Samstag, 31. August 2013

Ftxozä ahì'i / Ein kleines Fest

Seysyu sì oe pamtseo si auhu ayoeyä ulte lexti srew. 
(Seysyu und ich spielen auf unserer Trommel und tanzen wild.)

Die Nacht war wieder einmal kürzer, als ich es mir gewünscht habe. Obwohl ich natürlich weiß, dass sie es nicht absichtlich macht, weckt Maytame mich, indem sie mir mit ihrem Schweif über den halben Körper streift. Die weichen Haare ihrer Schweifquaste kitzeln mich überall und als ich dann meine Augen aufschlage, strahlt sie mich, begleitet von einem fröhlichen: "Iäääähhhh" an. Ob sie mir etwas erzählen will?  Etwa was sie geträumt hat?  Wie jeden Morgen kuschelt sie sich dann eng an mich, um mir zu verstehen zu geben, dass sie Hunger hat. Ich genieße diese Momente sehr und schaue ihr beim Trinken zu.

Danach beschließe ich nach Dallan zu suchen, weil ich ihm unbedingt sagen muss, dass er sein merkwürdiges Gefährt etwas weiter von unserem Lager entfernt abstellen soll. Doch ich kann ihn nicht finden und so gehe ich ein wenig am Ufer des nahen Sees entlang. Maytame schaut sich neugierig nach allen Seiten hin um. Ich bemerke, dass es ihr Spaß macht einige Insekten anzuschauen, denn manchmal quiekt sie auf, wenn eines der Tiere nahe an uns vorüber fliegt.

Auch wenn sie es noch nicht verstehen mag, aber ich erzähle ihr dennoch viele Dinge über mich, ihren sempul (Vater) und andere aus unserem Clan. Sie hört mir, jedenfalls sieht es beinahe so aus, gespannt und interessiert zu und ich glaube fast, sie versteht doch schon einiges von dem, was ich sage. Zu eindeutig sind manche ihrer Reaktionen. Sie lacht sogar, als ich ihr davon berichte, wie ich als kleines Mädchen immer über meinen etwas zu langen Schweif gestolpert bin und wie mich die anderen nicht selten dafür ausgelacht haben.

Ein Geräusch lenkt sie jedoch dann von mir ab und sie dreht ihren Kopf, als Nìm'wey plötzlich aus dem Wald und auf uns zu kommt. Sie wird mir sicherlich helfen können, schießt es mirt durch den Kopf und so frage ich sie direkt: "Ma tsmuke, tsame'a Dallan srak?" ("Schwester, hast Du Dallan gesehen?")  Nìm'wey aber schüttelt den Kopf und so erkläre ich ihr, dass ich Dallan dazu auffordern will, sein Gefährt woanders abzustellen, dass ich aber unsicher bin, wie ich es ihm mitteilen soll. Immerhin gehört er zum Clan. Ich würde mich schlecht fühlen, zumal ich weiß, dass er dieses Ding braucht, um auch ohne seine Maske schlafen zu können.

Nìm'wey ist es dann, die eine großeartige Idee hat. Sie schlägt vor, dass er dieses Fahrzeug einfach nur etwas weiter von unsrem Lager entfernt abstellen könnte. Es ist zwar keine perfekte Lösung, aber ein guter Kompromiss, stelle ich fest und muss lachen, weil die Lösung wieder einmal viel einfacher war, als ich es zunächst dachte. Ich werde bei nächster Gelegenheit mit ihm darüber reden und ihm diesen Vorschlag unterbreiten.

Maytame wird langsam schläfrig, denn sie sackt in meinen Armen zusehends mehr und mehr in sich zusammen und so entscheiden wir, zur Höhle zurück zu gehen. Nachdem ich sie dann hingelegt habe, beschließen wir, gemeinsam etwas zu kochen. Dabei schlage ich Nìm'weyx vor, dass sie für das Essen sorgen könne, während ich einen frischen Tee für uns zubereite. So machen wir´s dann auch.

Nìm'wey brät zwei Fische für uns und ich stelle angenehm überrascht fest, dass ich wohl noch etwas von ihr lernen kann, was das Würzen angeht. Obwohl sie meint, keine besonderen Zutaten verwendet zu haben, finde ich ihre Art der Zubereitung überaus wohlschmeckend. Mein Tee passt auch sehr gut zu dem Geschmack der Fische und ich spüre nach einer Weile seine anregende Wirkung. Ein wohlig warmes Gefühl breitet sich in mir aus und ich fühle mich glücklich. Nìm'wey scheint es ganz ähnlich zu gehen.

Seysyu, die dann zu uns kommt, kurz bevor Nìm'wey sich schlafen legt, ist zunächst skeptisch, als ich ihr etwas von dem Tee anbiete. Ich kann es ihr nicht verdenken nach dem Spaß, den ich mir neulich mit ihr erlaubt habe. Schließlich aber trinkt sie doch und auch ihr scheint er zu schmecken. Unsere Stimmung wird nach und nach immer ausgelassener und auf einmal überkommt mich die Lust, auf unserer großen Trommel zu spielen. Seysyu scheint zunächst etwas überrascht zu sein, aber so etwas hatte sie bislang auch noch nicht miterlebt. Doch es scheint ihr sehr zu gefallen.

Schon nach den ersten Schlägen steht sie auf und beginnt sich zu meinem Trommelspiel zu bewegen und zu tanzen. Dabei fallen mir ihre sehr flüssigen und geschmeidigen Bewegungen auf. Einen etwas schnelleren Rhythmus spielend stimme ich ein Lied an, dessen Text ich mir ganz spontan einfallen lasse. Es macht großen Spaß, wieder einmal so ausgelassen zu sein und beinahe kann man schon von einem kleinen Fest sprechen, das wir beide da gerade abhalten. Hatte ich die tsmuke amip (neue Schwester) zunächst für ein wenig steif gehalten, muss ich diesen Eindruck nun vollkommen aus meinem Gedächtnis verdrängen. Ich glaube auch zu bemerken, dass Seysyu offenbar zunächst auch einen ganz anderen Eindruck von mir hatte. Sie lacht und tanzt und wird dabei immer wilder in ihren Bewegungen, wie auch ich immer schneller die Trommel spiele.

Als ich eine Pause einlegen muss, um etwas zu verschnaufen und noch etwas von dem Tee zu trinken, setzt sie sich dann an die Trommel. Ihr Spiel ist langsamer als meines, aber die Art und Weise wie und was sie spielt, übt auf mich eine besondere Faszination aus. So beginne ich mich nun nach ihrem Rhythmus zu bewegen. Zwar sind meine Gedanken immer wieder auch bei meinem Kind, aber ich genieße diesen unbeschwerten Abend sehr. Ich weiß, Maytame ist in der Höhle in Sicherheit und ich würde sie jederzeit hören, wenn ihr etwas fehlen sollte.

Viel zu schnell ist der Tag dann jedoch wieder einmal vorüber. Seysyu wird müde und verabschiedet sich von mir und so gehe auch ich dann in die Höhle zu meinem Mädchen. Irgendwann werde ich Maytame auch dies lehren, wenn sie mich darum bittet, das Spielen unserer  verschiedenen Intrumente und den Tanz. Doch ich bin mir sicher, das wird sie...

Als ich dann mein tägliches Gebet zu Eywa spreche und sie darum bitte, uns alle zu beschützen fällt mir auf, dass heute der erste Tag vergangen ist, an dem ich nicht an meinen muntxatan (Ehemann) gedacht habe. Ein wenig erschreckt darüber schließe ich ihn natürlich auch in mein Gebet mit ein. Vielleicht hat nur unser kleines Fest diese Gedanken von mir fern gehalten. Auf alle Fälle will und werde ich nicht zulassen, dass ich ihn vergessen werde. Zu innig ist unsere Verbindung und zu groß mein Verlangen, ihn eines Tages wieder sehen zu können.

Möge Eywa unsere Wege nicht für immer voneinander trennen...

Keine Kommentare :