Donnerstag, 2. April 2020

Neyri mi lu karyu oeyä | Neyri bleibt meine Lehrerin

Manchmal ist es nicht leicht eine Numeyu (Schülerin) zu sein.
Seit dem der Krieg mit den Menschen begonnen hat, gibt es immer wieder verletzte. Und seit Sa'nu  (Mami) von einem Sawtute (Himmelsmenschen) schwer verletzt wurde, muss Neyri sich um vieles kümmern.
Darum hat sie oft so viel zu tun, dass sie dabei vergisst, dass sie eine Schülerin hat, die etwas lernen möchte.


Ich habe mir lange Gedanken gemacht, ehe ich meine Sa'nok (Mutter) und Sey, unseren Olo'eyktan (Clanführer) ansprach und ihnen erzählte, dass ich das Gefühl habe, dass Neyri mich nichts mehr lehren möchte, da ich mehr von meiner Mutter, als von ihr gelernt habe. 
Sa'nu (Mami) nahm meine Hand und erklärte mir: "Neyri und du müsst miteinander und voneinander lernen. So, wie du noch nie eine Schülerin warst, so war Neyri noch nie eine Lehrerin." 

Ich dachte einige Momente über Sa'nus (Mamis) Worte nach. "Der Clan kann immer von- und miteinander lernen.", bestätigte auch Sey ihre Worte und ich begann diese zu verstehen.
"Heißt das, dass ich Neyri beibringen kann eine Lehrerin zu sein? Und sie bringt mir bei eine Numeyu (Schülerin) zu sein?", fragte ich die beiden. 
Meine Mutter und Sey stimmten zu. "Genau. Neyri lernt von dir eine Lehrerin zu sein. Und gleichzeitig zeigt sie dir wie es ist, eine Schülerin zu sein. Sprich einfach mit ihr, dann sehen wir weiter."

Bei der nächsten Gelegenheit sprach ich Neyri an. Ich versuchte ihr, meine Gedanken zu erklären, doch das Gespräch lief anders, als ich es wollte. Auch Sa'nok (Mutter) und Sey mischten sich in das Gespräch ein und ich stand daneben und wusste nicht, was ich tun sollte um Neyri klar zu machen, dass ich wollte, dass sie meine Lehrerin blieb. So lief das Gespräch in eine falsche Richtung.
Neyri schien enttäuscht und wütend zu sein. Mit Tsetu verließ sie das Lager und keiner wusste, wann sie zurückkehren würde.
Dies verunsicherte mich sehr und ich suchte Halt bei meiner Sa'nu (Mami). Sie schlug vor etwas mit mir zu spielen, aber ich wollte nicht.
Ein kleiner Käfer krabbelte über die Trage, auf der meine Mutter lag. Ich nahm ihn auch meinen Finger. "Fällt dir an dem Käfer etwas auf?", fragte Mutter mich und ich schüttelte den Kopf, nachdem ich den Käfer betrachtet hatte. "Er hat keine Augen. Aber dennoch bewegt er sich vorwärts. Er nimmt seine Umgebung anders wahr als wir.", erklärte sie mir und ich sah mir den Käfer nochmal an. Jetzt fiel mir auf, dass er wirklich keine Augen hatte.
"Aber wie kann er denn dann sehen?", fragte ich meine Sa'nu (Mami) und schaute sie erstaunt an.
"Diese Käfer ertasten ihre Umgebung mit ihren Beinen", erklärte sie mir. "Setz ihn mal nahe des Feuers ab. Du wirst sehen, dass er die Wärme spürt und sich vom Feuer entfernt.
Also stand ich auf und setzte den kleinen Käfer auf einem Holzscheit ab, der in der Nähe des Feuers lag. Schon wenig später war er wieder bei uns. Ich grinste und setzte ihn dann in den Büschen ab, wo er wieder zu seiner Familie zurückkehren konnte. Dann kuschelte ich mich an meine Mutter.

Als Neyri dann ins Lager zurückkehrte sprach ich sie bei der nächsten Gelegenheit an. Sie stimmte meinem Gespräch zu und wir suchten uns einen ruhigen Ort im Lager, wo wir alleine reden konnten. 
Dort angekommen versuchte ich ihr meine Gedanken noch einmal in Ruhe zu offenbaren.
"Ma Karyu (Lehrerin), ich möchte, dass du mich weiterhin ausbildest. Aber manchmal hast du so wenig Zeit für mich und da kommt mir immer der Gedanke, dass du mich gar nichts lehren möchtest."



Neyri sah mich ein wenig bedrückt an. "Es ist nicht einfach, so viele Aufgaben auf einmal zu erledigen. Wenn zu viele verletzt sind, bleiben viele Aufgaben an mir hängen. Und da fällt es mir schwer, mich in meine Rolle hineinzufinden. Ich muss mich auch erst daran gewöhnen", erklärte sie mir und ich versuchte ihre Seite zu verstehen.
"Aber, ich kann dir doch bei den Aufgaben helfen", schlug ich ihr vor.
Neyri lächelte. "Du kannst mich dann aber auch gerne ansprechen. Oft denke ich nicht daran."
Ich bejahte dies. "Srane (Ja), das werde ich machen. Sa'nu (Mami) und Sey haben gesagt, dass wir beide voneinander und miteinander lernen können. Du zeigst mir, wie es ist eine Schülerin zu sein und ich helfe dir, eine Lehrerin zu sein." 
Neyri nahm meine Hand, die ich ihr entgegenstreckte. "Das stimmt. Und eines Tages wirst du eine große Heilerin sein", sagte sie und drückte meine Hand sanft.
"Mit deiner Hilfe werde ich das bestimmt", erwiderte ich und schloss meine Karyu (Lehrerin) in die Arme.

Dann kehrten wir wieder zu den anderen zurück und ich versorgte mit Neyris Hilfe die Wunde meiner Mutter, wobei sie mich aber schon vieles alleine machen ließ. 

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