Donnerstag, 21. November 2013

'efu oe kewong / Ich fühle mich fremd

Dallan layängatem. Ke tsun tslivam tsat nìngay.
(Dallan hat sich leider verändert. Ich kann das wirklich nicht verstehen.)

Ja, ich vermisse meinen muntxatan (Ehemann) immer noch und es gibt Augenblicke, da wünsche ich mir, dass er von irgendwoher einfach zurück zu uns kommt. Ich vermisse seine liebevollen und zärtlichen Berührungen, seine Wärme und Zuneigung und ich vermisse es, ihm dies auch alles zurückgeben zu können. Doch in solchen Momenten spüre ich immer wieder, wieviel Halt mir Maytame und auch alle anderen des Clans geben. Allen voran natürlich Ne'wey und auch Sey der, wie ich glaube, über seinen Verlust etwas besser hinweg gekommen zu sein scheint, als ich. Der letzte Besuch bei unerer großen Mutter hat mir wieder Kraft und Zuversicht gegeben. Ich weiß, ich werde sie am Ende meines Weges alle wieder sehen und wir werden dann für immer in ihr vereint sein. Der ewige Kreislauf des Lebens wird uns wieder zusammen führen...

Da Maytame sich wohl durch einen falschen Pilz ein wenig den Magen verdorben hatte, reite ich heute schon sehr früh los, um ein Kraut zu besorgen, dass gegen solche Beschwerden hilft. Auch wenn es ihr bereits wieder recht gut geht, schaden kann und wird es nicht. Nachdem ich ein Stück weit geritten bin, finde ich das Heilkraut am Ufer des Flusses und nehme einen kleinen Büschel davon mit, den ich in meinem Kräutersäckchen verstaue. Da ich nicht weit vom vitra utral (Baum der Seelen) entfernt bin, beschließe ich, Eywa einen kurzen Besuch abzustatten. Vielleicht höre ich ja für einige Momente seine tiefe Stimme, sein brummiges Lachen oder spüre etwas anderes?  Doch heute scheint nicht der richtige Zeitpunkt zu sein, denn die wenigen und leisen Geräusche und Stimmen verstummen bereits nach kurzer Zeit und so mache ich mich auf den Heimweg, um nach meiner Tochter zu schauen, die vorhin noch fest schlief. 

An dem Ort, an dem ich eben das pa'li (Schreckenspferdzurück ließ, treffe ich auf Ne'wey. Unsere Begrüßung ist herzlich, wie eigentlich immer. Gemeinsam machen wir uns auf den Heimweg, kommen aber nicht sehr weit, denn wir begegnen Tsaro, der offenbar von einem Erkundungsgang ebenfalls auf dem Rückweg zur Höhle ist. Während wir uns begrüßen, unterbricht ein lautes, fremdartiges Geräusch die gewohnten Stimmen des Waldes und ebenso unsere Begrüßung. Einige Tiere laufen oder fliegen aufgebracht davon.

Begleitet von einem lauten Brummen und sehr viel in der Gegend umher spritzendem Matsch, der vom Flussufer stammt, kommt Dallan mit einem seiner pa'li lefngap (Metallpferde) an gebraust. Ne'wey, die ohnehin bezüglich seiner Ausbildung mit ihm reden wollte, ist wohl eher schockiert über diesen Anblick. Auch ich frage mich nach dem Grund seines doch recht respektlosen Erscheinens. Sey, der gerade mit seinem Ikran (Banshee) gelandet ist, sieht man sofort an, dass er alles andere als gut gestimmt darüber ist.

Zuerst begrüßen wir uns gegenseitig, doch Freude empfinde ich nicht, daher begrüße ich Dallan heute zum ersten mal nur mit einem Kopfnicken und einem sehr kalten und knappen: "Kaltxì." ("Hallo.")  Ne'wey, und ich kann sie nur zu gut verstehen, spricht sowohl Dallan, als auch dann Sey direkt an. Sie fordert, dass Sey sie nicht länger als karyu (Lehrerin) einsetzen möge. So entsteht dann eine nicht gewollte und auch sehr angespannte Diskussion, an deren Ende ich abseits von allen sitze, Sey sichtlich etwas überfordert und auch sauer ist und sowohl Tsaro, als auch Ne'wey offenbar ein wenig ratlos zu sein scheinen, wie es denn nun weiter gehen soll mit dem tawtuteyä tsmukan (Menschenbruder).

Dallan selber scheint sich gar nicht darüber bewusst zu sein, was er mit seiner Art, so bei uns aufgetaucht zu sein, ausgelöst hat. Ich fühle mich einfach nur wie eine Fremde, die die anderen, wenn auch ohne direkte Schuld, in gewisser Weise überlistet hat. Erst wenige Tage zuvor hatte ich noch sehr positiv darüber davon berichtet, als Dallan und ich uns einst kennen lernten. Ich hatte Sey und Ne'wey erzählt, wie interessiert er an vielen Dingen war und wie er sich im Laufe der Zeit, nicht nur mir gegenüber, immer respektvoller verhalten hat. Was werden sie nun von mir denken?  Sie müssen mich gewissermaßen für etwas wie eine Verräterin halten. Eine, die den Clan getäuscht hat, um einem tawtute (Himmelsmenschen) den Zugang zu unserem Clan zu erleichtern oder zu ermöglichen.

So beschließe ich, nach meiner Tochter zu sehen, entferne mich von den anderen und gehe zu unserer Höhle. Doch Maytame schläft. Es wird ihr gut tun. Eine kurze Zeit verweile ich an unserem Feuer, gehe dann aber doch noch einmal zurück zu Tsaro, Ne'wey, Sey und Dallan, die aber wohl inzwischen ihre Unterhaltung beendet haben, denn sie kommen mir auf halbem Wege entgegen. Tsaro begleitet uns jedoch nicht ins Lager, sondern er verabschiedet sich, um die Umgebung zu erkunden. Dallan bringt sein pa'li lefngap (Metallpferd) in die Menschensiedlung, nachdem er Ne'wey um deren Erlaubnis gebeten hatte und diese schließlich auch bekam. Was sollte er auch sonst machen?  Er kann dieses Ding ja nicht mitten im Wald stehen lassen.

So sitzen letztlich nur noch Ne'wey, ich und unser Olo'eyktan (Clanführer) beisammen am Feuer, doch unser Gesprächthema bleibt bei Dallan und seinem Verhalten am heutigen Tag. Mehr und mehr vertiefen sich Sey und Ne'wey in dieses Gespräch, wobei ich merke, dass meine Bemerkungen, Kommentare und Vorschläge immer mehr ignoriert werden und ich mehr und mehr ins Abseits gerate. Allenfalls werden mir kurze Blicke oder wenig aussagende Antworten entgegen gebracht. Allerdings muss ich einsehen, dass ich diesem Gespräch auch nicht wirklich viel sinnvolles beisteuern kann. Ich mache mir immer wieder Vorwürfe, weil ich nur gutes über Dallan berichtet habe, er dies aber nun irgendwie in Frage stellt.

Ich glaube, Sey hat Recht mit seiner Frage. Er sorgt sich sehr darum, ob und in welchem Umfang uns die sawtute (Himmelsmenschen) verändert haben und uns immer noch verändern?  Meine kleine Jägerin zum Beispiel hat es ja von Geburt an nicht anders kennen gelernt, als einen von ihnen um sich herun zu haben. Wird es Einfluss auf ihr Leben, ihren Weg haben?

Als ich mich von den beiden dann verabschiedet habe, lege ich mich zu meiner Tochter. Sie wird kurz wach, lächelt mich an und ich schaue einen Moment ins seine Augen. Ich muss lächeln, da sich nun der Kreislauf eines Tages für mich schließt. Leise summe ich ihr ein Kinderlied ins Ohr und schon bald darauf schlafen wir, eng aneinander gekuschelt, ein...

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