Montag, 3. Juni 2013

Winataron tolätxaw / Winataron ist zurückgekehrt

Muntxatanil oeyä zìm sìrikx prrnenä moeyä.
(Mein Ehemann spürt die Bewegungen unseres Kindes.)

Eine äußerst angenehme Nacht am Feuer endet und die ersten Sonnenstrahlen, die auf meinen Rücken fallen, lassen mich erwachen. Mein größter Stolz scheint auch wach zu sein, denn ich spüre fast von Tag zu Tag immer deutlicher, wie die recht zaghaften Bewegungen immer stärker werden. "Gut so!", lobe ich flüsternd das noch unbekannte Wesen, das in mir heran reift: "Werde stark, wie ein Palulukan (Thanator)."  Da das Feuer kurz vor dem Erlöschen ist, lege ich rasch einige Holzstücke nach, koche mir erst einmal einen Tee und esse ein paar Früchte.

Laut Kees Berichten müsste mein muntxatan (Ehemann) eigentlich heute zurückkehren. Die Tsahìk (spirituelle Clanführerin) hatte ihn zu einem befreundeten Clan geschickt, damit er, falls nötig, Verstärkung zum Kampf gegen die sawtute (Himmelsmenschen) hätte holen können. Um ihn möglichst früh zu erkennen, klettere ich auf den hohen Baum bei unserer Höhle und setze mich auf einen dicken Ast. Die Sonne steht nun hoch am Himmel und erwärmt meinen Platz auf sehr angenehme Weise.

Meine Augen streifen über das Tal der Stimmenbäume, deren Tentakeln sich leicht im lauen Wind hin und her bewegen. Auf der anderen Seite höre ich das Rauschen des großen Wasserfalls. Ich denke an Txuratxan, der nun bald vor seiner ersten wirklich großen Prüfung steht. Ich glaube, er ist froh, endlich bald so weit zu sein, obgleich ich aber auch glaube, dass es ihm nichts ausgemacht hat, dass er als numeyu (Schüler) hier und dort schon einmal etwas herumkommandiert wurde. Er hat alle seine Aufgaben immer zuverlässig erledigt und sich auch aus eigenem Antrieb immer gut in den Clan integriert. Aber ich glaube manchmal auch etwas Traurigkeit in ihm zu spüren. Ich weiß, er und Ma'wey mögen sich sehr und ich wäre die Letzte, die ihm schlechtes wünschen würde. Aber manchmal überkommt mich so ein Gefühl, es ist nur ein sehr vages Gefühl, dass es möglicherweise doch nicht Ma'wey sein könnte, die einmal an seiner Seite lebt...

Ein lautes Geräusch zerreißt plötzlich die Stille um mich herum und ich schaue mich um. Doch es ist nichts zu sehen. Es hörte sich an wie das Traben der fa'li (Schreckenspferde) , aber ich kann nichts erkennen. Ich lausche und lasse meinen Blick Stück für Stück über unser Lager streifen. Dann erkenne ich eine Gestalt in einem schwarzen Gewand, wie es bei uns nur einer trägt: Winataron.

Da mir ein Sprung aus dieser Höhe zu gefährlich erscheint, greife ich lautlos nach einer Liane und schwinge mich in einem weiten Bogen bis dicht vor unser Feuer. Nur wenige Schritte von meinem muntxatan (Ehemann) entfernt lande ich, mich dabei weich abfedernd. "Was machst Du hier für einen Krach?", empfange ich ihn: "Das hört sich ja an wie eine Herde salioang (Sturmbeests)!"

Sein Kuss und seine Umarmung, das Gefühl, ihn zu spüren, überrollen mich förmlich. Wie lange wir so eng umschlungen da stehen, weiß ich nicht, aber es tut unglaublich gut. Dann erzählt Wina mir von seiner Reise. Er hat mindestens ebenso oft an uns gedacht, wie ich an ihn, stellen wir dann fest. Da er offenbar meinen zwar noch recht flachen, aber dennoch schon deutlich erkennbaren Babybauch bisher nicht bemerkt hat, umfasse ich einfach seine Hüften und ziehe ihn dicht an mich heran.

Nun spürt er es und als er langsam vor mir auf die Knie sinkt, mir zärtlich seinen Kopf an den Bauch legt und sich mit seiner markant tiefen, aber in diesem Moment auch unendlich weich klingenden Stimme entschuldigt: "Oer txoa livu ma oeyä prrnen a yawne. Koaka sempuli ngeyä tswìya' ngat." ("Vergib mir, mein geliebtes Baby. Dein alter Vater vergass Dich."), muss ich schlucken. Er ist ein so wundervoller Mann, Vater...  Aber alt, das ist er nun wirklich längst noch nicht!

Wieder umarmen wir uns und wieder scheint die Zeit still zu stehen. Ich genieße diese Momente inniger Zweisamkeit mit ihm sehr. Ob er ahnt, wieviel Halt und Kraft er mir damit gibt?  Schließlich fragt er mich, ob wir uns in unseren Cocon legen, um uns dort miteinander zu verbinden. Zunächst etwas erstaunt frage ich ihn, ob er denn schon müde sei?  Wina nickt und, obwohl ich am liebsten noch etwas mit ihm am Feuer sitzen würde, willige ich ein. Er weiß genau, dass ich es sehr gerne mag, verbunden mit ihm einzuschlafen.

So gehen wir dann nach oben und... Der Moment, wenn sich unsere Nervenstränge ineinander verschlingen ,ist immer wieder eine Art berauschendes Gefühl. Gerade die ersten Augenblicke, wenn die Bilder und Gefühle noch undeutlich und unscharf zu erkennen sind, verursachen in mir immer ein ganz merkwürdiges Gefühl. Es ist schön, aber auch immer wieder unbekannt und dennoch vertraut.

Wina kann unser Baby nun spüren, ich merke es an seinen Emotionen genau. Wir sind EIns, er, unser Kind und ich. Es scheint mir, als könne ich drei Herzen fast im gleichen Takt schlagen spüren. Wieder ein Gefühl, das mir bislang noch völlig unbekannt war. Auch WIna scheint es zu spüren. Doch ich spüre, wie er immer ruhiger und flacher atmet und schließlich einschläft. Er beginnt zu träumen...

Eine Weile lausche ich seinen Träumen, meinen Gefühlen und den Gedanken und Gefühlen von uns beiden, bevor auch ich dann einschlafe. "Nga ywne lu oer, ma muntxatan oeyä!" ("Mein Mann, ich liebe Dich!"), geht mir ein letzter Gedanke durch den Kopf...

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