Donnerstag, 11. Juli 2013

Mì na'rìng Keehu / Mit Kee im Wald

Oer lu prrte'a tìpängkxo 'eylanhu aswey oeyä.
(Ich habe ein angenehmes Gespräch mit meiner besten Freundin )

Ich spüre immer deutlicher, dass der wohl anstrengendste, aber zugleich auch schönste Tag meines Lebens immer näher rückt, sehe ich einmal von dem Tag ab, als Winataron (Kxìryas Ehemann) und ich uns miteinander verbanden. Inmitten einiger wunderschöner bunter und großer Pflanzen sitze ich nahe des Flussufers und genieße die aufgehende Sonne. Immer wieder erfreue ich mich an solchen Dingen wie fayioang (Fischen), ayfkio (Flamingos), ayikran (Banshees), ayfwäkì (Gottesanbeterinnen) und anderen Tieren. 

Ich beschäftige mich sehr mit mir und meinem Kind, dessen Bewegungen nun beinahe täglich ruhiger zu werden scheinen. Immer, wenn ich leise singe oder ruhig spreche, kommt es mir so vor, als würde es all dies verstehen und meiner Stimme lauschen. So auch heute. Mein leiser Gesang wird dann von Kee'lanee unterbrochen, die mich wohl zunächst gar nicht bemerkt hat zwischen all den Pflanzen. Wir begrüßen uns und sie fragt mich, wie immer, nach meinem Wohlbefinden. Sie ist eine tolle Freundin.

Aber ich habe ihr auch einige schlechtere Nachrichten zu überbringen. Ich erzähle ihr von diesen merkwürdigen explodierenden Geräten, die Tessy und Dallan gefunden und zerstört haben, berichte ihr dann alles, was ich von den beiden darüber weiß und zeige ihr schließlich auch den Ort, den wir in nächster Zeit eher meiden sollten. Sie macht sich wohl einige Sorgen, als wir dort am Waldrand ankommen. "Wie oft...", schaut sie mich nachdenklich an: "bin ich hier schon entlang geritten, habe hier gejagt oder bin einfach nur hier entlang gelaufen?"

Ich gebe ihr Recht, denn das gleiche trifft ebenso auf mich und wohl den Rest des Clans zu. "Dass bisher kein Unglück geschehen ist,", vermute ich: "ist der Wille Eywas." und füge hinzu: "Dallan wird uns helfen, sie alle zu finden und zu zerstören, dessen bin ich mir sicher." Allerdings gebe ich ihr auch zu bedenken, dass Tessy und auch dieser uniltìrantokx (Avatar), auch wenn sie uns bisher nicht geschadet haben, noch nicht mein volles Vertrauen genießen.

Kee stimmt mir zu. Dann ändert sich plötzlich, und für mich sehr überraschend, unser Gesprächsthema. Als ich ihren etwas merkwürdigen Gesichtsausdruck bemerke uns sie frage, ob sie etwas bedrückt, beginnt sie, zunächst sehr zögernd, mir von einem Gedanken zu berichten, den sie wohl schon sehr lange mit sich herum trägt. Dann offenbart sie mir ihr diesen: "Ma Kxìrya, ich möchte Dich um etwas bitten.", sagt sie, wobei ihr Blick sehr freundschaftlich, ja beinahe mütterlich auf mich wirkt.

Wir schauen uns lange Momente gegenseitig an, dann eröffnet sie mir ihre Bitte in allen Einzelheiten. Sie möchte mich zur zeykoyu a'awve (ersten Heilerin) ernennen. "Du bist sehr pflichtbewusst, tapfer, hilfsbereit und Deine Intelligenz und Intuition sprechen für sich." überhäuft sie mich mit einer wahren Flut von Lob, "Wer könnte mir also besser eine solche Ehre erweisen als Du, meine beste Freundin?". Bevor ich ihr aber darauf antworte, falle ich ihr um den Hals und umarme sie. Mir ist einfach danach zumute, denn Worte können nicht ausdrücken, was gerade in mir vorgeht. Mein Herz scheint mir gegen die Brust zu hämmern und ich schaffe es nicht allzu lange, mich gegen die in mir aufsteigenden Tränen zu wehren. Schließlich ergebe ich mich ihnen und weine vor Freude, aber auch weil ich mich gerade so unendlich geborgen bei meiner tsahìk (spirituellen Clanführerin) fühle. Ein Gefühl, das ich längst vergessen oder verdrängt zu haben glaube, steigt wieder in mir auf...

Ich spüre, wie auch von Kee Tränen über meine Schultern ihren Weg nach unten suchen. Wie zwei Schwestern sitzen wir, ich weiß nicht, wie lange, weinend vor Freude und Glück im Gras und umarmen uns sehr innig. Mein Kind scheint diese Emotionen mehr als deutlich zu spüren, dass es wird plötzlich sehr still und regt sich fast nicht mehr. Es tut so unendlich gut, eine solche 'eylan (Freundin), tsmuke (Schwester), sa'nok (Mutter) und auch tsahìk (spirituelle Clanfühterin) zu haben. Für mich ist Kee all dies in einer Person.

Nach langen Momenten verspreche ich ihr dann: "Ma tsahìk... (spirituelle Clanführerin)", wobei ich diese Anrede sehr bewusst und betont benutze: "Ich werde versuchen, diese große und sehr verantwortungsvolle Aufgabe zu lösen, doch ganz ohne Deinen Rat, und Deine Hilfe werde ich es nicht schaffen."  Ich bin mir sicher, dass Kee mich ebenso wie jeden anderen nicht im Stich lassen wird. Sie und auch Sey und all die anderen haben uns zu dem werden lassen, was wir heute sind: Die Rey'engya, ein sehr starker und tapferer Clan. Dennoch bestätigt sie mir meine Vermutung: "Ma Kxìrya, ich werde Dir jederzeit helfen, egal bei was es auch immer sein mag."

Wir beide genießen noch eine lange Zeit den Tag hier draußen im Wald. Viel zu selten ergeben sich solch einzigartig schöne Momente. Obwohl es eigentlich unnötig ist, erkundige ich mich bei ihr, ob sie mir hilft, mein Kind zur Welt zu bringen, wenn der Tag denn bald gekommen ist?  Kee lächelt mich nickend an: "Aber natürlich, das weißt Du doch.", antwortet sie: "Sie wird gesund zu Welt kommen."  Bei diesem einen Wort "Sie" werde ich hellhörig und meine Ohren stellen sich neugierig auf: "Wie kommst Du auf SIE?" frage ich überrascht. Kee erklärt mir dann, dass sie es nur ein Gefühl ist, dass sie glauben lässt, dass ich vielleicht ein Mädchen bekommen könnte. Damit jedoch bestätigt sie mir nur mein eigenes Gefühl, das ich schon seit einiger Zeit in mir spüre.

Dennoch ist es mir vollkommen egal, ob es ein 'evan (Junge) oder eine 'eve (Mädchen) wird, solange es gesund ist. Dass ich ihn oder sie unwahrscheinlich lieb haben werde, steht für mich schon seit langer Zeit fest. Auch Winataron (Kxìryas Mann), ich weiß es, wird es so lieben, wie Eywa es uns schenken wird.

Wir beschließen dann, uns auf den Weg zurück ins Lager zu machen, um den heutigen Tag gemeinsam in unserer Höhle enden zu lassen. Dort angekommen, umarmen wir uns noch einmal freundschaftlich. "Möge Eywa immer alle Deine Wünsche erfüllen!" wünsche ich ihr dann und dieser Wunsch kommt aus tiefstem Herzen. Die Gedanken an einen sehr schönen Tag und an ein noch schöneres Gespräch lassen mich und mein Kind heute sehr ruhig einschlafen...

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