte. Ebenso die Möglichkeit, dass man ein Rudel Aynantang (Viperwölfe) ungewollt mit ins Lager zieht und somit jeden in Gefahr bringt. Mit diesem neuen Wissen verstand ich viel besser den Anlass, wieso man mir untersagte das Lager alleine zu verlassen ohne vorher Bescheid zu geben. Kxìrya wie auch Sey bemerkten an meiner Körperhaltung die Reue, die ich für meine Tat empfand und sie verziehen mir. Dennoch gab der Eyktan (Anführer) mir eine kleine Bestrafung.

“Ngal ylltxepit vivewng (Du wirst dich um die Feuerstelle kümmern.)“, sprach Sey mit ernster Stimme und setzte sich dann wieder zu den anderen. Für ihn stand dies nun fest, weshalb er auch keinerlei Bestätigung von mir einforderte. Anfänglich kam mir der Gedanke *Und dies ist nun meine Strafe? Das Feuer nicht verlöschen lassen?*, denn bei dieser doch simplen Aufgabe verbarg sich ein für mich im ersten Moment nicht erkennbarer Brauch.

Wieder war es Kxìrya, die Tsahìk (Schamanin), welche mein fast leeres Gefäß füllte, indem sie mich zu einem freien Fell brachte und mir die Bedeutung der Feuerstelle erklärte. Die hohen Flammen, das Licht und die Wärme des Feuers spiegeln die Harmonie des Clans wieder. Wenn das Clanfeuer verlöscht, so Kxìrya, stirbt der Clan. Man vergab mir die Aufgabe, die Flammen zu nähren nicht ausschließlich als Strafe, sondern in erster Linie als erster Beitrag an der Gemeinschaft. 

Es war für mich der erste Schritt ins Clanleben, der Anfang einer langen Reise.

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