Dienstag, 2. Juli 2013

Tìpängkxo Seyhu / Unterhaltung mit Sey

Atxkxerì ayoeyä Winataron sì oe plltxe Olo'eyktanhu.
(Winataron und ich reden mit dem Olo'eyktan über unser Land.)

Dass sich in unserem Tal etwas verändert haben muss, hatte ich ja von Txuratxan bereits gehört und außerdem habe ich es ja selber auch bemerkt, als ich den Himmel aus der Höhle heraus anschaute. Das ganze Ausmaß sehe ich jedoch erst, als ich eben aus unserer Höhle heraustrete und auf unsere Feuerstelle zugehe. Ich bin einfach nur schockiert über das, was meine Augen sehen.  Überall merkwürdig braune Stellen, wo noch vor einigen Tagen Gras und andere Pflanzen wuchsen. Durch Txu, Sey und Kee'lanee wurde Dallans Warnung, nicht die dunklen Stellen zu betreten, im Clan weitergegeben, sodass es nun jeder weiß.

Überaus vorsichtig gehe ich daher nur einige wenige Schritte, bis ich zu unserer Brücke komme, die zum vitra utral (Baum der Seelen) hinüber führt. Vor dem Wasserfall setze ich mich hin und lasse meinen Blick dem Farbenspiel der unzähligen Tropfen folgen. Hier scheint noch alles in Ordnung zu sein, jedenfalls ich nichts braunes zu sehen. Mir kommen Erinnerungen an Dinge, von denen ich geglaubt hatte, sie längst vergessen zu haben. Ich denke zurück an einen See und dessen vergiftetes Wasser, viele tote Fische, die auf seiner fast schwarz gefärbten Oberfläche schwimmen. Ich denke an Pflanzen, deren Farbe sich von strahlendem Rot zu schmutzig dunklem Violett verändert hat. Mein Gesicht, das Gesicht einer taronyu (Jägerin), einer zeykoyu (Heilerin), das sich im welligen Wasser vor mir spiegelt, scheint plötzlich dunkelrote Flecken zu bekommen, doch auch das ist glücklicherweise nur eine Erinnerung.

Als ich bemerke, dass Winataron (Kxìryas Mann) die Brücke betritt, bin ich sehr froh. Er setzt sich zu mir und ich darf dann eine der innigsten Begrüßungen genießen, die wir beide jemals hatten. Doch auch er fragt mich, was ich zu all den Veränderungen unseres Tals sagen kann. Ich kann ihm jedoch nur kopfschüttelnd und Schulter zuckend begegnen. "Wir sollten mit Sey oder Kee'lanee reden und sie befragen.", schlage ich ihm vor. Wir setzen uns beide wieder auf die Brücke nieder, denn Wina will natürlich wissen, wie es unserem Kind und dessen sa'nu (Mama) geht. Er schaut stolz auf meinen Bauch, streichelt sanft darüber und kann es dann auch spüren...

Ich berichte ihm von unserem immer kräftiger werdenden Kind, das auch im selben Moment, da er mit seinen Händen über meinen Bauch streicht, anfängt zu strampeln. Winas Augen werden groß und strahlen mich an. Ich glaube, nein ich weiß, er wird ein wundervoller sempu (Papa) werden und er wird uns beide nie im Stich lassen, ganz gleich was auch immer passieren möge.

Ich erzähle Wina aber auch von diesem merkwürdigen Traum, in dem ich, wenn auch sehr undeutlich, glaube unser Kind gesehen zu haben. Natürlich räume ich ein, dass es nur ein Traum und es vielleicht nur ein Wunschgedanke von mir ist. Da ich nicht weiß, wie seine Reaktion ausfallen wird, erläutere ich ihm etwas vorsichtiger Kees Vermutung, dass unser Kind allem Anschein nach früher zur Welt kommen wird, als wir es bislang annahmen.  Seine Bemerkung, die er an meinen Bauch gerichtet spricht, treibt mir ein paar kleine Freudentränen in die Augen. Er sagt: "Ma oeyä 'evi, alaksi layu oe teri nga!" ("Mein Kind, ich werde bereit für Dich sein!")

Wir unterbrechen unser Gespräch dann, als Sey aus Richtung des vitra utral (Baumes der Seelen) über die Brücke zu uns kommt. Unser Olo'eyktan (Clanführer) scheint sehr nachdenklich zu sein und beantwortet uns die wohl im Moment brennendsten Fragen mit Ratlosigkeit und einem leichten Schulterzucken. Aber er vermutet, dass die sawtute (Himmelsmenschen) hinter dieser Sache stecken. Er bittet Wina, wobei er glaube ich etwas strenger und fordernder klingt, als er es gerade beabsichtigt, möglichst im Lager zu bleiben und sich nun vorwiegend um mich und auch unser Kind zu kümmern. Außerdem mahnt er uns zur Vorsicht und rät uns wachsam zu sein.
Sey will sich, so teilt er uns mit, unser Tal von hoch oben aus der Luft anschauen, um einen besseren Überblick zu bekommen, was Winataron und ich für eine sehr gute Idee halten. Zunächst begleitet er uns aber noch für eine Weile ans Feuer, da ich mich etwas bequemer hinlegen möchte, um meinen Rücken zu entlasten. Wir werden uns schließlich einig darüber, dass außer Dallan niemals ein anderer sawtute (Himmelsmensch) unser Lager betreten wird. Jenseits der vom Olo'eyktan (Clanführer) gesteckten Grenze, unser Torbogen, ist für alle, die nicht unserem Clan angehören, ein strenges Tabu. Sollte es nötig werden, werden wir unseren Lebensraum mit Waffengewalt verteidigen.
Sey scheint ebenso entschlossen zu sein, was diese Sache betrifft, wie Wina und ich. Er verabschiedet sich dann von uns in seiner bekannt freundlich respektvollen Art, die wir ihm entgegnen und ruft dann nach seinem Ikran (Banshee). Uns noch einmal zuwinkend, fliegen die beiden dann in Richtung der Iknimayaberge (schwebende Berge) davon, drehen aber zuvor noch einige Runden über unser Lager hinweg. "Eywal hawnu sivi mengat ulte tivätxaw lefpomtokx mefot." ("Möge Eywa die beiden beschützen und mögen sie gesund zurückkehren.") entfährt es mir leise. Dann bin ich allein mit meinen muntxatan (Ehemann), aber etwas unwohl ist es mir doch. Wird Dallan uns auch dieses mal helfen können?  Jeder aus unserem Clan vertraut ihm, da er uns bisher noch niemals mit einer List getäuscht hat. Unsere Sorge ist eher, ob seine Mittel auch diesmal ausreichen werden, um etwas schreckliches abzuwenden. 

Eywa, dessen sind wir uns wohl alle sicher, wird uns nicht im Stich lassen und alles tun, um ihre eveng (Kinder) zu beschützen. Sehr umsichtig und zuvorkommend hilft mir mein muntxatan (Ehemann) dann beim Aufstehen, nachdem er mir zu verstehen gegeben hat, die Nacht mit mir verbringen zu wollen. Diese Bitte würde ich ihm niemals ausschlagen. Er ist einfach nur lieb zu mir, als er mich sanft in den Cocon legt und mich dann zärtlich in seine Arme schließt.

Ich weiß nicht, ob ich ihm nicht doch etwas zu schwer bin, als ich mich ein wenig seitlich, seine Umarmung erwidernd, auf ihn lege. Aber so kann er noch eine Weile spüren, was tagein, tagaus in meinem Körper vor sich geht. Seine eben noch stolz funkelnden Augen sind dann längst zugefallen und er atmet ruhig und flach, als ich meinen Kopf auf seine Brust lege...


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