Mittwoch, 30. Oktober 2013

Tìtsewtx torukä / Dreck des letzten Schattens

Tsarol peng vurit a teri 'uo aketsukspaw.
(Tsaro erzählt eine Geschichte über etwas unglaubliches.)

Ich habe heut einige Zeit das Menschenlager Txälläns (Dallans) beobachtet um mir Besonderheiten einzuprägen und versucht,  Vergleiche anzustellen zu dem Lager, welches Sey und ich entdeckten. Vielleicht ist es einfacher dann, sich dort zurecht zu finden, wenn wir mit Txällän zurück kehren würden, um diesen Menschen zu fangen.

Mit Kxìrya kehrte ich dann zum Feuer zurück. Tsaro war auch zurück und berichtete kurz, dass er nichts ausfindig machen konnte zu den Verletzungen Tsweros. Sey steckte fast ganz im Beerentrog um mal nachzuschmecken, wie weit der Beerentrunk gegoren ist. Das hat lustig ausgesehen. Selbst Tswero bestand darauf, ein paar Schritte zu gehen, natürlich zu den Beeren. Maytame und ich hockten uns dann erst einmal ans Feuer, denn die Beratung der drei, Kxìrya, Tswero und Sey zum Beerentrunk konnte etwas länger dauern. Tsaro gesellte sich zu uns. Wir sprachen über eine Jagd, die wir vielleicht gemeinsam unternehmen würden. 
Als die anderen auch zum Feuer kamen, galt das Interesse nun den Berichten, die Tsaro einst über einen besonderen tawtute (Himmlsmenschen) andeutete. Sey fragte nun nach und Tsaro begann zu erzählen. Zum einen soll dieser tawtute (Himmelsmensch), den auch der Eyktan (Clanführer) der Tipani, Atan’rey, angeblich gut kennen soll, selbst einen Clan Na’vi anführen. Die Vorstellung, dass ein Mensch mein Eyktan sein könnte, ließ mich erschaudern. Ich konnte es nicht glauben. Doch Tsaro wusste noch mehr zu berichten. 

Dieser tawtute (Himmelsmensch) sei sehr gewitzt und habe beispielsweise eine Möglichkeit gefunden, sich vor Angriffen der Palulukane (Thanatoren) schützen zu können. Wir alle horchten auf, was dies wohl sein müsste. Tswero witzelte, dass es wohl mit den lärmenden Eisenikranen zu tun hätte und den großen Feuerpfeilen. War doch auch er gerade noch mit seinem Leben davon gekommen beim Angriff eines Palulukans (Thanators). Tsaro aber erzählte, dass ein solches Tier ja selbst Toruks fürchten würde. Der Mensch also hätte eine Paste gemacht, ich denke aus Torukexrementen, die er sich unter die Arme schmieren würde, wenn ein Palulukan vor ihm stünde. Der Geruch, der nun verströmt, würde dem Palulukan (Thanator) in Angst und Schrecken versetzen und er renne davon. 
Ich hätte fast laut losgelacht bei der Vorstellung , Torukkot unter den Armen zu haben, diese hochzureißen sodas dieser Palulukan (Thanator) auch alles genau riechen kann, um ihm dann ein mickriges "Puhhh" entgegen zu schleudern. Doch in Anbetracht dessen, das Sey seine Familie und Kxìrya ihren muntxantan (Ehemann) durch einen Palulukan (Thanator) verloren haben, ließ ich es. Sey war entsetzt und sichtlich aufgewühlt, dass die Lösung so einfach sein sollte. Ich aber befand diese Idee als aberwitzig.

Seit undenkbaren Zeiten, die es  Jäger in unsrem Volk gibt, war noch keiner darauf gekommen?  Ich fragte Sey, ob er ernst nehmen würde, was Tsaro da erzählte?  Er meinte, dass es ja auch helfen würde bei der Jagdt auf Yeriks, sich in deren Mist zu wälzen, so dass sie den Jäger nicht wittern können. Das ist doch etwas ganz anderes, denn bei einem Palulukan (Thanator) sind wir die Beute. Tsaro fragte ich, wozu ein Palulukan (Thanator) Augen hat und zu welchem Zeitpunkt er dann die Paste zum Einsatz bringen würde?  Er musste zugeben, dass er selbst es noch nie ausprobiert hat, geschweige denn gesehen, dass es jemandem gelungen wäre,  auf diese Weise eines dieser Raubtiere in die Flucht zu schlagen. Ich meinte, es sei lächerlich vor einem Palulukan (Thanator) zu stehen und statt zu fliehen, sich erst einmal in aller Ruhe das Zeug auf den Leib zu schmieren. 
Ich fragte Tsaro auch ob es richtig sei, solche Dinge zu berichten ohne zu wissen, dass es eine Tatsache ist, weil er doch weiß, was einigen unseres Clans zugestoßen war. Sicher war ich sehr grob zu Tsaro und ablehnend, besonders weil es auch um einen tawtute (Himmelsmenschen) ging. Doch Sey hörte sich so verzweifelt an im Glauben, dass seine Familie so vielleicht nicht hätte umkommen müssen. Auch Tswero, den diese Wendung des Gespräches am Feuer sichtlich zusetzte, meinte, ob es nicht doch möglicherweise Wirkung hätte und man könnte es überdenken.
Ätxäle palulukanur fwa lonu smarit peyä (Bitte einen Thantor, seine Beute freizulassen) - Es ist ein sinnloses Unterfangen. Die Angst seiner Beute würde bis in den Himmel stinken und alles übertünchen, womit auch immer diese sich einschmiert. Seine Ohren wüden den rasenden Herzschlag wahr nehmen und den zitternden Atem. Für das Yerik (hirschähnliches Tier) sind wir der Palulukan (Thanator), für diesen aber sind wir das Yerik (hirschähnliches Tier) .

Der Gedanke, dass ein tawtute (Himmelsmensch) der Meinung ist, tausend Jahre alte Traditionen, das allumfassende, gesammelte Wissen unseres Volkes, die Weisheit der sahik (spirituellen Clanführerinnen), die Stärke unserer ayeyktan (Clanführer),  die Gerissenheit und Ausdauer unserer tsamsiyu (Krieger) und  taronyu (Jäger) mit so einer Torukpaste einfach hinweg wischen zu können, erschütterte mich zutiefst. Wie kann Tsaro selbst dies glauben oder gar ausprobieren wollen?   Wann hat er begonnen zu Zweifeln und die Spuren seines Volkes zu verlassen? 
Meine tief vergrabenen Erinnerungen krochen in mir hoch und umklammerten mein Herz, sodass ich mich diesmal einer Träne nicht erwehren konnte. Ich muss erkennen, dass Seys Voraussicht, durch die Ankunft der Sawtute haben die Veränderungen in unserem Volk längst begonnen, richtig ist. Ich will mich nicht damit abfinden, ich brauche die Menschen nicht, niemand braucht sie und ihre einfältige Dummheit. Ihre Selbstgefälligkeit uns lehren zu wollen, wie wir in unserer Welt leben sollten, ist unerträglich. Das einzig Richtige ist, sie müssen gehen.
Nichts desto trotz schätze ich Tsaro sehr, sein Wissen und Können und das was ihn ausmacht. Und ich werde mich für meine Grobheit entschuldigen bei ihm. So wie ich es bei Tswero schon getan habe. Vielleicht werde ich ihm auch erklären, irgendwann, was ein tawtute (Himmelsmensch) für mich bedeutet. Ein Mensch der ein Olo’eyktan (Clanführer) sein will, dies ist unvereinbar.

ta Ne‘wey

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