Freitag, 7. April 2023

Por fko syaw Rimako | Man nennt ihn Rimako

Die letzten Tage sind in meinem Bewusstsein präsent, wie kaum etwas anderes zuvor. Immer wenn ich mich um Firaya kümmere, sehe ich das Gesicht ihrer Mutter vor mir, wie sie da vor mir liegt, spüre, wie der letzte Atemzug aus ihrer Lunge mein Gesicht streift und dann der letzte Funke Hoffnung in mir erlischt, wie ein Funke des Clanfeuers. Immer noch höre ich ihre letzten Worte: "'everì ahì'i oeyä ätxäle si ohe uturur." ("Ich erbitte Zuflucht für mein kleines Mädchen."). Dann weicht auch die letzte Spannung aus ihrem Körper und sie liegt da, die tote Hülle Firayas Mutter. Ich habe Korlan davon erzählt, Sey und vor allem Neyri, wieder und wieder. Sicher falle ich ihnen damit inzwischen zur Last, aber was soll ich machen? Ich habe ein Versprechen abgegeben, also werde ich das Mädchen beschützen, sie in Neyris und meine Familie aufnehmen und sie beschützen.

Als ich mich heute zu ihr lege weiß ich noch nicht, dass ich keinen Schlaf. "Ma Firaya, was träumst Du gerade?" frage ich mich immer wieder. Sie scheint zu lächeln, ein wenig vielleicht. Fühlt sie sich hier wohl? Wird sie ihr neues Zuhause akzeptieren? Was, wenn sie es ablehnt?  So schleiche ich mich zum Clanfeuer davon, um mich mit etwas abzulenken. Aus Reisig, Zweigen, Stroh und dünnen Riemen baue ich ein Spielzeugyerik für Firaya. Sie soll spüren, dass wir sie mögen, dass wir für sie da sind. Ich erkenne mehr und mehr, dass ich sie mag. Heute aber ist es mehr. Es fühlt sich an, als wäre sie wie mein eigenes Kind, ein Teil von mir. Ich lege das Spielzeug sanft in ihre Arme, während sie tief schläft und hoffe, dass sie sich darüber freuen wird, wenn sie am Morgen erwacht.

Von unten höre ich Stimmen, es scheint etwas vorzugehen am Feuer vor dem Kelutral (Heimatbaum). So folge ich den Stimmen und erschrecke, als ich hinaus sehen kann. Sey, Korlan, Sey'syu und Ne'wey stehen um eine fremde Person herum. Vorsichtig schleich ich mich bis zum Ausgang des Kelutral (Heimatbaum), greife mir vorher noch meinen Bogen und zwei Pfeile und beobachte die Gruppe zunächst. Ein Schreck durchzuckt meinen Körper und ich halte mich im Verborgenen, als ich den Fremden halbwegs zu erkennen glaube. Es ist ein Na'vi mit fünf Fingern und sicher wird er auch ebensoviele Zehen haben. Sein Haar sieht merkwürdig aus und ich höre, dass er wohl nicht sehr willkommen ist, denn Sey'syu ist offenbar in Kampfstimmung. Meine Gedanken rasen. Schicken die sawtute (Himmelsmenschen) wieder mal einen ihrer Krieger zu uns, um uns auszukundschaften? Schicken sie ihn um zu prüfen, ob sie Firayas Familie und sie selbst erfolgreich getötet haben? Warum kommt der Fremde ausgerechnet kurz, nachdem wir Firayas Muter begraben haben, zu uns? Was will er?

Meine dunkle Haut bietet mir hier ausgezeichneten Schutz in der Dunkelheit. Ohne zu zögern trete ich aus dem Baum hinaus, sodass ich freie Schussbahn habe und mein Pfeil zischt durch die Nacht, knapp zwischen dem Fremden und Sey'syu vorbei und bleibt etwas weiter hinten in einem Baum stecken. Ohne ein Wort zu sagen, nähere ich mich der Gruppe. und was ich dann sehe, oder besser höre, lässt mich wieder erschrecken. Der Fremde soll Txälläns Sohn sein, sagt er. Txällän ist vor langer Zeit von einer Erkundung nicht zurückgekehrt und nun steht dieser Fremde vor uns und behauptet, der Sohn von jenem Menschen zu sein, der einst wie ein Sohn für mich war, der ein guter Freund des Clans war und der von Sey sehr gemocht wurde. Ich kann es nicht glauben, das kann einfach nicht sein.

Vorsichtig gehe ich auf die Feuerstelle zu. Der Fremde beschwert sich und fragt, weshalb ich auf ihn schieße? Er soll gleich wissen, dass sawtute (Himmelsmenschen) und ayuniltìrantokx (Avatare) hier unerwünscht sind. Alles in mir sträubt sich gegen ihn, aber ich bin Tsahìk und werde nicht drumherum kommen, mich mit ihm zu unterhalten. Im Vorübergehen nehme ich jemandem das Messer weg, sodass ich zwei Messer habe. Erst später erkenne ich, dass es Neyris Messer war. Sie ist mir in der Gruppe gar nicht aufgefallen, da ich auf den Fremden fixiert bin. Um dem Fremden zu zeigen, in welcher Lage er sich befindet, ramme ich beide Klingen vor ihm in den Boden und frage ihn nach seinem Namen, woher er kommt, wer ihn hergeschickt hat und was er von uns will.

Ich bin froh, dass Firaya schläft und dort oben im Baum sicher ist, denn ich will nicht, dass sie solch einen Dämon sieht, wie die Dämonen, die ihre Familie getötet haben. Es ist ein langes Gespräch mit Rimako Genesis, wie er sich nennt, und am Ende bin ich sicher, dass er nicht die Wahrheit sagt. Er versucht mir mit Beispielen und Erzählungen seines Vaters zu beweisen, dass er Txälläns Sohn ist, aber was er sagt, kann er von anderen oder aus ihren ayeltu lefngap (Computern) erfahren haben. Er bringt nicht einen einzigen wirklichen Beweis, der seine Behauptungen bestätigt. Er sagt, er komme aus dem Clan eines Riffvolkes. Aber diese Völker sind zu weit entfernt, als dass er den weiten Weg mit seinem Ikran zurückgelegt haben kann.

Ich spüre die Anspannung der anderen und das ist für mich das Zeichen, ihm nicht zu vertrauen. Als ich ihn mit meinen Messer leicht verletzte, um sein Blut zu prüfen spüre ich gleich, dass er anders ist, als die ayuniltìrantokx (Avatare), die bislang zu uns kamen. Er wurde von einer unserer Frauen geboren. Sollte es also doch stimmen, dass Txälläns blauer Körper und eine von uns ein Kind bekommen haben?  Ich glaube es nicht und was er sagt und vor allem die Art, in der er mit uns spricht. Nein, das ist nicht Txälläns Sohn, niemals. Er weist jedoch eine gewisse Ähnlichkeit zu Txällän auf, dagegen kann selbst sich mich nicht verschießen...

Schließlich habe ich keine Lust mehr, meine Zeit mit Rimako zu vergeuden und erlaube ihm die Nacht in einer unserer Hütten zu verbringen. Ich will nicht verantwortlich für seinen Tod sein, denn da draußen im Wald, würde er keine acht Atemzüge lang überleben, da bin ich sicher. Ich weise Korlan und Sey'syu an, ihn zu bewachen und vorsichtshalber zu fesseln, denn ich kenne nur zu gut die Hinterlist der sawtute (Himmelsmenschen). Aber er soll eine Chance bekommen zu beweisen, was er behauptet. Töten können wir ihn danach immer noch.

Ich gehe zurück in den Kelutral (Heimatbaum), um mich wieder zu Firaya zu legen und zu schlafen, doch an Schlaf kann ich nun noch weniger denken. Es tut weh, dass Rimako sagt, er sei Txälläns Sohn, war Txällän doch fast wie ein Sohn für mich damals. Sollte sich herausstellen, dass dies nicht die Wahrheit ist, werde ich ihn alleine dafür persönlich töten.

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