Freitag, 18. Oktober 2013

Eana menari / Zwei grüne Augen

Seysyur layu karyu a poeru lu fyolea menari aean.
(.Seysyu bekommt eine Lehrerin mit zwei außergewöhnlichen, grünen Augen.)


Sey findet täglich mehr und mehr zu seinem Clan zurück. Dennoch glaube ich ihm anmerken zu können, dass ihm der Tod seiner Famaile immer noch sehr zu schaffen macht. Kann man es ihm auch verdenken?  Mir selber geht es ja nicht anders. Oft denke ich zurück an die Zeit, als ich Kee'lanee, diese wunderschöne, starke und auch mutige Jägerin kennenlernte. Ich denke zurück an die Zeit, als Winataron wie ein violettfarbener Plasmablitz in mein Leben trat und wie sich dann alles veränderte. Anfangs noch seine Lehrerin, später dann seine munxtate (Ehefrau). Ich sehe sein STrahlen vor mir, als ich ihm sagte, dass wir sa'sem (Eltern) werden. Mir fallen Orte ein, an denen ich mit ihm alleine war. Fernab von jeglichen Gefahren waren wir sehr zärtlich miteinander. Alle dies werde ich niemals vergessen können und dies auch nicht wollen. Doch ich schaue nach vorn, in unsere Zukunft. Wenn ich einmal alt sein werde, möchte ich Maytame gern als starke taronyu (Jägerin), mutige tamsìyu (Kriegerin) oder ehrwürdige Zeykoyu (Heilierin) vor mir sehen, die vielleicht einen ebenso starken und mutigen tutan (Mann) an ihrer Seite hat und, wer weiß, vielleicht wird sie selber einmal ein Mädchen haben, so wie sie heute selber noch eines ist?

Der Morgen beginnt für mich mit einem nur knappen Frühstück, denn ich habe einiges vor. Ne'wey hatte sich vor einiger Zeit ein überaus hübsches, neues Gewand aus den großen Blüten federartiger Pflanzen gemacht. Als ich es zum ersten mal an ihr sah, überkam mich der Wunsch, mir auch einmal wieder neue Kleidung zu machen. Aber es ist kein Neid, kein Groll. Ich bewundere Ne'weys Fingerfertigkeit sehr und glaube, dass ich von ihr noch einiges lernen kann. So trage ich an diesem Morgen alle möglichen Sachen aus unserer Höhle zusammen, die ich irgendwie gebrauchen könnte. Eine genaue Idee habe ich jedoch noch nicht. Ich werde einfach mal anfangen und sehen, was es wird...

Zunächst flechte ich einige Bänder zu einem stärkeren Band zusammen, das mir genau um meine Hüfte herum passt. Nach und nach kommen andere federähnliche Pflanzenteile, etliche Holzperlen in verschiedenen Farben und weitere Bänder hinzu. Ich arbeite einfach drauf los und halte den tewng (Lendenschurz) immer wieder hoch, um ihn prüfend anzusehen. Dass meine Tochter, die vorhin noch fest schlief, inzwischen aufgewacht ist und Seysyu getroffen hat, bekomme ich erst mit, als ich etwas aus unserer Höhle holen will und ihren Schlafplatz leer vorfinde. "Maytame?", rufe ich sie: "Ma Palutsyìp (Spitzname), wo bist Du?"

Da ich keine Antwort erhalte, gehe ich los, um nach ihr zu schauen. Ich weiß, sie geht gerne zum See, daher ist dies der Ausgangspunkt meiner Suche. Nach wenigen Schritten jedoch finde ich sie. Mit Seysyu steht sie nahe bei unserem Torbogen und sie läuft mir freudestrahlend in die Arme: "Ma sa'nuuuuuuu..." ("Mamaaaaaaa...") strahlt sie mich an. Als ich sie nach dem Grund frage, weshalb sie  so nahe bei dem Käfig ist, in dem wir den tawtute (Himmelsmenschen) eingesperrt haben, der vor einiger Zeit Ne'wey angeschossen hatte, beantwortet sie mir dies, indem sie mir erklärt, dass sie Seysyu hier getroffen habe. Diese ist jedoch weit und breit nirgends zu sehen, daher frage ich sie, ob sie mich zum See begleiten will?

Natürlich ist ihre Antwort: "Sraaaaaneee!" ("Jaaaa!"), wobei ihre dunklen Augen mich anstrahlen, Dann fällt ihr mein neuer tewng (Lendenschurz) auf, den sie gleich von allen Seiten bestaunen muss: "Sooo einen will ich auch mal haben!", läuft sie mit funkelnden Augen immer wieder um mich herum: "Machst Du mir auch so etwas schönes, ma sa'nu?"  Ich verspreche es ihr und dann gehen wir gemeinsam zum See, wo ich ihr zunächst ein paar einfache Pflanzen zeige und sie ihr erkläre. Auch wenn ich natürlich weiß, dass sie einiges noch nicht verstehen kann und vielleicht auch wieder vergessen wird, finde ich, dass man nicht früh genug anfangen kann, zu lernen. Aber es ist ein sehr spielerisches Lernen, ohne jede Forderung und ohne jeden Druck. Doch ein paar Dinge begreift meine kleine Jägerin sehr schnell.

Zur Belohnung tollen wir dann etwas am Ufer des Sees herum, kitzeln uns gegenseitig aus und lachen um die Wette. Allerdings lässt dabei nicht  meine Aufmerksamkeit nach. Immer wieder lausche und schaue ich, ob sich irgendetwas ungewöhnliches in der näheren Umgebung tut, doch es ist und bleibt alles ruhig. Es tut gut, so ausgelassen mit ihr zu spielen und herum zu tollen und auch dabei lernt sie, wenn auch unbewusst, etwas, denn ich bringe auch immer einige meiner Fähigkeiten als Jägerin in das Spiel mit ein.

Irgendwann geht uns beiden die Puste jedoch aus und ich bleibe, Maytame auf meinem Bauch sanft an mich drückend,  auf dem Rücken liegen, um zu verschnaufen. Am Himmel ziehen gerade einige ayfkio (Pelikan) vorüber und ich mache die Kleine darauf aufmerksam:" Schau mal dort oben."  Maytames Blick schweift jedoch zum See ab und sie bemerkt: "Was ist denn das da für ein merkwürdiger Fisch, ma sa'nu (Mami)?"  Da ich nichts erkennen kann, zucke ich etwas ratlos mit den Schultern, werde aber aufmerksam. Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten, denn Maytame grüßt plötzlich: "Kaltxì, ma Seysyu." und schaut zu dem nahe gelegenen Wasserfall. Da Seysyu am ganzen Körper nass ist, weiß ich, dass sie der vermeindliche Fisch gewesen sein muss, von dem die Kleine gerade sprach.

Wir begrüßen uns und Seysyu fordert mich auf, sie zu begleiten. Doch mir scheint, es ist ihr nicht recht, dass meine Tochter mit uns kommen soll, was mir aber gleichgültig ist, denn ich lasse sie nicht einfach alleine stehen, nur weil eine 'eveng (Schülerin) mir etwas zeigen will. Wir gehen dann los. Als wir jedoch vor dem Wald ankommen, wird Maytame ein wenig ängstlich und bittet mich, dass ich sie zurück gehen lasse. Da ich keinen Grund habe sie dazzu zwingen, bei uns bleiben zu müssen, willige ich ein und schaue ich ihr noch nach bis sie am See angekommen ist. Hier droht ihr nun keine Gefahr mehr, daher kann ich mich nun Seysyu widmen: "Was wolltest Du mir zeigen, ma tsmuke (Schwester)?", frage ich sie.

Seysyu deutet auf etwas, dass sie offenbar gebaut hat, dessen Funktion sich mir aber nicht so ganz erschließen will. Ne'wey, die inzwischen auch zu uns gekommen ist, schaut ebenso ertstaunt. Allerdings merke ich ihr an, dass etwas nicht mit ihr zu stimmen scheint, verschiebe meine Frage an sie jedoch auf einen späteren Zeitpunkt. Seysyu erklärt dann, dass sie eine Falle gebaut habe, die uns die Jagd erleichtern soll. Mit Hilfe von Baumstämmen, Seilen und Steinen hat sie eine Art Mechanismus gebaut, bei dem das Tier, das es zu fangen gilt, eine vermeindliche Beute fressen will, dabei aber dann durch einen herabstürzenden Baumstamm getötet wird. Obwohl die Idee an sich für Seysyus Intuition spricht, geben Ne'wey und ich zu bedenken, dass dieses Gerät, dass sie da gebaut hat, jedes beliebige Tier töten würde, also auch Tiere, die wir gar nicht jagen wollen.

Wir schlagen Seysyu dann vor, zu unserer Höhle zurück zu gehen, um darüber zu sprechen. Dort angekommen, finden wir Maytame am Feuer liegend und in ihren Schweif eingerollt, schlafend vor. Das Herumtollen vorhin hat sie wohl doch sehr müde gemacht. Sie lässt sich nicht einmal durch unsere Unterhaltung stören. So reden wir über das Für und Wider dieser Falle und beschließen dann, dass wir sie Sey zeigen und auch erklären, damit er dann entscheidet, ob und wie wir sie benutzen werden.

Kurz bevor Seysyu sich dann von uns verabschiedet, berichten wir ihr aber noch von unserem gestrigen Gespräch, in dem Ne'wey und ich beschlossen, dass sie, Seysyu, bald einen Lehrer braucht, der ihr alles beibringt, was sie zu einer guten Kriegerin macht. Meine Wahl fiel dabei auf Ne'wey, da sie einerseits sehr erfahren ist und sich andererseits auch mehr um ihre Schülerin kümmern kann als beispielsweise ich, die ja mit Maytame doch oft ausgelastet ist. Da dies jedoch auch eine Frage ist, über die letztendlich Sey das letzte Wort sprechen wird beschließen wir, ihm zunächst diesen Vorschlag zu unterbreiten, damit er dann entscheiden kann. Vielleicht wird er selber ja Seysyu auch ausbilden wollen?

Als ich dann mit Ne'wey alleine bin, spricht diese mich auf meine neue Kleidung an, die ihr offenbar sehr zu gefallen scheint. Ich werde richtig verlegen, als sie so offen meine Arbeit und Fingerfertigkeit lobt, denn ich finde, dass sie viele Dinge deutlich besser gestaltet, als ich. Wir reden noch eine Weile miteinander über dies uns jenes und dabei bemerke ich, dass ich sie immer wieder direkt anchaue. Ein wenig wird es mir peinlich, denn ich ahne, dass sie dies wohl auch bemerkt. Als sie mich dann plötzlich mit weit geöffneten Augen anblickt, schaue ich ihr zum ersten mal richtig tief in ihre Augen und dann sehe ich es. Ihre Augenfarbe ist nicht gelb, wie es an sich bei den meisten unserer Art der Fall ist, sondern sie erstrahlen in einem satten und auch ungewöhnlichen Grünton. Verwundert darüber, dass mir dies nicht schon lange aufgefallen istm frage ich sie, ob es dafür einen Grund gibt. 

Sie erklärt mir, dass es dort am Meer, wo sie geboren wurde, einige Na'vi gab, deren Augenfarbe nicht gelb, sondern grün war, dass sie dies auf ihen langen Reisen ansonsten noch nirgendwo anders gesehen hätte. Sehr fasziniert von diesem Anblick starre ich sie dann wohl eine ganze Zeit lang an und als ich es dann bemerke, werde ich verlegen und es mir sehr peinlich. Ich bitte Ne'wey dafür um Vergebung. Sie lächelt mich jedoch an, verscihert mir, dass ihr das nichts ausmacht und begleitet mich dann zu unserer Höhle. Maytame schläft bereits friedlich, als ich mich zu ihr lege und sie in meine Arme schließe. Einschlafen kann ich jedoch noch eine ganze Zeit lang nicht, weil ich Ne'weys faszinierende Augen vor mir sehe...

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