Donnerstag, 22. August 2013

Maytame rerey! / Maytame lebt!

Oe nìtxan irayo si nawma sa'nokur ayoeyä.
(.Ich danke unserer großen Mutter so sehr.)

Bereits kurz nachdem der neue Tag angebrochen ist, stehe ich auf und mache mich fertig, um meine Suche nach der txepewll (Feuerblume) anzutreten. Wie versprochen., ist Ne'wey auch schon auf den Beinen, um auf Maytame aufzupassen, die ich auf keinen Fall in ihrem Zustand mit hinauf zu den Iknimayabergen (schwebende Felsen) nehmen kann und will. Ich bedanke mich bei Ne'wey und küsse mein Töchterchen ein letztes Mal sanft auf ihre Stirn. Sie schläft noch immer. Als ich mein Kind dann aber zum ersten mal für längere Zeit verlassen muss, fühle ich mich wie jemand, der das Liebste, das er hat, einfach weg wirft. Doch es muss sein, wie soll ich sonst an die txepewll (Feuerblume) kommen? Wie soll ich sie sonst heilen?

Ya'rrì (Kxìryas Ikran) kommt mit lautem Gekrächze und heftigen Flügelschlägen angebraust. Wie gut, dass ich ein Stück von unserem Lager weg gegangen bin, sonst wären jetzt sicherlich alle aufgewacht. Ich fülle kurz am Fluss meinen Wassersack auf und verstaue ein paar Früchte auf meinem Ikran (Banshee), dann schwinge ich mich auf seinen Rückenn, verbinde mich mit ihm und wir fliegen steil der aufgehenden Sonne entgegen. Nur ein einziger Gedanke treibt mich dabei an: "Maytame muss leben!"

Eywa scheint mir jedoch wieder einmal eine schwierige Prüfung aufzuerlegen, denn es soll sehr lange dauern, bis ich endlich die ersehnte txepewll (Feuerblume) finde. So suche ich zunächst eine lange Zeit vergebens und fliege von einem schwebenden Felsen zum nächsten. Ich lasse keinen von ihnen aus bis auf die jenigen, die so klein sind, dass ich sowieso nicht auf ihnen landen kann. Die txepewll (Feuerblume) dort zu finden ist ohnehin mehr als fragwürdig, da sie meist an großen Bäumen wächst, über deren Stamm sie sich ernährt.

Von weitem sehe ich dann auf einem der Felsen einen verdorrten und offensichtlich sehr alten Baum. Ein Versuch ist es wert, sage ich mir und beschließe dort zu landen. Es ist ein recht großer und mit hohem Gras bewachsener Felsen. Bevor ich jedoch weiter suche, stärke ich mich ein wenig und lösche meinen Durst. Der Baum steht beinahe am Rand des Feslsens und ich wage einen Blick nach unten. Es ist sehr hoch und Einzelheiten unseres Landes sind bei weitem nicht mehr zu erkennen. Selbst der vitra utral (Baum der Seelen) ist nur ein kleiner, weißer Punkt, der sich kaum von den vielen anderen Dingen am Boden abhebt.

Ya'rrì (Kxìryas Ikran) ist etwas unruhig. Ich glaube, er würde gern ein paar Runden mit seinen Freunden drehen, die irgendwo hier ganz in der Nähe leben müssen. Ab und an sehe ich ein paar von ihnen, wie sie ihre Kreise am fast wolkenlosen Himmel ziehen. So verabschiede ich mich von ihm: "Nga new hivum oeti srak?" ("Willst Du mich verlassen?") frage ich ihn und füge hinzu: "Na dann flieg schon, ich rufe Dich, wenn es Zeit wird."  Ich schaue ihm nach, wie er den anderen Ikranen (Banshees) nachfliegt, dann suche ich weiter nach dem Heilmittel für mein kleines Mäfchen.

Ein Gefühl von Erleichterung lässt mich ahnen, dass Eywa wohl doch noch nicht beabsichtigt hat, Maytame zu sich zu holen, denn an dem verdorrten Baum entdecke ich schließlich eine txepewll (Feuerblume). Beinahe ehrfürchtig lasse ich mich auf die Knie sinken und danke der großen Mutter, dass sie mich hierher geführt hat. Sehr vorsichtig schneide ich nur wenige der wertvollen Blütenblätter ab, um die Pflanze nicht mehr zu verletzen, als es unbedingt notwendig ist. Noch einmal bedanke ich mich bei Eywa, bevor ich dann überglücklich und zugleich voller Hoffnung nach meinem Ikran (Banshee) rufe und dann eilig den Heimweg antrete.

Als ich dicht bei dem Wald lande, Ya'rrì sehr dankbar für seine Hilfe verabschiede und ihm noch einige Momente nachschaue, als er laut krächzend davon fliegt, treffe ich auf Seysyu, die tsmuke (Schwester), die erst gestern zu uns kam. Ich bitte sie, mich zu Ne'wey zu begleiten, damit ich Maytame so schnell wie möglich das Heilmittel zubereiten und es ihr geben kann. All meine Hoffnungen liegen in einigen wenigen Blütenblättern...

Ne'wey hat ihre Sache sehr gut gemacht. Maytame ist wach, als wir zu ihr kommen und schaut mich mit den großen, dunklen Augen ihres sempul (Vaters) an. So beeile ich mich, aus den Blütenblättern, etwas Wasser und einigen anderen Zutaten das Heilmittel für sie zu machen, doch ich habe keine Ahnung, wie stark ich es zubereiten muss, oder besser darf. Mache ich es zu stark, töte ich sie. Ist es hingegen zu schwach, weiß ich nicht, ob die Wirkung die ist, die ich beabsichtige. Wäre Kee'lanee jetzt hier, sie würde mir diese frage sicher beantworten können, doch so bin ich auf mich selbst gestellt und kann es nur versuchen.

Ich tauche einen Finger in den Becher und zögere, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich es tun soll. Ne'wey jedoch nickt mir aufmunternd zu: "Na?", fragt sie knapp, aber zuversichtlich lächelnd. Maytame leckt mir einige Tropfen von meinem Finger und dann warten wir einige Augenblicke, was und ob überhaupt irgendetwas geschehen wird. Doch äußerlich tut sich nichts. Ich atme auf, als ich bemerke, dass Maytames Zustand sich immerhin nicht verschlechtert. Dann gebe ich ihr noch etwas von meinem Gebräu.

Es vergeht eine sehr lange Zeit, doch irgendwann wird mein kleiner Liebling dann endlich etwas munterer. ihre Ohren bewegen sich, ihr Schweif zappelt etwas unruhig und sie schaut in der Gegend umher. Ein leises Quieken von ihr bringt uns dann die Gewissheit, dass mein Mittel wohl zumindest ein wenig Wirkung zeigt. Jetzt heißt es abwarten und hoffen und so kommen Ne'wey, Seysyu und ich in ein Gespräch. Es lenkt mich etwas ab, obgleich meine Gedanken wie von selber immer wieder zu meinem Kind gehen.

Als Maytame dann unruhig wird, vermute ich, dass sie Hunger hat und versuche, sie anzulegen. Und tatsächlich beginnt sie wieder zu trinken. Zunächst zwar zögerlich und sie trinkt natürlich auch nicht so viel wie bisher, doch ich finde, dass sie heute einen großen Schritt vorwärts gemacht hat. "Sraaaaane." ("Jaaaaa."), lobe ich sie. Als sie dann kurze Zeit später einschläft, lege ich sie in ihren Korb und wir gehen zu unserem Lager zurück.

Bevor wir jedoch schlafen gehen, kommt unser Gespräch noch auf einen Saft, den ich vor langer Zeit einmal gemacht habe und wir beschließen, sollte es Maytame morgen noch etwas besser gehen, die Früchte dafür zu sammeln.

Sie sanft ihn meine Armer schließend, lege ich mich auf meinen Schlafplatz und schaue mein Kind noch lange an. "Möge Dir die große Mutter viel Kraft geben...", spreche ich wieder einmal ein leises Gebet: "dies alles zu überstehen." Doch die Frage, ob mein muntxatan (Ehemann) sie gesund wiedersehen wird, bleibt im Moment noch ohne Antwort. Möge Eywa auch ihn beschützen...

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