Samstag, 20. Juli 2013

Sa'sem moe lu set / Nun sind wir beide Eltern

Fekem astum slä prrnenur Eywal tìng tìreyt. Oe ngar irayo si ma nawma sa'nok!
(Beinahe ein Unfall, doch Eywa schenkt dem Baby das Leben. Ich danke Dir, große Mutter!)

Nach und nach versammeln sich alle an unserer Feuerstelle. Kee ist die erste, die mich begrüßt und sich nach meinem Wohlbefinden erkundigt. Dann kommen nach und nach Sey, Ari'lana, Dallan und auch mein yawntu (Liebster) dazu. Zur Begrüßung streichelt mir Winataron über meinen Bauch und begrüßt unser Baby, das heute erstaunlich ruhig ist, sehr liebevoll. Ich liebe es einfach, wenn er dies tut. Unser Gespräch dreht sich zunächst um das, was uns alle im Moment wohl am allermeisten beschäftigt: Was geschieht mit unserem Land und werden wir uns vielleicht eine neue Heimat suchen müssen - wieder einmal?

Ari'lana erkundigt sich nach dem Verbleib von Nìm'wey, die ja vor einiger Zeit ihre neue sa'nu (Mama) geworden ist, nachdem die Kleine ihre Eltern auf der Flucht vor den sawtute (Himmelsmenschen) verloren hatte. Doch eine Antwort auf diese Frage kann ihr von uns leider niemand geben, da NÍm'wey offenbar niemandem gesagt hat, wohin sie geht und wie lange sie wohl unterwegs sein wird. Allerdings sind wir alle sehr zuversichtlich, dass sie bald wieder zurückkehren wird.

Da mein Bauch etwas spannt und mir das Gewicht doch langsam im Rücken zu schaffen macht, schlage ich vor, dass wir uns gemeinsam ans Feuer setzen. Doch als ich mich eben umdrehe, um zur Feuerstelle zu gehen, bemerke ich, dass mir etwas warmes an meinen Beinen herunter läuft. Schmerzen habe ich jedoch keine. Kee kommt gleich zu mir, sie hatte das wohl auch bemerkt, und bestätigt meine Vermutung, dass es nun wohl mit der Geburt los geht und ich wohl heute sa'nu (Mama) werde. 

Die Tsahìk (spirituelle Clanführerin) führt mich zu einem großen Fell, das sie eigens und schon vor einigen Tagen für die Geburt vorbereitet hat, ruft meinen muntxatan (Ehemann) hinzu und hilft mir dann, mich bequem niederzulassen. Sie fordert Wina auf, sich so hinter mich zu setzen, dass er mich am Rücken etwas abstützen kann. Dann untersucht sie mich zunächst einmal. Die Anderen versammeln sich ebenfalls um uns herum am Feuer und mir scheint, Ari'lana ist etwas unwohl, so nahe bei einer Geburt dabei zu sein. Sey ist, obwohl er nach außen hin ruhig wirkt, offensichtlich innerlich sehr aufgeregt. Ich glaube er freut sich sehr, dass in seinem Clan wieder ein neues Leben entsteht. Dallan ist wohl einfach nur verblüfft, denn auch für ihn ist es die erste Geburt, noch dazu die einer Na'vi. Ihm steht jetzt schon der Mund etwas offen vor Erstaunen, stelle ich belustigt fest.
Dann verspüre ich plötzlich einen beinahe stechenden Schmerz, der sich durch meinen ganzen Unterleib zieht und stöhne auf. Mein yawntu (Liebster) streichelt mir etwas ratlos den Rücken, massiert ihn leicht und ahnt vermutlich nicht, welch großen Gefallen er mir damit tut. Kee weist mich an, meine Atmung auf den Schmerz einzustellen. "Atme so tief und ruhig Du kannst ma 'eylan (Freundin)."  rät sie mir. Ich versuche es, stöhne jedoch erneut auf, als mich wieder eine Welle des Schmerzes überrollt.
Wissend, dass diese Schmerzen nun in immer kürzeren Abständen kommen werden, versuche ich mich darauf vorzubereiten, was mir jedoch anfangs nicht so richtig gelingt. Wina tut genau das richtige, als er mir mit einem nassen, weichen Tuch den Schweiß von der Stirn wischt. Nach einer etwas längeren Pause kommen dann direkt nacheinander zwei Wehen und ich habe etwas Mühe, mich auf die Atmung zu konzentrieren. Kee spricht sehr beruhigend auf mich ein und ich versuche mich zunächst nur auf ihre Stimme zu konzentrieren und alles andere um mich herum auszublenden.

Beim nächsten Schub legt Kee'lanee mich sanft nach hinten, sodass mein Kopf auf Winas Schoss zu liegen kommt. Sie kontrolliert die Lage des Kindes und erkennt, dass es ein wenig gedreht werden muss. Im Hintergrund höre ich Sey etwas scherzen und herumalbern. Ich glaube, es ist einfach nur seine Aufregung. Dennoch höre ich dann, wie er bemüht ist, Ari'lanas Fragen, und das sind wahrlich einige, versucht gewissenhaft zu beantworten. Es folgen einige weitere Wehenschübe und ich verfluche es ein wenig, ein Kind zu bekommen. Die Anstrengung, diese körperliche Anspannung und diese fürchterlichen Schmerzen machen mir einfach sehr zu schaffen. Wina kommt kaum nach, mir den Schweiß abzuwischen, der mir mittlerweile in kleinen Rinnsalen vom ganzen Körper hinunter läuft. Doch er macht geduldig weiter und spricht mir tröstend und liebevoll zu. Einige besonders liebe und hübsche Dinge flüstert er sehr leise in mein Ohr.

Kurz fällt mein Blick zu den anderen und ich blicke in Dallans Gesicht, der sprachlos zu sein scheint. Mit offenem Mund, den ich unter seiner Maske deutlich erkennen kann, starrt er zu uns dreien hinüber. Seine Hände sind zu Fäusten geballt. Ari'lana ist nun auch stiller geworden, sie sitzt ganz nahe neben Sey. "Ich kann den kleinen Kopf spüren, ma Kxìrya." erklärt Kee mir ruhig, fährt aber fort: "Bei der nächsten Wehe musst Du mit pressen."  Diese lässt auch nicht allzu lange auf sich warten. Der Schmerz ist etwas leichter zu ertragen, als ich dagegen anpressen kann, dennoch stöhne und pruste ich auf.

Einige Wellen der Schmerzen überrollen mich und ich presse, atme und manchmal ringe ich etwas nach Luft. Ich spüre wie mein Kind langsam immer weiter nach unten rutscht und habe schließlich ein Gefühl, als würde mir jemand den Körper auseinander reißen wollen. Kee bekommt ein sehr weiches Lächeln ins Gesicht, als sie mir sagt, dass bisher alles sehr gut verläuft, wird jedoch gleich wieder etwas ernster, als sie mich dann bittet: "Ma Kxìrya bei der nächsten Wehe darfst Du nicht mit pressen, damit ich die Lage des Kindes etwas korrigieren kann."  Ich nicke nur, da es mich im Augenblick alles sehr anstrengt. Mich an Winas Beine klammernd versuche ich diese nächste Wehe hechelnd und prustend hinter mich zu bringen. Ich spüre genau, wie Kee das Kind mit ihrer Hand etwas dreht. Dann streichelt sie mir über ein Bein uns lobt mich: "Ma 'eylan, (Freundin), Du machst das sehr gut. Bald hast Du es überstanden."

Ich versuche, sie anzulächeln, doch wieder zwingt mich eine Wehe dazu, mitzupressen und Kee drückt mir sanft auf den oberen Bauch, um mir und dem Kind damit ein wenig zu helfen. Wina hält meinen Kopf sanft zwischen seinen Händen, reibt mich immer wieder mit dem kühlen Tuch ab und spricht leise zu mir: "Ma yawntu (Liebste), ich bin so stolz auf Dich, dass Du das alles so verkraftest.", was mir innerlich sehr viel Kraft gibt.

Als Kee dann signalisiert, dass der Kopf zu sehen ist, wird es einige Momente etwas hektisch. Sehr energisch meint sie urplötzlich: "Hör bitte sofort auf zu pressen! Etwas stimmt nicht, ma Kxìrya!"  Ich erschrecke und bekomme etwas Angst. Kee erklärt weiter: "Die Nabelschnur hat sich um den Hals des Kindes gewickelt, ich werde versuchen, es etwas zurück zu schieben, um die Schlinge zu entfernen."  Ich spüre, wie sie herumhantiert, spüre, wie sich etwas in mir bewegt und empfinde auch kurz einen merkwürdigen Schmerz. Dann nickt sie sehr langsam und spricht etwas aufatmend. "Alles in Ordnung, ma tsmuke (Schwester)."  Sie lächelt mich zuversichtlich und tröstend an.

Nach einigen weiteren Schmerzwellen spüre ich dann eine Art große Erleichterung, die jedoch bereits im nächsten Augenblick von einem sehr großen Angstgefühl verdrängt wird, als ich in Kees Gesicht sehe. Sie legt mir etwas auf den Bauch, dass sich im ersten Moment glitschig und warm anfühlt. "Ngar lu 'eve ahì'i." ("Du hast ein kleines Mädchen.") lächelt Kee mir zu, erklärt aber sehr bedrückt weiter: "Sie atmet nicht."  Innerlich bin ich kurz vor dem Zerbrechen. Tausend Gedanken und Gefühle kreisen mir durch den Kopf, mein Herz rast plötzlich und ich merke, wie es um uns herum beinahe totenstill wird. Selbst das erwartungsvolle Lächeln Seys verschwindet aus seinem Gesicht, als ich zu ihm rüber schaue. Winas Arme, mit denen er mich bei den Schultern hält, erschlaffen. Auch er sagt nichts. War nun doch alles vergebens?  Ist nun das, auf das wir alle uns in der letzten Zeit so unendlich gefreut hatten, vorbei?  Hat Eywa sie zu sich geholt, noch bevor sie ihre Eltern hat einmal anschauen können?

Doch Kee gibt nicht auf. Erst als alles, was sie versucht misslingt, greift sie zu einem Mittel, das ihr einmal die Tsahìk (spirituelle Clanführerin) einen anderen Clans erklärt hat. Sie nennt es "Den Atem Eywas." und pustet sehr vorsichtig und bedacht, meinem Kind ihrem Atem durch die Nase in ihre kleinen Lungen. Ich bete, dass Eywa mir das Liebste und wertvollste nicht sofort wieder nehmen möge. Kee versucht es wieder und wieder. Irgendwann gebe ich die Hoffnung innerlich auf. zu groß war die Anstrengung für mich und zu groß ist der Schmerz, den ich gerade empfinde. Ich fühle mich plötzlich nur ausgeleugt und leer.

Erst ein lautes Geräusch lässt uns alle etwas aufschrecken. Es ist Seys jubelndes Lachen, als er offenbar als erster eine Regung meines Kindes bemerkt hat. Kee legt mir die Kleine sehr vorsichtig in meine Arme zurück und lächelt, wobei ich ihr erleichtertes Ausatmen deutlich hören kann: "Ma oeyä 'eylan. Prrnen ngeyä rerey." ("Meine Freundin, Dein Baby lebt.") sagt sie sehr leise, aber hoch erfreut und ich glaube etwas wie Ehrfurcht in ihren Augen sehen zu können. Die Kleine beginnt zu schreien und auch ihre Bewegungen werden immer kräftiger. Innerlich Eywa dankend schaue ich zu meinem muntxatan (Ehemann), dem vor lauter Freude und Erleichterung Tränen über sein Gesicht laufen, die an meinen Schultern abperlen, ehe sie dann im Boden versickern.

Ich will mich jetzt nur ausruhen und schließe daher die Kleine ganz sanft in meine Arme, um sie erst einmal richtig anschauen und sie riechen zu können. Sie ist wunderschön und mir fallen gleich ihre Augen auf, deren leicht dunkelgrüne Färbung der Farbe Winas Augen nahezu entspricht. Kee weist meinen yawntu (Liebsten) dann an, dass er die Nabelschnur durchschneiden möge. Zum ersten mal sehe ich nun etwas, das mich an die Geburt Tsìlpeys erinnert. Die Messerklinge in Winas Hand beginnt zu zittern. Genau das selbe sah ich bei Sey, als seine Tochter geboren wurde und ich ihn die Nabelschnur durchtrennen ließ.

Sey muntert Wina auf: "Ma tsmukan, nun tu es!  Ich weiß genau, was gerade in Dir vorgeht.", sagt er wissend. Er lacht sehr glücklich und ich nicke Winataron ebenfalls aufmunternd zu, spüre aber, dass er verunsichert ist und großen Respekt vor diesem kleinen, neuen Leben hat. Als er seine erste Aufgabe als sempul (Vater) dann schließlich erledigt hat, kümmert sich die Tsahìk (spirituelle Clanführerin)  darum, mich zu versorgen. 

Ich bleibe noch einige Momente mit meinem Baby liegen, um sie eng an mich zu kuscheln: "Zola'u nìprrte', ma prrnen ahì'i." ("Herzlich willkommen, kleines Baby.") begrüße ich sie dann sehr leise und lieb. Nach einer Weile setze ich mich zunächst, um dann etwas später langsam aufzustehen. Alle wollen sie natürlich unser neues Clanmitglied begrüßen und anschauen und das sollen sie auch. Ich bin sehr stolz auf die Kleine, war dies doch ihr bislang schwierigster Weg, den sie, trotz einiger Hindernisse, nun hinter sich gebracht hat. Kaum, dass ich aufgestanden bin, beginnt sie nach meiner Brust zu suchen, also helfe ich ihr natürlich dabei. Das hat sie sich wirklich redlich verdient. Ari'lana, Dallan und auch Sey kommen nun näher und ich kann nun Sey und Kee nachfühlen, was sie damals empfanden, als ihre kleine Tsìlpey geboren wurde. Als mich Winas Arm etwas seitlich  an sich drückt, muss ich ihn einfach küssen. Sein Gesicht verrät mir auch ganz ohne Worte, dass er der glücklichste Mann Eywa'enengs (Pandoras) ist.

Jemand. ich glaube Kees Stimme zu hören, fragt dann: "'evengìri srake mengar lu tstxo?" ("Habt Ihr beiden schon einen Namen für das Kind?")  Ich nicke stumm und dabei breit lächelnd zu Wina, denn natürlich hatten wir über Namen nachgedacht und erst neulich noch, nachdem Kee andeutete, dass es ein Mädchen werden könnte, haben wir uns noch eingehend darüber unterhalten.  Noch einmal wird es still, als alle gespannt abwarten, bis Winataron den Namen unserer Tochter verkündet. Mich mit seinem Schweif umschlingend strahlt er dann in die Runde: "Por moe fko Maytame."  ("Wir nennen sie Mayteme."). Ich lege meinen Kopf an Winas Schulter, denn als er ihn jetzt zum ersten mal so ausspricht fällt mir auf, wie sehr mir dieser Name gefällt. Dann bricht alles in Jubel aus. Alle sind erfreut und auch erleichtert und es schallt vereinzelte Male der Kampfruf der Rey'engya durch unser Lager. Maytame te Rey'engy Kxìrya'ite, so nun ihr voller Name, scheint dies alles jedoch nicht im Geringsten zu beeindrucken. Sie trinkt unerschrocken einfach weiter und ich muss darüber lachen. Doch ein Gedanke kommt in mir hoch, als mein Blick auf den Boden fällt. Ich versuche jedoch, mir nichts anmerken zu lassen. In was für einer Welt wird sie nun aufwachsen?  Was wird ihre Zukunft bringen?  Und ich frage mich, wie ich wohl reagieren werde, wenn sie mich zum ersten mal fragen wird, weshalb Dallan denn nicht so aussieht wie wir?

Aber ich wische diese Gedanken zunächst weg, um mich nur der Freude über unser Kind hinzugeben. Immer wieder schauen alle Maytame sehr interessiert und begeistert an. Am liebsten würde ich sie jetzt meinem muntxatan (Ehemann), der Tsahík (spirituelle Clanführerin) oder dem Olo'eyktan (Clanführer) einmal in die Arme legen, aber ich denke, auch das wird sich nach und nach von selber ergeben. Außerdem bin ich doch recht geschafft und wünsche mir, dann ich unsere erste Nacht gemeinsam mit Wina und unserem Kind oben in unserer Höhle verbringen kann. Kaum daran gedacht, stellt mir Wina genau diese Frage, weshalb wir dann alle beschließen, uns nun auszuruhen. Dallan geht in seine Menschensiedlung zurück, während Kee, Sey und auch Ari'lana mit uns nach oben gehen.

Zugegeben, es ist etwas eng, als wir uns zu dritt in unseren Cocon legen. Doch um nichts in der Welt möchte ich diese erste Nacht mit meinen meyawntu (beiden Liebsten) und der Kleinen gegen etwas anderes eintauschen. Wir legen die Kleine zwischen uns und umarmen uns ein wenig. Maytame scheint unsere Wärme und Nähe zu genießen, denn schon nach wenigen Momenten ist sie eingeschlafen, während Wina und ich noch sehr leise flüstern und immer wieder uns und unser Kind anschauen...



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