Sonntag, 23. März 2014

Meine Reise / Tìsop oeyä


Sop oe kelutralne olo'ö oeyä
(Ich reise zum Kelutral meines Clans.)
Der Aufbruch fiel mir nicht leicht, doch vorgezeichnet durch Eywa, musste ich diesen Weg nehmen. Gehe die 'alten' Pfade mit 'neuen' Füßen war ihre Botschaft. Meine erste Station war das Tal der Tipani. Unausweichlich. Ich musste Antan’rey begegnen. Eine Begegnung der Erkenntnis. Wir sprachen und seine Worte waren klar wie das Wasser der Quellen in den Bergen meiner alten Heimat. Und doch warm und vertraut. Gefasst, wie immer. Und ich? Ich stand da, vor ihm, wie ein Kind. Tief Violett bis in die Zehenspitzen, hilflos stammelnd. Wie früher als er mein Lehrer war und ich ihn als Mann erkannte. Mein Weg würde ein anderer sein als der seine, auch wenn unsere Herzen noch immer den gleichen Takt schlugen. Ich begriff, ein Olo‘Eyktan (Clanführer) nicht nur der Weisheit, sondern ein Olo’Eyktan (Clanführer) der Selbstlosigkeit und Wahrhaftigkeit. Er ließ mich gehen und er tat es für mich. Und wenn dies ist, was Liebe heißt, ist es noch viel größer als das, was ich ahne, das es gibt zwischen Mann und Frau. Etwas von mir ließ ich los und es blieb bei den Tipani, bei Atan’rey. Ich fühlte den Wald und den Wind anders auf einmal. Ich war tief betrübt und fühlte mich doch seltsam leicht und befreit.

Nun, da ich es verstand, setze ich meine Reise fort, bald nach dem Sey'syu das Lager der Tipani in Richtung Heimat verlassen hatte. Tutean, mein lieber Freund, mein geduldiger Begleiter. Wir erreichten die Küste und ich fand das uran (Boot), noch immer dort versteckt, wo ich es seinerzeit verlassen hatte. Meine Seele verschlossen, berührte ich nach so langer Zeit Dinge meiner Vergangenheit. Längst schienen sie vergessen, doch waren immer da. Auch hier die Erkenntnis, es war noch ein weiter Weg zu den Wurzeln meiner Herkunft.

Ein Gedanke drängte sich mehr und mehr in den Vordergrund. Ist es das, was Eywa wieder und wieder vor mir ausgebreitet hatte in den so seltenen Verbindungen zu ihr? Siehe deine Wurzeln, schneide die alten Triebe und lass die neuen zum Licht wachsen?

Die Küste wurde schroffer, ich erkannte die Bucht, die ich als 'evenge (jugendliches Mändchen) Hals über Kopf verlassen musste. Ich lenkte das Boot zum Ufer, musste mich nun den Dingen stellen wie sie sind. Zum ersten Mal sah ich, was geblieben ist. Der Funke Hoffnung erlosch augenblicklich angesichts der Verlassenheit des Ortes. Überreste anderer Boote, Lagerstätten, zurückgekehrt in den Schoß des Waldes. Ich machte das Boot fest und brach auf, den Weg zu nehmen, den ich so oft schon gegangen war. Vom Ufer zum Kelutral. Unweit des Ufers stehend, reichen seine starken Äste bis hier herüber, wie ein schützendes Nest. Doch den Aliens gegenüber war auch er machtlos. Der Wald hatte vieles bereits zugedeckt, dennoch war mutwillige Zerstörung unschwer überall zu erkennen. Doch das wahre Ausmaß dessen, was hier vorgefallen sein musste, blieb mir so verborgen und ich mochte mir dies auch nicht vorstellen. Nichts deutete darauf hin, dass noch irgendjemand meines Volkes hier lebte. Ich hatte es geahnt, befürchtet. Doch nun Gewissheit zu haben, es mit eigenen Augen zu sehen? Ein Abgrund.
Ich stieg den Kelutral hinauf, zögerlich. Mein Cocoon, die meiner Familie, der meines Bruders Teha‘ney. Wie ein Blitz schoss der Schmerz durch mein Herz, lähmte meinen Körper augenblicklich. Bilder voller Erinnerungen an unsere letzte Begegnung. Als er mich drängte mit dem Boot meine Heimat zu verlassen. Bevor die Aliens kämen. Er würde mich finden, rief er mir zu. Etwas lag in meinem Cocoon. Ich rollte ihn auf und dieses Etwas verschlug mir den Atem. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Eine Kette mit Perlen aus den Muscheln am Riff vor der Bucht. Die Perlenkette meiner sa’nok (Mutter). Sie muss diese selbst dort hingelegt haben als ich schon fort war. Ich fühlte mich auf einmal so unendlich schwach, fiel auf die Knie und brach in Tränen aus. Ich weinte all die Tränen, die ich so viele Jahre nicht geweint hatte, klagte und schrie. Ich ließ zu, was ich so lange underdrückt, verdrängt hatte.

Ich kann nicht sagen wie lange ich so da hockte. Ich stand auf. Es drängte mich, hier zum Baum der Seelen zu gehen, wie ich es als Kind tat. Mich zu verbinden, meinen endgültigen Frieden mit Eywa zu machen. Ich nahm meinen Bogen und ging hinaus. Mich traf keine Schuld. Eine tiefe, innere Ruhe durchströmte mich. Klarheit wich der Verwirrung. Dies also war es, 'alte' Pfade auf 'neuen' Füßen. Nimm die Dinge an wie sie sind, erkenne und lass los. Alles fließt. Was sich nicht bewegen kann, stirbt. Und ich will nicht sterben.
Bevor ich nun den Heimweg zu meinem Clan der Rey’engya antrat, blieb mir noch eines zu tun. Ich kehrte in den Kelutral zurück. Nahm den Köcher, den mir einst mein Bruder mit einem seiner Bögen mit gab. Ich zog alle Pfeile heraus, bis auf einen. Dann nahm ich einen meiner selbst gemachten neuen Pfeile und steckt diesen zu dem anderen dazu. Den Köcher legte ich in seinen Cocoon. Kehrt Teha’ney hier her zurück, würde er verstehen...

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