Samstag, 29. Juni 2013

Ye'rìn 'ongokx prrnen oeyä / Bald wird mein Baby geboren

Ayaungia leru fwa 'ongokx prrnen oeyä ye'rìn.
(Es gibt Zeichen, dass mein Baby bald geboren wird.)


Allmählich werden die Schläge und Tritte meines Babys doch etwas unangenehm und immer öfter wache ich davon mitten in der Nacht auf. Meistens hilft es, wenn ich mich dann ein wenig mit ihm beschäftige, indem ich meinen Bauch streichle oder zu ihm spreche oder singe. Besonders singen scheint es zu mögen, denn oft wird es dann fast augenblicklich still, als würde es meiner Stimme lauschen und ich bin mir sicher, genau das tut es auch.

Vom Wald her höre ich die ersten Vögel singen und vernehme entfernt die Rufe einiger anderer Tiere, aber ansonsten ist noch alles recht ruhig. Etwas gedämpftes Licht fällt in unsere Höhle, der neue Tag ist also noch nicht allzu alt. Daher gehe ich nach unten, was mit einigen Anstrengungen verbunden ist, da das Klettern mir auch immer schwerer fällt. Ich werde wohl in nächster Zeit öfters am Feuer schlafen, nicht zuletzt auch, weil meine nächtlichen Aktionen die anderen stören könnten.

Heute jedoch ist es der Hunger, der mich anspornt. Ich weiß nicht wieso, aber ich muss mir jetzt einfach einige Teylu machen, dazu frische Kräuter und einen fruchtigen Saft. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen und ich mache mich gleich an die Arbeit. Als ich gerade die Teylu aufs Feuer gelegt habe, höre ich, wie sich von oben mit mächtigen Flügelschlägen ein Ikran (Banshee) nähert. Dann sehe ich, dass Nìm'wey von ihm abspringt und winke ihr freundlich zu. Sie war lange unterwegs und ich bin gespannt, was sie von ihrer Reise zu berichten hat.

Ihr Ausdruck scheint mir jedoch etwas Enttäuschung zu vermitteln und ich frage sie nach ihren Erlebnissen. "Die Reise an sich...", erklärt sie mir dann: "war gut, aber sie ist nicht ganz so verlaufen, wie ich es mir vorgestellt habe."  Sie berichtet mir dann, dass sie zu einem Clan wollte, der nicht weit weg von den Maguyuk (befreundeter Clan) lebt. Dort jedoch habe sie nur noch einige wenige Na'vi vorgefunden, worüber sie so enttäuscht ist.

Die Frage, die sie mir dann jedoch stellt, schnürt mir etwas den Hals zu und ich muss wirklich etwas mit mir kämpfen, um nicht gleich loszuheulen. "Wo ist Ari'lana?", fragt sie und erkundigt sich nach ihrem Wohlbefinden. Ari'lanas Bild kommt mir vor mein inneres Auge und nun kann ich mich doch nicht gegen meine Tränen wehren. Um es jedoch vor Nìm'wey zu verbergen, gehe ich zum Fluss. Doch Nìm'wey kommt mir nach und schließlich beantworte ich ihre Frage und gebe zu, dass wir alle nichts über Ari'lanas Verbleib wissen. Vor mehreren Tagen war sie plötzlich nicht mehr da. Nìm'wey beruhigt mich aber und meint, dass wir uns nicht sorgen sollten. Aber genau das tue ich, denn ich mag sie sehr gern. Hoffentlich hat sie mit ihrem Kinderbogen nicht irgendeinen Unsinn angestellt...?

Als Nìm'wey mich dann plötzlich auf eine dünne Blutspur anspricht, die sich von der Stelle, an der ich im Wasser sitze, langsam in Strömungsrichtung durch den Fluss zieht, erschrecke ich. Ich blute. Aber ich habe keine Schmerzen und habe es selber nicht einmal bemerkt. Dann erinnere ich mich, dass das gleiche gestern auch passierte. Erleichtert bin ich, als Kee zu uns kommt und frage sie gleich, was das ist. Stimmt mit dem Kind irgendetwas nicht?  Ich spüre seine Bewegungen, also sollte es ihm gut gehen. Warum aber blute ich dann hin und wieder?  Tausend Fragen und Gedanken schießen mir durch den Kopf und ich bekomme nun etwas Angst. Sollte die ganze Zeit, die ich das Kind nun in mir trage, vergebens gewesen sein?  Winataron würde bestimmt mehr als nur traurig sein, wenn unserem Kind etwas zustößt und ich selbst würde daran zerbrechen, weil ich mich auf nichts sehnlicher freue.

Kee stellt mir einige Fragen, die ich ihr recht aufgeregt beantworte. Das Lächeln, mit dem sie mich dann beruhigend anschaut, gibt mir viel Halt und Zuversicht und sie erklärt mir in aller Ruhe, dass das Kind wohl langsam das Licht Eywa'evengs (Pandoras) erblicken möchte. Als wir jedoch nachrechnen, wie lange ich schwanger bin stellen wir fest, dass es eigentlich ein wenig zu früh ist. Doch Kee beruhigt mich und erklärt, dass dies passieren könnte und dass ich mir keine Sorgen machen sollte. Viel Ruhe und absolut keine anstrengenden Dinge wie reiten, jagen oder klettern schärft sie mir ein. Obwohl ich weiß, dass sie damit Recht hat, bin ich etwas betrübt darüber. Den ganzen Tag nur herumspazieren und am Feuer sitzen ist einfach nicht mein Ding...

Dallan sorgt mit seiner Ankunft in unserem Lager dann für einen spontanen Themenwechsel. Nachdem wir Nìm'wey, die von ihrer Reise noch sehr erledigt ist, verabschieden, verteile ich die inzwischen fertigen Teylu (Käferlarven), über die Kee sich besonders zu freuen scheint. Ich selbst stopfe mir den Mund ein klein wenig zu voll, aber ich kann gerade einfach nicht genug davon bekommen. Jedenfalls kommen wir auf das Thema, das Dallan vor langer Zeit schon einmal ansprach. Es geht um ayuniltìrantokx (Avatare), diese merkwürdigen Körper, die Na'vi und tawtute (Himmelsmensch) zugleich sind und die von den sawtute (Himmelsmenschen) irgendwie hergestellt werden können.

Kee erklärt mir dann auf meine Nachfrage hin, dass sie von Eywa einmal mitbekommen habe, der Geist eines Wesens lasse sich aus dessen Körper heraus in einen anderen Körper versetzten, um dann in diesem weiter leben zu können Demnach wäre es also möglich, dass Dallan einmal einen anderen Körper bekommt. Einen, der, mit einigen kleinen Unterschieden, beinahe so aussieht wie wir. Allerdings ist auch das, wie uns Dallan dann erläutert, nicht ohne Risiko und ohne einen sehr großen Zeitaufwand möglich. "Viele Sonnen und Monde...", so führt er aus: "wird es dauern, einen solchen Körper wachsen zu lassen."  Außerdem benötigt er dafür etwas aus dem Körper einer weiblichen Na'vi.

Kee und ich verstehen von seinen Ausführungen und Erklärungen nur wenig, begreifen aber, dass es genau das ist, woraus mein Kind und auch Tsìlpey entstanden sind. Eine, wie er es nennt, Zelle, könne er mit der Zelle eines tawtute (Himmelmenschen) so verbinden, dass daraus ein uniltìrantokx (Avatar) wird. Wir sprechen auch über die Vor- und Nachteile, denn ein Zurück gibt es danach wohl nicht mehr für ihn. Sein Geist wäre dann für den Rest seines Lebens in einem für ihn ja eigentlich fremden Körper gefangen. Allerdings bräuchte er dann nie wieder seine Maske oder die Maschinen, die die Atemluft für ihn herstellen...

Außerdem geben wir ihm zu bedenken, dass sich wohl kaum eine Na'vi Frau freiwillig in seine Basis begeben wird, um dort, wie er es erklärt, eine ganze Zeit lang zu schlafen, damit er diese Zelle entnehmen kann. Selbst Kee und ich schauen uns immer wieder verunsichert an. Müssten wir uns jetzt spontan entscheiden, würde wir es wohl beide strikt ablehnen. Ich jedenfalls würde, als ich mir Dallan so anschaue, nicht in seinem Körper leben wollen.

Wir reden noch sehr lange über dieses Thema, unsere Teylu gehen nach und nach zur Neige und schließlich wird Kee müde und verabschiedet sich von uns. Allerdings kündigt sie an, dass sie zu diesem Thema Eywa befragen will und ich frage sie, ob ich sie dabei begleiten darf. Dallan äußert, was mich völlig verblüfft, den gleichen Wunsch, aber wir wissen nicht, ob es ihm etwas nützen würde, nur daneben zu sitzen. Schließlich kann er sich ja nicht mit dem Baum der Seelen verbinden, was ihm mit einem anderen Körper hingegen möglich wäre...

Als Dallan und ich dann alleine sind, reden wir noch über einige Dinge und irgendwann überkommt mich die Müdigkeit so schlagartig, dass ich einfach dahin dämmere und schließlich einschlafe. Doch ich beginne zu träumen. Ich sehe unseren Clan, der sich um den Baum der Seelen versammelt hat. Es ist eine Art Zeremonie oder eine Feier und ich sehe die Gesichter von Sey, Kee, von Ma'wey, Txuratxan und Tsìlpey. Ich blicke in Nìm'weys Gesicht und sehe eine viel älter gewordene Ari'lana. Eines der Gesichter erscheint mir sehr unscharf, es scheint ein etwas älteres Kind zu sein. Dann blicke ich in zwei große, gelbe und freundliche Augen und glaube, als ich in das dazugehörige Gesicht schaue, die Züge eines vom tawtute (Himmelsmenschen) zum tsamsiyu Rey'engyayä (Krieger der Rey'engya) gewordenen Mannes erkennen zu können...

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