Samstag, 7. September 2013

Tolätxaw ulte hum / Zurückkehren und verlassen

Mipa tsmuke ayoer alu Ne'wey tolätxaw nìmun ulte Ari'lanali hum ayoet. 
(Unsere neue Schwester Ne'wey kehrt zurück und Ari'lana verlässt uns.)

Immer mehr fasziniert es mich mitanzusehen, zu erleben und zu spüren,  wie Mayame (Kxìryas Tochter) von Tag zu Tag größer wird und dazu lernt. Ich beschäftige mich sehr viel mit ihr und, auch wenn sie es vielleicht noch nicht versteht, erzähle ich ihr beinahe täglich irgendetwas. Manchmal erzähle ich ihr von mir, von ihrem sempul (Vater), von dem Clan oder auch von den sawtute (Himmelsmenschen), wie zum Beispiel heute.

Nach einem kleinen Spaziergang setze ich mich mit ihr ans Ufer unseres Sees. Ich habe einen schönen und gut verborgenen Ort inmitten einiger Felsen und recht hohem Gras entdeckt. Etwas glucksend schaut mein kleines Mädchen mich an, als würde sie sehnlichst auf eine neue Geschichte von mir warten und so beginne ich, ihr von einer Begebenheit mit Dallan zu berichten, die schon sehr lange zurück liegt und die zu einer Zeit geschah, als dieser noch nicht zu uns gehörte. Es ist wahrlich schon sehr lange her...


"... und dann warfen wir ihn ins kalte Wasser und er zappelte und schüttelte sich wie ein kranker Fisch. Das war sehr lange, bevor er ein 'eylan (Freund) Deiner sa'nu werden durfte." beschließe ich meine Geschichte dann. Maytame hat mir, zumindest empfinde ich es so, aufmerksam zugehört. Manchmal weiß ich nicht, ob sie mich nicht doch schon etwas verstehen kann?  Noch ein wenig in Gedanken nehme ich plötzlich das Schlagen mächtiger Flügel wahr und erblicke einen sehr hellhäutigen Ikran (Banshee), der sich uns von weit oben her nähert. Es ist Ne'wey, die tsmuke (Schwester), die erst seit kurzer Zeit bei uns lebt, die soeben bei uns landet.

Nach einer freundlichen Begrüßung und einer dementsprechenden Frage von mir berichtet sie, dass ihre Reise gut verlaufen sei. Ich bin froh, dass sie den weiten Weg hierher wieder einmal gut überstanden hat und wir unterhalten uns eine ganze Weile. Dann lade sie ein mit mir zu unserer Höhle zu gehen, da Maytame inzwischen satt und zufrieden in meinen Armen eingeschlafen ist.

Auf unserem Weg hinauf treffen wir zunächst auf Dallan, dann begegnen uns Nìm'wey und Seysyu. Jemandem fällt dann auf, dass mit Dallan irgend etwas nicht stimmt. Er ist zwar gesund, sieht aber doch irgendwie anders aus, als bisher. Seine Haare sind anders und er scheint etwas mit seiner Kleidung gemacht zu haben. Eine diesbezügliche Frage Nìm'weys beantwortet er dann auch prompt, indem er erklärt, dass er sich eine andere Rüstung angezogen habe, die er in der Menschensiedlung gefunden habe.

Doch wir wechseln das Thema und kommen auf den Ort zu sprechen, von dem Dallan stammt und den sie Erde nennen. Auf seiner relsyep (Bilderfalle, Datentablett) zeigt er uns einige Bilder von den Orten, an denen er aufgewachsen ist und wo er lebte, bevor er mit den Menschen in diesem großen tawsìp (Himmelsschiff) zu uns kam. Derweil setzen wir uns ans Feuer und ich bemerke, dass Seysyu es offensichtlich ernst nimmt, unser Clanfeuer immer am Brennen zu halten. Sie hat einen großen Stapel Holz gesammelt. Sie bemerkt meinenn lobenden Blick, den ich ihr dafür zuwerfe.

Die Sprache kommt dann auch auf Tiere zu sprechen und mir fällt Ne'wey auf, die Dallan besonders viele Fragen zu seiner Herkunft stellt. Er zeigt uns dann einige Bilder von Tieren, die auf seinem Heimatplaneten existieren. Ein wenig muss ich lächeln, als ich bemerke, dass die anderen Dallans Gerät mehr als nur bestaunen. Als ich ihn darum bitte, zeigt er dann ein Bild, dass er vor längerer Zeit von Sey und mir gemacht hat. Das war, als wir noch in unserem alten Tal lebsten, das nun zerstört ist. Als er dann aber bewegte Bilder von schlimmen Kriegen zeigt, die sein Volk gegeneinander austrägt, werden alle sehr still und nachdenklich. Wieder ist es Ne'wey, die ihm dazu etliche Fragen stellt, die Dallan aber allesamt aufrichtig und offen beantwortet.

Eine ihrer Fragen richtet sie jedoch an mich und ich muss zugeben, diese Frage trifft mich wie ein Stich mitten in mein Herz. Sie fragt nämlich nach dem Verbleib Ari'lanas. Sofort kommen mir wieder die Bilder in den Sinn, die ich vor einiger Zeit von unserer großen Mutter empfing, als ich am Baum der Seelen war, um zu ihr zu sprechen. Eigentlich waren es mehr Gefühle, doch ich glaubte damals auch, Ari'lanas unbeschwertes Lachen gehört zu haben, war mir aber nicht sicher. Doch inzwischen ahne ich, dass sie zu Eywa gegangen ist.

Es wird sehr still in unserer bisher recht stimmungsvollen Runde. Nìm'wey scheint es nicht realisieren zu können oder zu wollen. Immer wieder schluckt sie, schüttelt langsam ihren Kopf und flüstert leise irgendetwas. Ari'lana war noch sehr jung und mir fallen viele Dinge ein, die ich mit ihr unternommen habe. Ich sehe den Bogen vor meinem inneren Auge, den ich mit ihr gebaut habe, den Übungspfeil und wie er direkt neben mir in den Boden zischt und ich höre immer wieder ihr kindliches Lachen. Mein Herz scheint sich zu einem harten Stein zusammenziehen zu wollen und einige Momente sitze ich nur stumm da, weil keines meiner Worte über meine Lippen kommen mag.

Es dauert eine ganze Zeit, bis ich den anderen dann vorschlage, dass wir gemeinsam nach Ari'lana suchen könnten. Nìm'wey biete ich an, mit ihr zusammen zum Baum der Seelen zu gehen. Vielleicht wird mein Verdacht ja von der großen Mutter zerstreut?  Vielleiht aber wird er auch zur Gewissheit...?  Sollte es jedoch so sein, dass Ari'lana zu Eywa gegangen ist, dann werden wir ein Ritual am Baum der Seelen abhalten, um sie zu ehren und die große Mutter zu bitten, sie zu beschützen. Als ich dies in der Runde vorschlage, was ich große Überwindung kostet, erhalte ich die Zustimmung der anderen.

Vor Nìm'wey und auch vor mir liegt ein schwerer Weg. Sie, dessen bin ich mir sicher, wird sehr lange um Ari'lana trauern, war die Kleine doch ihre Ziehtochter. Und Ich?  Ich habe etwas Angst davor, von Eywa vielleicht noch mehr solcher Nachrichten zu bekommen. Was, wenn ich vielleicht die Stimme meines muntxatan (Ehemannes), Maytames sampu (Papa)  dort höre, der nun auch schon so lange verschwunden ist?  Was, wenn ich dort etwas von Ma'wey, Txuratxan, Kee'lanee oder höre?  Sie alle liegen mir sehr am Herzen und es würde mich sehr treffen, auch nur einen von ihnen verlieren zu müssen.

Andererseits jedoch sage ich mir, ist es Eywas Plan, was mit uns geschieht. Die große Mutter allein entscheidet über jeden Einzelnen von uns und sie ist es auch, die uns unsere Entscheidungen treffen lässt. Es ist der ewige Kreislauf. Ein neues Leben beginnt, während ein anderes endet...

Noch immer etwas ergriffen beschließen wir schlafen zu gehen. Dallan, der inzwischen eingeschlafen ist, kippt mit einem mal nach hinten und liegt dann flach auf dem Boden. Ein kleines Schmunzeln darüber können wir uns nicht verkneifen. Während Seysyu und Ne'wey am Feuer schlafen, begleitet mich Nìm'wey zur Höhle. Ich liege allerdings dann doch noch eine Zeit lang wach, schaue mein Kind an und habe Ari'lanas Bild vor Augen. Ich sehe sie sie tanzen und singen...

Mein heutiges Gebet zu Eywa dreht sich vor allem um Ari'lana. Möge die große Mutter uns ein Zeichen schicken oder sie vielleicht doch zurückkehren lassen. Doch auch die anderen vergesse ich nicht. Möge Eywa  sie alle beschützen und für sie sorgen...

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