Samstag, 6. Juli 2013

Tìpe'un aletsranten / Eine wichtige Ebtscheidung

Ätxäle suyi Dallan Olo'eyktanur tsnì ayoel sawtuteru payt tìng. 
(Dallan bittet den Olo'eyktan höflich, dass wir den Himmelsmenschen Wasser geben.)



Winataron, mein muntxatan (Ehemann), kommt nur kurz nach mir aus unserer Höhle. Er scheint zu bemerken, dass ich mir unschlüssig den toten Boden rings um unser Lager anschaue, denn er umarmt mich liebevoll, küsst mich dann sehr innig. "Wie geht es meinen beiden Lieblingen?", will er dann wissen und ich berichte ihm von den Strapazen während der letzten Tage: "Ich will nicht den ganzen Tag hier sitzen, wie eine alte Frau!" beschwere ich mich ein wenig bei ihm. Doch er lacht mit seiner tiefen, brummigen Stimme, was mir immer noch einen Schauer über meinen Rücken rieseln lässt und schlägt dann fragend vor: "Wollen wir hinauf zum Wasserfall fliegen, ma yawntu (Liebste)?"

"Meinst Du denn, dass ich fliegen sollte?", gebe ich ihm zu bedenken, denn Wina weiß ja um die verfrühte Geburt unseres Kindes und von den Blutungen, die ich aus diesem Grund öfter hatte. Doch sein Lächeln muntert mich auf und insgeheim habe ich auch schon entschieden, mit ihm dort hinauf zu fliegen. So rufe ich Ya`rrì (Kxìrxas Ikran) , der heute gewissermaßen zum ersten Mal drei Leute tragen muss. Wie immer kommt er schnell und wer ihn nicht kennt, würde wohl vermuten, dass er das Fliegen etwas so beherrscht, wie ein tawtute (Himmelsmensch) das tsaheylu (neuronale Verbindung über den Zopf).

Der Flug dauert zwar ein wenig länger als sonst, da ich sehr vorsichtig bin, aber ich will kein Risiko eingehen. Ein kribbelndes Gefühl spüre ich in meiner Magengegend. Es ist beinahe wie an dem Abend, als Wina mich zum ersten mal umarmte und küsste. Wir landen auf einem nahe gelegenen Nachbarfelsen und Wina hilft mir, von meinem Ikran (Banshee) abzzusitzen.  Seine Augen scheinen jeden Streifen meiner Haut zu studieren, jeden meiner sanhì (leuchtenden Punkte)  aufsaugen zu wollen und folgen jeder auch noch so kleinen Bewegung meiner Schweifquaste.
 
Obwohl er sehr vorsichtig ist, ist seine Umarmung dann doch unglaublich innig. Ich bin sehr glücklich, jetzt mit ihm hier sein zu können, alleine und abgeschieden von den anderen und halte ihn einige Momente einfach nur ganz fest. Es tut gut, für einige Augenblicke einmal alle Sorgen vergessen zu können. Er führt mich dann zu dem Wasserfall und wir spritzen uns dann, wie zwei spielende Kinder, gegenseitig nass. Ich spüre, dass diese Unbeschwertheit es wohl ist, die unserem Kind auch gefällt, denn obwohl ich dessen Bewegungen sehr intensiv spüre, empfinde ich keine Schmerzen dabei. 

Immer wieder bespritzen wir uns gegenseitig, umarmen und küssen uns und ich glaube, dass auch mein muntxatan (Ehemann)  dies sehr genießt. Doch erreichen unsere Ohren immer wieder Geräusche von unten aus dem Lager. Es ist, als würde Dallans pa'li lefngap (Fahrzeug) laut aufheulen. Ya'rrì (Kxìryas Ikran) scheint dies auch zu stören, denn er wird unruhig, krächzt immer wider laut auf und schlägt nervös mit seinen Flügen. Wina und ich ignorieren es zunächst, wir wollen einfach nicht diese ausgelassene und zugleich entspannende Zweisamkeit aufgeben. Schließlich aber entscheiden wir uns doch dazu, einmal nachzusehen. Vielleicht ist Dallan ja in Not geraten und braucht Hilfe?  Neben meinem Ikran (Banshee) umarmen wir uns noch einmal sehr innig. Ein letztes Mal für heute lassen wir den Alltag  und alle schlimmen Ereignisse hinter uns und fliegen dann wieder zurück zum Lager. 

Dallan sitzt in seinem pa'li lefngap (Fahrzeug)  und scheint uns bereits zu erwarten. Als es plötzlich ein sehr lautes und heulendes Geräusch gibt, halte ich mir instinktiv meine Ohren zu. Gleichzeitig verspüre ich einen beinahe stechenden Schmerz in meinem Unterleib, der mich dazu zwingt, mich etwas zusammen zu krümmen und aufzustöhnen.

Ich werfe, etwas fauchend vor Schmerz, Dallan einen strengen Blick zu. Offenbar hat er sich nur einen kleinen Spaß erlauben wollten. Wina faucht ihn recht böse an und fragt ihn, ob er es darauf abgesehen hat, unserem Baby und auch mir Schaden und Schmerzen zufügen zu wollen? Dallan hatte daran wohl überhaupt nicht gedacht. Sein bereuender Blick geht kurz zu Boden. Doch dies ändert leider auch nichts daran, dass ich glaube, dass eine talioangherde (Sturmbestherde)  durch meinen Bauch trampelt. Ich bekomme Angst, dass es nun vielleicht gleich losgehen könnte.

Auch Sey, der inzwischen ebenfalls zu uns gekommen ist und uns begrüßt hat, scheint zu bemerken, dass es mir gerade eher schlecht geht. Winataron nimmt mich liebevoll und vorsichtig auf seine Arme, trägt mich langsam zum Feuer und legt mich dort sehr sanft auf ein Fell. Er setzt sich neben mich und bietet mir einen Becher mit frischem Tee an, den ich ihm nur allzu gerne abnehme.  Nach einigen mir sehr lang erscheinenden Momenten vergeht der Schmerz dann und mein Bauch beruhigt sich wieder. Wir hören, wie Sey und Dallan eine Zeit lang miteinander reden, verstehen jedoch nichts. Ich bin auch ein wenig froh darüber, noch einige Augenblicke mit meinem yawntu (Liebsten) alleine verbringen zu können. Diese wderden wohl bald sehr viel weniger werden...

Nach einiger Zeit kommen sie aber dann zu uns an die Feuerstelle und Sey bedeutet Dallan, dass er sein Anliegen noch einmal vorbringen möge. Einerseits, weil Sey wohl nicht alles verstanden hat, andererseits, so sagt er, betrifft es den ganzen Clan der Rey'engya und daher sollten auch alle Anwesenden an dem Gespräch teilnehmen. Dallan berichtet dann davon, dass das Wasser in der Menschensieldung so sehr vergiftet ist, dass man sich nicht einmal mehr damit waschen kann, ohne sehr krank zu werden. Weiter erklärt er, dass das Wasser aus unserem Fluss nicht für die sawtute (Himmelsmenschen)  geeignet ist, da sie gegen einige Krankheitserreger, die sich in unserem Wasser befinden, nicht resistent sind. Einzig das Wasser, so fügt er erläuternd hinzu, das direkt aus unseren Bergen kommt, sei für sie zu gebrauchen.


Er bittet uns dann, dabei direkt an Sey gewandt, um einen sehr großen Gefallen, als er verlangt: "Ma Olo'eyktan (Clanführer), erlaubst Du, dass ich aus Eurer Höhle Wasser in ein Spezialfahrzeug aufnehme, um es zur Menschensiedlung zu bringen?" Weiter erklärt er dann sehr offen, dass es einige Zeit lang etwas laut im Lager werden wird, da seine Maschinen einigen Lärm verursachen. Außerdem gibt er auf Seys Frage: "Ma Dallan, hilft es, dass unser Land wieder gesund wird?" zu, dass dies nicht der Fall ist, es also ausschließlich dem Wohl der sawtute (Himmelsmenschen) dient.

Winataron und ich beteiligen uns nur wenig an dem Gespräch, denn die Entscheidung darüber obliegt Sey, dem Olo'eyktan, dessen verfinsterter und sorgenvoller Blick  sich einige Zeit lang an den züngelnden Flammen unseres Feuers festzubeißen scheint. Etwas ernst ist sein Blick, als er dann aufblickt und einen nach dem anderen anschaut, bevor sein Blick auf Dallan liegen bleibt und der Unterton seiner Stimme zeugt von Sorge, als er dann seine Entscheidung verkündet: "Ma Dallan, ich erlaube es, dass Du Wasser aus unserer Höhle nimmst, um den sawtute (Himmelsmenschen) zu helfen, dass sie überleben."

Er begründet seinen Entschluss dann mit dem Grundgedanken aller Rey'engya: "Auch wenn uns die Himmelsmenschen großes Leid zugefügt haben, wir werden nicht das selbe tun und ihnen Hilfe, die sie dringend benötigen, verwehren."  Wieder einmal bewundere ich Sey für seine Entscheidung, die deutlich zeigte, wie sehr ihm nicht nur der Clan am Herzen liegt. Wie könnte man den sawtute (Himmelsmenschen) noch deutlicher zeigen, dass wir zur Zusammenarbeit bereit sind, wenn man uns entsprechend respektvoll behandelt und uns nicht immer nur mit Gewalt, Waffen und Krieg begegnet?  Vielleicht werden sie solche Zeichen ja eines fernen Tages deuten können...?

Mein muntxatan (Ehemann), der sich die ganze Zeit über zwar recht still verhalten, mich jedoch, eher unsichtbar für die Anderen, sehr umkümmert hat, scheint nun langsam müde zu werden. Ich merke, wie sein Körper mehr und mehr erschlafft. Schließlich fallen ihm die Augen zu und mit einem tiefen Schnurren schläft er nur etwas später ein. Sey und Dallan scherzen etwas über ihn, als er immer wieder brummende und schnurrende Laute von sich gibt, was er eigentlich höchst selten tut. Mich stört das aber nicht, wirkt es auf mich meist sogar etwas beruhigend.

Als Dallan und Sey, ich weiß, sie machen nur ihre Späßchen über Wina, dann aber weiter machen, stört es mich doch ein wenig und ich verteidige meinen yawntu (Liebsten) eher unwillkürlich. Doch schließeich muss ich mitlachen, denn die beiden meinen es ja nicht wirklich ernst oder böse. Nach und nach merke ich dann aber, dass auch mir die Augen immer schwerer werden. So beginnt schließlich, als ich mit dem Kopf auf Winatarons Schoss eingeschlafen bin, ein sehr, sehr schöner Traum...


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