Mittwoch, 12. März 2014

Ioi amip Maytameyä / Maytames neuer Schmuck

Hì'ia iìsop ne Iknimaya.
(Eine kleine Reise zu den Iknimayabergen.)

Während die eine Sonne schräg vor mir in den weiten Ozean zu stürzen Scheint und glitzernde Wellen ihr orange gelbes Licht wiederspiegeln, geht hinter mir am Horizont die zweite langsam auf. Glutrote Lichtstrahlen fallen durch die Wipfel der Bäume auf unser Land, als ich heute lautlos die Höhle verlasse. Es ist noch sehr früh und alle schlafen noch, als ich mich zum See hinunter schleiche, um nach Ya'rrì (Kxìryas Ikran) zu rufen. Eine Idee und ein Versprechen treiben mich voran. Ich hatte Maytame zugesichert, dass ich versuchen werde, ihr einige der ganz seltenen violett und rot gemusterten Federn zu besorgen, die ich für meinen feierlichen Armschmuck benutzt hatte.

Ya'rrì kommt nach einiger Zeit und wie fast immer habe ich auch jetzt die Befürchtung, dass man ihn doch vielleicht bis hinauf ins Lager hört und dass er den einen oder anderen aufwecken könnte. Daher beruhige ich ihn zunächst, indem ich ihm rasch ein Stück Trockenfleisch reiche, das er auch sogleich gierig verschlingt. Ich stelle die Verbindung zwischen ihm und mir her und schwinge mich auf seinen Rücken. Dann geht es hinauf in die Iknimayaberge (schwebende Berge). Zuvor ziehen wir jedoch knapp über den Baumwipfeln eine weite Schleife, um Ausschau nach ungewöhnlichen Dingen zu halten. Doch es ist alles still...

Zunächst fliege ich einen der kleineren Felsen an, auf dem ich die Federn für meinen Armschmuck gefunden hatte. Es war eher ein kleiner Zufall, als ich sie vor langer Zeit dort entdeckte. Einige Ikrane (Banshees), es mögen Ya'rrìs Freunde sein, fliegen um uns herum und manch einer ihrer Rufe hört sich beinahe an, als riefen sie uns etwas zu. Ich beobachte sie eine ganze Zeit lang, ehe ich dann wieder zu meinem Ikran (Banshee) gehe, um meine Reise fortzusetzen. Auf dem Weg weiter hinauf sehe ich nun auch die dritte Sonne, die langsam hinter dem Horizont unter zu gehen scheint. Ich spüre, dass Ya'rrì etwas aufgeregt ist, aber ich empfinde ebenso ein Gefühl der Freude und erwidere ihm dieses.

Immer weiter geht es hinauf. Wir landen auf einem zweiten, viel größeren Felsen, doch auch hier scheine ich kein Glück zu haben, denn außer den Überresten einer offenbar recht ausgiebigen Ikranmahlzeit finde ich wiederum nicht das, wonach ich suche. Immerhin gibt es hier eine kleine Quelle, an der mein Begleiter und ich unseren Durst stillen können. Dann ziehen wir weiter und kommen irgendwann zu einer gewaltigen Luftwurzel, die wir geschickt unterfliegen. Ya'rrì scheint es zu gefallen, denn er krächzt, dass es mir beinahe in den Ohren schmerzt und ich spüre den aufgeregten Schlag seines starken Herzens.

In einer weiten Schleife umfliegen wir einen sehr großen schwebenden Felsen und steuern dann direkt auf die eine unserer drei Sonnen zu, die inzwischen höher am Himmel steht. Ich erschrecke, als plötzlich wie aus dem Nichts ein laut kreischendes Wesen auf uns zuschießt. Ya'rrì durchzuckt es ebenfalls, doch er bleibt ruhig. Erst als ich ihn so steuere, dass die Sonne nicht mehr direkt vor uns ist, erkenne ich, dass es nur ein junger Ikran war, der uns sein Können demonstrieren und vielleicht auch etwas Eindruck schinden wollte. Obgleich ich ihm einen Moment lang, jedoch immer bereit zur Flucht, nachschaue, muss ich doch etwas schmunzeln. Wieder einmal erkenne ich, dass es unter den Tieren nicht anders zu geht, als bei uns und unseren Kindern.

Wir landen schließlich auf einem kleineren Felsen, dessen Bewuchs eher kahl ist. Eigentlich möchte ich nur eine kleine Pause machen und Ya'rrì mit einem Stück Trockenfleisch belohnen, zwischen einer kleinen Gruppe von Steinen entdecke ich dann jedoch genau das, weshalb ich mich auf den Weg gemacht habe. Vorsichtig nehme ich die violetten und rötlich blau gemusterten Federn an mich. Einen Moment lang sehe ich Maytames glänzende Augen vor mir. Ich bin sicher, sie wird sich freuen und auch in mir keimt dieses Gefühl auf, da ich mein Versprechen doch halten und mit ihr zusammen daraus etwas hübsches machen kann.

So verliere ich auch keine Zeit mehr und mache mich gleich auf den Weg nach unten. Die große Sonne nun im Rücken spürend, gebe ich Ya'rrì das Kommando, abzutauchen. Kaum daran gedacht, vollführt er beinahe eines seiner waghalsigen Flugmanöver und einen Moment lang muss ich mich sehr anstrengen, um mich an seinen beiden Tantakeln festhalten zu können. Ich beruhige ihn über unsere Verbindung etwas und sofort wird aus einem wahrhaftigen Sturzflug beinahe ein Gleitflug. Ich bin sehr stolz auf ihn und darauf, dass ich mich in jeder Situation auf ihn verlassen kann. So gewitzt er auch immer ist und so viele seiner oft kühnen Späße er auch immer machen mag, wenn es darauf ankommt, ist er eins mit mir und ich mit ihm.

Wir landen dort, wo wir in aller Frühe los geflogen sind und ich reiche ihm nochmals ein Stück Fleisch, um ihm zu danken. Wie immer flüstere ich ihm zu: "Ma 'eylan oeyä, oe irayo si nìtxan. Nìmun tswayon eylanne ngeyä." ("Mein Freund, ich danke Dir sehr. Nun fliege wieder zu Deinen Freunden."). Wie immer schaue ich ihm noch nach, bis er durch die Bäume hindurch verschwunden ist, bevor ich dann zum Lager hinauf gehe. Die Federn trage ich offen bei mir.

Am Feuer angekommen, erblicke ich meine Tochter. Sie sitzt auf ihrem Holzyerik und als sie bemerkt, was ich in meinen Händen halte, als ich sie begrüße, hüpft sie mit einem großen Sprung von ihrem Spielzeug herunter. "Ma sa'nu!" ("Mami!") lacht sie mir entgegen. Wir gehen zum Feuer und ich breite die Federn vor ihr auf einem Fell aus. Ein Blick in ihre strahlenden Augen verrät mir, dass mir diese Überraschung wohl geglückt ist. Meinen Vorschlag, daraus einen feierlichen Schmuck zu machen, den sie in der Art von Flügeln an den Armen tragen könnte, lehnt sie mit der Frage ab: "Können wir daraus nicht eine gro0e Halskette machen, ma sa'nu (Mami)?"

Maytame weiß, was sie will und das ist nicht nur gut, es ist auch unabdingbar, wenn es darum geht, dass sie irgendwann einmal lernen soll, lernen muss, sich alleine im Wald zurecht zu finden. Aber ich denke, sie wird dies alles ganz sicher lernen. Sie hat noch viel Zeit damit. Ich gönne ihr jeden Tag, den sie unbeschwert und ausgelassen mit ihren Spielen verbringen kann. Sey'syus Spielzeuge tragen viel dazu bei, dass sie sehr spielerisch sehr viele Dinge lernt. Meine Gedanken schweifen ab, doch als sie mich in die Seite knufft und fröhlich, aber doch fordernd auffordert: "Eine Kette, ma sa'nu... Mach mir bitte eine Kette.", werde ich aus meinen Gedanken gerissen.

Da meine kleine Jägerin außer Federn auch gerne dünne Riemchen an der Halskette haben möchte, mache ich mich gleich daran fein säuberlich immer abwechselnd eine Feder und einen kleinen Riemen auf eine lange Schnur aufzureihen. Die Schäfte der Federn spalte ich mit meinen Fingernägeln etwas, sodass ein kleines Loch entsteht, damit ich sie auf die Schnur fädeln kann. May schaut mir gespannt zu und ich bemerke zuerst gar nicht, dass Txällän (Dallan) und nur wenig später auch Sey'syu zu uns kommen. Letztere macht sich daran, mit Trainingspfeilen auf das Holzyerik zu schießen, während Txällän sich zu uns setzt.

An sich wollte ich ihm ja noch ein paar ernste Worte zu seiner Schießaktion sagen, die er neulich im Wald veranstaltet hat. Doch die Freude, ihn nach vielen Tagen wieder einmal sehen zu können, überwiegt und lässt mich meine diesbezügliche Verärgerung verdrängen. Wir begrüßen uns. May wirft ihn mit ihrem Gewicht beinahe um, als sie auf ihn zu springt, um ihn recht stürmisch zu begrüßen. Dann setzt sich May wieder zu mir. Während ich an ihrem Schmuck arbeite, unterhalte ich mich mit Txällän.

Sey'syu ist indes mit ihren Schießübungen beschäftigt und Maytame schaut mir sehr interessiert bei der Arbeit zu. Das Gespräch zwischen Txällän und mir nimmt plötzlich eine ungewohnte Wendung. Sogar die kleine beteiligt sich daran. Die Frage, ob die sawtute (Himmelsmenschen) auf ihrem Planeten auch so etwas wie Eywa haben, verneint er, erklärt aber, dass die Menschen an etwas anderes glauben und sogar zu ihm beten, ganz ähnlich wie wir. Aber sie verbinden sich nicht damit. Auch erklärt er, dass sie es nicht einmal anfassen oder sehen können. Auch wenn Eywa für uns nicht direkt sichtbar ist, ist sie aber dennoch da und jederzeit um uns herum. Wir können sie hören, spüren ihre Nähe und sie gibt uns Zeichen. Indem wir uns mit ihr verbinden, hören wir unsere Ahnen, die in ihr leben. Dies alles scheint es auf der Erde nicht zu geben.

Txällän erklärt May dann von seinem uniltìrantoxk (Traumwandler Körper), der aber noch sehr lange wachsen muss, bis er ihn benutzen kann. Jedoch versichert er uns dann, dass er mit ihm auch eine Verbindung zu unserer großen Mutter herstellen könnte. Er würde also all das erleben, was ich ihm vor langer Zeit einmal versuchte zu beschreiben, dies aber nicht konnte, da ich oftmals keine Worte fand, um all diese Gefühle und Geräusche beschreiben zu können.

Maytames Halskette ist inzwischen fertig geworden und ich bitte sie kurz aufzustehen und zu mir zu kommen, damit ich die Länge abmessen kann. Ich muss grinsen, denn die Federn sind noch etwas zu lang für die kleine, aber sie wird ja noch wachsen, denke ich bei mir. Maytame ist stolz auf ihren neuen Schmuck und als Txällän nach einiger Zeit aufsteht, um zur Menschensiedlung zu gehen, verabschiedet sie ich als erste von ihm. Dabei bemerke ich, dass sie ihn nun schon um ein winziges Stückchen überragt. Nicht mehr lange und er wird auch zu seiner tsmuke (Schwester) aufschauen müssen, wenn er ihr gegenüber steht.

Nachdem Txällän dann unser Lager verlassen hat, um nach seinem uniltìrantokx (Traumwandler Körper) zu sehen, wird auch meine kleine Jägerin müde und reibt sich durch die Augen. Sie versäumt es aber nicht, sich von Sey'syu und mir zu verabschieden, bevor sie in unserer Höhle verschwindet. Nicht ohne Stolz schaue ich ihr nach, bis ihr Schweif im Inneren des Berges verschwunden ist. Sie ist einfach nur ein tolles, kleines Mädchen und ich bete zu Eywa, dass sie ihr vielleicht einmal einen Spielkameraden schicken möge...

Sey'syu und ich sind nun alleine am Feuer und unser Gespräch wird sehr vertraulich und auch etwas intim. Als ich ihr sage, dass ich es kaum abwarten kann, dass Ne'wey von ihrer Reise zurück kehrt, damit sie Sey'syus Ausbildung beenden und wir sie dann bald zu ihrem Iknimaya (Prüfung für Jäger und Krieger) begleiten können, schaut sie mich etwas fragend an und in ihrer Stimme liegt viel Kraft, als sie sagt: "Ma yawntu (Liebste), ich werde bereit sein, diesen Weg zu gehen und ich werde ihn auch bis zu seinem Ende gehen."

Mir fällt auf, wie erwachsen und bedacht sie geworden ist und wie reif. Ich hoffe, dass Ne'wey sie sehr bald prüfen wird, um dann zu entscheiden, ob die Ausbildung beendet ist und Sey'syu bereit für diese schwere Prüfung ist. Wenn Sey dann noch seine Zustimmung geben wird, wird es nicht mehr allzu lange dauern, bis Sey'syu und ich und vor Eywa vereinen werden. Wie schon so oft, sprechen wir auch jetzt gerade darüber und ich erkläre ihr, dass ich bereit sein werde: "Numeyu slayu karyu ye'rìn ulte oe nayume ta nga tsakrr." ("Bald wird die Schülerin zur Lehrerin und ich werde dann von Dir lernen, Liebste.") sage ich, während ich ihr direkt in die Augen schaue. Ich spüre ihr Schlucken und deute auf die Halskette, die erst vor zwei Tagen für sie gemacht hatte. Sie besteht aus drei schillernden Steinen und ich deute auf den linken und forme das Wort: "Sey'syu" mit meinen Lippen. Danach deute ich auf den rechten Stein und forme das Wort: "Kxìrya", um zuletzt auf den großen Stein zu zeigen, der in der Mitte zwischen den kleineren liegt. Ebenfalls stumm formt mein Mund das Wort. "Maytame"  Sey'syu umarmt mich, um mir zu sagen, dass dies ebenfalls ihr sehnlichster Wunsch sei. So werden wir geduldig abwarten, bis die Zeit gekommen ist.

Doch ich bin sicher, wir werden in der nächsten Zeit viele Dinge gemeinsam unternehmen. Für den heutigen Tag beschließen Sey'syu und ich, uns zur Ruhe zu begeben. Leise schleichen wir uns in die Höhle und legen uns in einen der Cocoons. Ich streiche Maytame kurz durch ihr Haar und lege mich dann zu meiner yawntu (Liebsten). Ich mag ihren Duft und ihre Nähe, küsse sie liebevoll auf die Stirn und wünsche ihr, dass die große Mutter ihr die schönsten Träume schenken möge. Ich spüre noch eine Weile, dass sie über das Ende meines um sie geschlungenen Schweifes streichelt, doch schließlich siegt der Schlaf über mich...
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Einige Bilder zu diesem RP findet Ihr in meinem flickr Fotoalbum.

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