Montag, 19. August 2013

Eywa rutxe srung sivi moer / Eywa, bitte hilf uns beiden

'eviru oeyä lu säspxin astxong. Tsun oe kempe sivi nì'aw?
(Mein Kind hat eine unbekannte Krankheit. Was kann ich nur tun?)



Wieder einmal scheint mich Eywa vor eine mir im Moment noch unlösbar erscheinende Aufgabe zu stellen und ich frage mich wieder einmal weshalb?  Als ich meine Augen eben aufschlage, erstarre ich fast vor Schreck. Mein kleines Mädchen liegt neben mir, aber sie sieht plötzlich anders aus, als gestern Abend noch. Ihre Arme und Beine sind von weißen Flecken übersät und statt ihres munteren Quiekens und Brabbelns röchelt sie nur leise.

Auch trinken mag sie nicht und dreht ihren Kopf stur von mir weg, als ich sie stillen will. Ich schaue mir ihre Flecken genauer an, doch bislang habe ich noch niemals etwas vergleichbares gesehen. Es sieht beinahe aus, als würde ihre Haut an den weißen Stellen sterben. "Ma Eywa, das darf nicht sein!" denke ich. Ich lege sie in ihren Korb, den ich mir dann umhänge und mache mich auf den Weg, um nach allen möglichen Heilpflanzen zu suchen, mit denen ich ihr vielleicht helfen kann. Helfen? Aber wie? Weiß ich doch nicht einmal genau, was sie eigentlich hat. Doch ich weiß, dass ich am Wasserfall einige Pflanzen gesehen hatte, mit denen ich zumindest versuchen kann, ihr zu helfen. Also sammle ich einige Blütenblätter und mache mich dann rasch wieder auf den Weg in unser Lager, um es zu versuchen. Möge Eywa mir dabei helfen...

Als ich den Fluss überquere, bemerke ich zunächst nicht, dass ich beinahe Ne'wey, der neuen tsmuke (Schwester) fast in die Arme laufe. Zu beschäftigt und in Gedanken bin ich.  Als ich sie dann schließlich bemerke, bitte ich sie einfach nur, dass sie mir in unser Lager folgen möge. Sehr entgegenkommend hilft sie mir, Maytame in ihrem Korb an einem Seil nach oben auf den Baum zu ziehen. Auch sie ist rat- und hilflos und weiß nicht, was und wie sie mir helfen könnte. Doch wie sollte sie auch? Sie ist Jägerin und hat kaum Erfahrung, was Pflanzen angeht. Doch sie hilft mir, Maytame etwas von dem Pflanzenbrei zu geben, der zwar alles andere als gut schmeckt, aber dafür sehr rasch hilft. So hoffe ich es zumindest, denn alles, was ich gelernt habe und tue, ist nur ein hilfloser Versuch, meinem Kind irgendwie zu helfen.

Während ich die Kleine so gut es geht mit dem Brei füttere, unterhalten Ne'wey und ich uns nur wenig. Zu sehr bin ich mit mir und meinem Kind beschäftigt. Doch Ne'wey nimmt es mir nicht böse. Liebend gerne würde ich mich mit ihr über andere Dinge unterhalten, aber das werden wir ganz bestimmt nachholen. Schließlich, als Maytame wenigstens ein klein wenig des Pflanzengebräus zu sich genommen hat und einschläft, frage ich Ne'wey, ob sie mich begleiten will. Ich werde einen Stimmenbaum suchen, um zu Eywa zu beten und sie vielleicht um Rat zu fragen. Ne'wey stimmt zu und wir machen uns auf den Weg.

Als wir eben aus dem Wald heraus kommen, bemerke ich hinter einem großen Hügel etwas, dass wie ein riesiger Stimmenbaum auszusehen scheint und im selben Moment wird mir klar, dass es sich um einen vitra utral (Baum der Seelen) handeln muss. Ne'wey ist ebenso überrascht wie ich, als ich sie darauf aufmerksam mache und wir beschließen, dorthin zu gehen.

Und richtig. Inmitten eines großen Hügels steht ein riesiger Baum, von dessen Ästen unzählige Tentakeln herab hängen. Leicht schwingen sie hin und her und ich erkenne eine große Zahl Atokirina' (Saat des heiligen Baumes), die zwischen den Tentakeln umherschweben. Ein Gefühl von Ehrfurcht ergreift mich und ich verbeuge mich vor dem uralten Baum und mache die Begrüßungsgeste von der Stirn herab zu dem Baum: "Ma nawma sa'nok, oel ngati kameie." ("Große Mutter, ich sehe Dich.") spreche ich leise. Na'wey scheint ebenso überwältigt zu sein von der Größe und Schönheit dieses Baumes. Wir hocken uns langsam auf den Boden. Ne'wey verbindet sich nur Momente nach mir mit dem Baum und dann lauschen wir gemeinsam in ihn hinein.

Doch was wir sehen und erleben, ist alles andere als erfreulich. Zwar sehen wir zunächst nur Farbenspiele und hören undefinierbare Stimmen und Geräusche, aber das soll sich schon sehr bald ändern. Ich bitte Eywa zunächst darum, unseren Clan zu beschützen und ihn wieder zusammen zu führen, doch als ich sie dann um Hilfe für Maytame bitte, sehen wir eindeutig etwas, vor dem ich mich fürchte.

Sie zeigt uns eine riesige, tief rote Blume, die ich bislang nur ein einziges Mal in meinem Leben gesehen habe und sie zeigt uns auch den Ort, an dem wir sie finden können. Ein eiskalter Schauer rinnt mir den Rücken hinab, als mir bewusst wird, dass sie die Feuerblume meint und dass wir diese weit oben in den Iknmayabergen (schwebende Felsen) finden werden.

Doch es ist nicht der Ort, der mich erschaudern lässt, sondern das Wissen, dass diese Pflanze nur dann zur Heilung von Krankheiten verwendet wird, wenn es kein anderes Heilmittel mehr gibt. Zudem ist die Anwendung extrem gefährlich und, soweit mir in der Vergangenheit berichtet wurde, sind schon einige Na'vi dabei zu Eywa gegangen. Wieder einmal stehe ich vor einer so schwierigen und scheinbar unlösbaren Aufgabe und ich frage mich, warum Eywa mir diese Prüfungen auferlegt? Wieviel Leid muss ich noch ertragen?  Wieviele Prüfungen wird sie mir noch stellen?  In meiner Hilflosigkeit bitte ich die große Mutter: "Ma Eywa, wenn Du jemanden in Dich aufnehmen willst, dann nimm mich. Aber lass mein kleines Mädchen bitte am Leben, denn sie hat noch ein ganzes Leben vor sich. Sie kann noch viel von Dir lernen. Also nimm mich, wenn es unbedingt sein muss."

Natürlich erhalte ich keine Antwort von ihr, aber sie muss auch nicht antworten. Die große Mutter weiß, dass ich es ernst gemeint habe und sie wird entscheiden und dementsprechend handeln. So machen wir uns auf den Weg zurück in unser Lager. Dort angekommen, erkläre ich Ne'wey, dass ich morgen in aller Frühe aufbrechen werde, um in den Bergen nach der Feuerblume zu suchen. Ne'wey willigt ein und bietet mir an, auf Maytame aufzupassen. Sie ahnt nicht, wie dankbar ich ihr für diese Hilfe bin. Überhaupt hat sie mir heute mit Kleinigkeiten sehr viel geholfen. So nehme ich mir, obwohl ich doch langsam etwas müde werde, die Zeit, mich noch ein wenig mir ihr zu unterhalten. Dabei berichtet sie mir von ihrem Clan und dass dieser offenbar zerschlagen ist. Die Gründe dafür weiß ich jedoch noch nicht. Aber ich bin sicher, sie wird es mir zu gegebener Zeit erklären. Sie berichtet mir nur so viel, dass einige Na'vi ihres Clans bereits nach einer neuen Heimat suchen und dass sie versuchen will, sie zu finden und hierher zu führen.

Nach einiger Zeit wird auch sie dann müde und so legen wir und schlafen. Zuerst schaue ich jedoch nach meinem Kind. Die Kleine schläft tief und fest und ich bin guter Hoffnung und voller Zuversicht, dass Eywa mir helfen wird, sie zu heilen. Nach einem kleinen Gebet an die große Mutter, das ich im Stillen in mich hinein bete, lege auch ich mich dann schlafen.

Ma nawma Eywa rutxe zong tireyti Mayttameyä... (Große Eywa, rette Maytames Leben...)


Keine Kommentare :