Sonntag, 7. Juli 2013

Tìkawng astum / Beinahe ein Unglück

Ari'lana oehu ultxa si Dallanur sì Tessyru.
(Ari'lana trittt mit mir Dallan und Tessy.)

Nach einer ruhigen Nacht, in der ich auch wieder einmal durchschlafen konnte, erwache ich an unserer Feuerstelle. Da ich keine besonders große Lust habe, ein ausgedehntes Frühstück zu zubereiten, werfe ich einige Reste, die noch von gestern übrig sind, in einen Topf und schneide nur einige wenige Kräuter hinein. Die tapsigen, sich mir recht schnell nähernden Schritte erkenne ich sofort als die Ari'lanas. Und richtig. Sie kommt aus Richtung des Waldes, obwohl sie weiß, dass unser Boden krank ist, sie sehr aufpassen muss und wir es ihr eigentlich verboten hatten, insbesondere alleine, dorthin zu gehen. Aber ich will sie zunächst anhören, bevor ich sie vielleicht zu unrecht beschuldige, etwas angestellt zu haben.

Ari'lana begrüßt mich sehr lieb und ich habe etwas Mühe, ihr kühl, nur mit einem knappen: "Kaltxì." ("Hallo.") zu begegnen. Mich weiter um mein Essen kümmernd warte ich ab, ob sie mir von selber erzählt, wo sie war und was sie gemacht hat. Zunächst jedoch geschieht nichts, sie scheint aber dann an meinem Ausdruck zu bemerken, dass etwas nicht stimmt und fragt: "Ma Kxìrya, hast Du was?", während sie sich ihre Füße neben einem unsere Felle abwischt.

"Allerdings." antworte ich und schaue zum Wald hinüber. Da erst beginnt sie zu erzählen, dass sie Yeriks (hirschähnliche Tiere) beobachtet hat, versichert mir aber auch gleich, dass sie sehr auf den Boden geachtet habe. Trotzdem winke ich sie zu mir heran und erkläre ich ihr nochmals sehr ruhig und ohne Vorwurf, dass sie sich damit in große Gefahr begeben habe. Ich schließe dann mit den Worten: "Ma 'evi (Kindchen), wir alle sorgen uns um Dich. Es wäre schön, dass wenn ich einmal eine alte Frau sein werde, ich eine tapfere Jägerin anschauen und sagen kann, dass ich diese Jägerin schon als kleines Mädchen gekannt habe."

Mein Baby scheint nun auch gerade erwacht zu sein, denn ich spüre immer wieder zum Teil recht heftige Tritte in meinem Bauch. Ati'lana bemerkt dies auch und fragt mich, ob ich denn wüsste, ob es ein 'evan (Junge) oder eine 'eve (Mädchen) wird?  "Das, ma Ari'lana..." entgegne ich ihr, "will ich gar nicht wissen. Viel wichtiger ist, dass es gesund und kräftig wird. Nur Eywa weiß, was es wird und sie weiß auch warum das so ist."

Wie zufällig fällt mein Blick dann auf unser Gestell, an dem wir unsere Felle bearbeiten und ich erblicke mit großer Freude einen kleinen syaksyuk (Affen), der sich dort nieder gelassen hat. Die Art, mit der er sich bewegt, gluckst und uns beide sehr interessiert beobachtet, lässt mich sicher sein, dass es der selbe ist, der uns schon einige Male besucht hat. Ich deute Ari'lana an, leise zu sein und zeige auf das Gestell. Ich weiß, sie mag Tiere sehr und ich sehe, wie sie sich darüber freut, so nahe eines dieser überaus scheuen, aber auch sehr hübschen Wesen zu sehen.

Der syaksyuk (Affe) scheint durch seine gelegentlichen Besuche bei uns seine Scheu etwas verloren zu haben, denn als ich einige Beeren auf den Boden lege, hüpft er bereits nach wenigen Momenten von dem Gestell herunter. Ein sehr lautes Geräusch, das durch den Wald zu uns herüber dringt, lässt ihn jedoch zusammenzucken und hastig über die Bäume im Wald verschwinden. Ari'lana ist sichtlich bestürzt darüber, aber ich kann es leider nicht ändern. "Er wird bestimmt irgendwann einmal wieder kommen.", tröste ich sie, denn ich bin sicher, dass genau dies geschehen wird.

Ich beschließe dann, den Geräuschen nachzugehen und nehme Ari'lana vorsichtshalber mit. Kurz hinter dem Wald sehen wir dann das pa'li lefngap (Fahrzeug) von Dallan. Er selber ist nicht zu sehen, aber seine Kollegin, diese Tessy, ruft uns zu, dass wir schnell verschwinden sollen. Ich werde misstrauisch, denn ich verstehe ihre Aufregung nicht. Daher entschließe ich mich zunächst mit Ari'lana in Deckung zu gehen, um zu beobachten, was da los ist. Tessy meint dann, wir sollten hinter dem pa'li lefngap (Fahrzeug) Schutz suchen. Mir wird die Sache dann irgendwann aber doch zu gefährlich, als ich Dallan etwas von einer Explosion rufen höre. Ich greife Ari'lanas Hand und renne eilig mit ihr zurück zum Lager, da ich es dort für uns am sichersten halte.

Im Lager angekommen, berichtet Ari'lana mir, dass sie über eine der dunklen Stellen im Boden gelaufen sei und befürchtet nun, dass sie krank werden könnte. Doch ich kann sie beruhigen, indem ich ihr sage, dass sie nichts zu befürchten hat, wenn es nicht in wenigen Augenblicken anfängt zu jucken, was dann glücklicherweise auch nicht geschieht.

Nach einer Weile merke ich dann, dass die Kleine wohl müde wird, denn sie streckt sich lang aus und gähnt. Ich biete ihr an, sie in die Höhle zu bringen. Als wir oben angekommen sind, das Klettern am Seil strengt mich nun wirklich sehr an und lässt mich schnaufen, biete ich ihr dann an, dass sie in dem Cocon schlafen kann, den Winataron und ich uns sonst teilen. Ari'lana macht es sich also bequem und ich bleibe bei ihr sitzen und singe noch ein Kinderlied für sie, bis sie dann eingeschlafen ist.

Eigentlich würde ich nun auch schlafen gehen, aber es zieht mich doch noch einmal zu Dallan und Tessy zurück. Ich will wissen, was dort draußen im Wald vorgefallen ist. Das pa'li lefngap (Fahrzeug) steht noch immer unverändert am Waldrand, Tessy steht daneben und von Dallan ist weit und breit immer noch nichts zu sehen. Erst nach einer ganzen Weile kommt er zu uns und hat etwas in seiner Hand, zu dem er erklärt, dass es sich um ein sehr explosives Gerät handelt, das seine Wirkung jedoch erst entfaltet, wenn man darauf tritt oder darüber läuft.

Mir wird etwas komisch zumute, als ich darüber nachdenke, wie oft wir alle in dieser Gegend schon unterwegs waren. Wir haben dort gejagt, sind dort entlang geritten, unsere Kinder ebenso. Ich werde sehr wütend, weil ich in diesem Moment glaube, dass Tessy und vielleicht sogar Dallan damit etwas zu tun haben. Doch beide versichern mir, dass Tessy es war, die diese Geräte aufgefunden und Dallan dann gebeten hat, sie unschädlich zu machen.

Müde, verunsichert und immer noch etwas aufgebracht mache ich mich schließlich auf den Heimweg. Als ich kurz in unsere Höhle hinein lausche, ob Ari'lana schläft, kann ich nichts gegenteiliges feststellen. Um jedoch hinaufzuklettern und nachzusehen, fehlt mir etwas die Kraft und so beschließe ich, mich an der Feuerstelle auszuruhen.

Ich lege noch ein paar große Holzstücke auf unser Feuer, dann rolle ich mich auf einem Fell in meinen Schweif ein und, da mein Kind bereits vor einiger Zeit ruhig geworden ist, kann ich heute auch wieder einmal schneller einschlafen. Ein letzter Gedanke an meinen muntxatan (Ehemann) lässt mich ihn noch vor meinem inneren Auge sehen. Möge Eywa ihn überall und bei allem, was er für uns tut, beschützen...

Keine Kommentare :