Montag, 1. Juli 2013

Kempe lamen? / Was ist geschehen?

Atxkxe ayoeyä leratem. Kempe layen?
(Unser Land verändert sich. Was wird geschehen?)



Mein Ikran (Banshee) und ich kommen immer besser miteinander zurecht. Immer mehr kommen unsere Nervensysteme, wenn ich mich mit ihm verbinde, in Einklang miteinander und immer besser gelingt es mir, seine Bilder und Gefühle zu deuten. Anders herum gelingt es ihm offenbar auch nach und nach immer besser, meinen gedachten Kommandos zu folgen. Ich glaube, wir werden ein sehr gutes Gespann werden, sie und ich. Ja, es ist ein weibliches Tier und ich schäme mich fast dafür, dass ich einige Tage gebraucht habe, um dies herauszufinden. Syesya ist der Name, auf de sie hört und ich mag besonders ihre gelben Augen, die einen Hauch ins rötliche gehen.

Allerdings wird uns unser heutiger Flug Dinge zeigen, von denen ich nicht zu träumen gewagt hätte. Bereits von weit oben bemerke ich, dass unser Tal sich irgendwie verändert zu haben scheint. Die Farben sahen sonst immer ganz anders aus und auch der Himmel, die Sonne und die Wolken sind irgendwie in einem fremdem Licht. Das ganze Ausmaß wird mir jedoch erst kurz vor unserer Landung bei unserem Lager bewusst. Bin ich hier überhaupt am richtigen Ort?  Der Wasserfall, unsere Höhle, die Feuerstelle und sogar das Spielzeug, mit dem Tsìlpey immer spielt, finde ich vor, wie immer. Und trotzdem, alles ist anders...

Doch zuerst gehe ich in unsere Höhle, in der ich aber außer Kxìrya niemanden vorfinde. Sie bittet mich, ihr einige Dinge zu holen, darunter etwas zum Essen und Trinken, ein paar leere Schalen und Gefäße und einige andere Dinge. Sie macht einen sehr geschafften, müden Eindruck auf mich und erklärt mir, dass sie in den letzten paar Tagen kaum geschlafen habe. Alle Zeichen, so hatte ihr Kee'lanee auch schon zu verstehen gegeben, deuten darauf hin, dass ihr Baby früher geboren wird, als sie es angenommen hatte.

Da ich zunächst nichts weiter für sie tun kann, lasse ich sie schlafen und gehe zur Feuerstelle, wo ich nur Augenblicke später auf Kee und Sey treffe. Beide machen einen ebenso verwirrten und zugleich beängstigten Eindruck, wie ich es auch in mir spüre. Sie fragen mich, ob ich weiß, was mit unserem Land vor sich geht?  Das Gras um unser Lager herum sieht sehr merkwürdig aus, ebenso wie viele Pflanzen und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass auch die Geräusche aus dem Wald nicht mehr ganz so intensiv zu uns herüber dringen...

Als Dallan mit einem seiner fa'li lefngap (Fahrzeuge) eilig und zudem noch bis dicht an unser Lager herangebraust kommt bemerken wir, dass auch er einen sehr beängstigten Eindruck macht und es offenbar sehr eilig hat. Kee und Sey gehen dann zur Menschensiedlung, um sich dort etwas anzusehen. Ich, so sagen sie mir, soll mit Dallan hier zurück bleiben und auf sie warten. Doch Dallan treibt mich dann etwas zur Eile an und bittet mich, ihm schnell ebenfalls dorthin zu folgen. Da ich keinen Grund habe, seinen Wunsch zu missachten und es mir außerdem mehr als dringend erscheint, folge ich ihm. Dass dies offensichtlich ein Fehler war, werde ich allerdings erst später und ebenso deutlich zu spüren bekommen...

Doch schon bei meiner Ankunft im Menschenlager bekomme ich von der Tsahìk und auch dem Olo'eyktan so etwas wie strafende Blicke zugeworfen. Ihre Frage, wieso ich trotz ihrer Anweisung im Lager zu bleiben, hierher gekommen bin, beantworte ich entsprechend der Geschehnisse, doch ihre missbilligenden Blicke mir gegenüber bleiben und ich kann mich für einen Moment lang nicht von einem kurzen Gedanken lösen, weshalb insbesondere Kee mich sogar anknurrt.

Dallan ruft mich dann, ihm tragen zu helfen, da er sich mit seinen Geräten den Boden näher ansehen will. Mit einigen nicht gerade leichten Sachen kommen wir dann zurück und Sey, Kee und ich setzen uns, um den Boden ebenfalls zu untersuchen, hin. Kee verbindet sich mit den Wurzeln, kann aber weder Gefühle, noch Botschaften empfangen. "Der Boden ist wie tot.", berichtet sie. Als Kee jedoch aufsteht, bemerkt sie, dass ihre Füße und ihr Hinterteil jucken. Sey und ich stellen kurz darauf die selben Symptome bei uns fest, was mich in diesem Moment so wütend auf die sawtute (Himmelsmenschen) macht, dass ich Dallan hinterrücks anfalle und ihm fauchend einen Arm um seine Brust schlinge. 

Etwas erstaunt bin ich, als sich sowohl Kee, als auch Sey dann schützend vor Dallan stellen und mich dazu auffordern, ihn los zu lassen. Nur sehr widerwillig folge ich ihrer Aufforderung und frage mich, wieso sie sich eher vor einen tawtute (Himmelsmenschen) stellen, als vor einen Jäger des eigenen Clans?  Doch es kommt noch schlimmer auf mich zu, als mir Dallan, offensichtlich ungewollt, eine wasserähnliche Flüssigkeit aus einem seiner Behälter über meine Füße verschüttet und ich ihn daraufhin mit gezogenem Messer anblitze.

Sicher, Dallan gehört zu den Rey'engya, meinem Clan. Dennoch ist und bleibt er aber immer ein tawtute (Himmelsmensch) und nicht nur Sey und Kee haben ihre Erfahrungen mit ihnen gemacht, ich ebenso und mein vermisster Bruder Nay. Kee faucht mich sogar an, ich solle unverzüglich ins Lager zurück gehen, doch zuerst will ich von Dallan wissen, was er mir da über die Füße gegossen hat. Sey und Kee können es mir nicht beantworten, weshalb ich ihr Verhalten mir gegenüber nicht wirklich verstehen kann. Was, wenn etwas mit meinen Füßen geschieht?  Können sie es in Ordnung bringen?

Mein Stolz wird allerdings erst richtig verletzt, als die beiden mich dazu zwingen, mich bei Dallan für mein Verhalten ihm gegenüber zu entschuldigen. Kennen sie mich wirklich so wenig?  Eigentlich sollten sie wissen, dass wenn ich einen Fehler gemacht habe, ich jederzeit bereit bin dazu zu stehen. So muss ich mich wie ein 'eveng (Kind)  zuerst bei Dallan entschuldigen, um an eine Antwort auf meine, wie ich denke, berechtigte Frage zu bekommen.Ich fühle mich verletzt von denen, die ich ale so etwas wie neue sa'sem (Eltern) betrachte...

Während Dallan mir erklärt, Kee übersetzt für ihn, dass diese Flüssigkeit Krankheiten, wie diesen Juckreiz heilen kann, verspürt Kee, die mit ihren Füßen in einer kleinen Pfütze daraus stand, bereits dass das Jucken nachlässt. Ich aber spüre davon rein gar nichts und bitte Dallan dann, er möge mir doch noch etwas von diesem Heilwasser geben. Als dann das Jucken auch bei mir nachlässt, entschuldige ich mich nochmals sehr aufrichtig bei ihm, so wie ich es ohnehin getan hätte, auch ohne dass man mich dazu zwingt. Ich habe einen Fehler gemacht, sehe ihn ein, versuche daraus zu lernen und es in Ordnung zu bringen.

Zugegeben bin ich ein klein wenig froh, als Kee sich dann zurück zieht, weil sie wohl müde wird. Ich mag sie wiklich sehr, als Tsahìk (spirituelle Clanführerin), als sa'nok (Mutter) und als 'eylan (Freundin), auf die man sich jederzeit verlassen kann. Aber heute hat sie meinen Stolz sehr verletzt und ich werde darüber auch noch einmal in aller Ruhe mit ihr reden.

Mit Sey und Dallan bespreche ich dieses Thema gleich an Ort und Stelle. Zwar wollte ich zunächst mit Sey alleine sprechen, aber es wäre Dallan gegenüber unfair, denn er ist ein tsamsiyu Rey'engyayä (Krieger er Rey'engya) und ich mag es gar nicht über jemanden reden, der nicht anwesend ist. So entschuldige ich mich noch ein drittes Mal aufrichtig bei Dallan und sichere ihm zu, dass ein solcher Ausrutscher mir nicht nochmals passieren wird. Sey gegenüber äußere ich, was ich zu sagen habe und ich glaube, dass er sich sehr gut in meine Lage hinein versetzen kann. Mein Fehler, dass ich, trotz der Aufforderung nicht zurück ins Lager gegangen bin, stellt sich nun ebenfalls als kein unbedingter Fehler heraus, denn dann wäre ich nochmals über den offenbar kranken Boden gelaufen und hätte kein Heilwasser bekommen. Was also, wäre ich daran gestorben oder hätte eine schlimme Krankheit in unsere Höhle getragen, zu Ma'wey, Ari'lana, Tsìlpey und Kxìrya und ihrem ungeborenen Baby?  Wir sollten Eywa danken, dass es nicht so gekommen ist...

Ich hoffe sehr, dass ich darüber noch einmal mit Kee'lanee sprechen kann. Weshalb sollte sie es mir aber verwehren?  Immerhin reden wir immer offen über alles und nur durch solche Gespräche lässt sich Streit und Zwiespalt aus der Welt schaffen. Im Moment, so glaube ich jedoch, müssen wir alle gemeinsam versuchen, eine mögliche Katastrophe abzuwenden, denn niemand von uns wird wohl darüber erfreut sein, müssten wir uns vielleicht bald eine neue Heimat suchen und möglicherweise viele Tage lang durch die Wälder streifen, um einen anderen Ort zu finden, an dem der Clan leben kann. Mit vereinten Kräften werden wir auch diese Prüfung, vor die Eywa uns vielleicht gestellt hat, bestehen. Dies ist meine feste Auffassung, denn die Rey'engya sind ein starker Clan, in dem jeder für jeden einsteht und ebenso hinter dem Olo'eyktan (Clanführer) und der Tsahìk (spirituelle Clanführerin) steht. Ich werde und will da keine Ausnahme sein.

Sey und ich verabschieden uns schließlich von Dallan, der noch mit irgendetwas beschäftigt ist. Er scheint immer noch den Boden zu untersuchen mit seinen Geräten. Merkwürdig sieht unser Land aus, unsere Wiesen, Pflanzen und unser Lager, das bemerken wir bei jedem Schritt zurück dorthin. Dann aber kümmere ich mich um Kxìrya, der ich dies am Morgen versprochen hatte. Sie liegt oben in unserer Höhle in ihrem Cocon. Außer ihr sind nur Kee'lanee und Tsìlpey anwesend, die beide ebenfalls schon tief schlafen.

Ich stelle ihr noch frisches Wasser hin, lege einige Früchte dazu und hoffe, dass es ihr sehr schnell wieder besser geht. Wenn ihr nur Schlaf fehlte, sollte sie morgen wieder auf den Beinen sein, denke ich. Noch einmal gehe ich kurz zu Sey zurück ans Feuer, um ihm noch etwas zu sagen, was mich ei wenig bedrückt. Er sichert mir zu, sich darum zu kümmern. Dann lege auch ich mich zur Ruhe, doch gehen mir, bevor ich einschlafe, noch ein paar Gedanken durch den Kopf...


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