Mittwoch, 9. April 2014

Sä'eoio angäzìk / Ein schwieriges Ritual

Sey'syul fwew zeya tsengit na'rìngmì fwa kem si sä'eoio peyä.
(Sey'syu sucht einen besonderen Ort im Wald, um ihr Ritual abzuhalten.)

Irgendwie fühle ich mich heute Morgen wie jemand, der weiß, dass er ein stxeli (Geschenk) bekommt, der aber nicht weiß, wann er es bekommt und was es sein wird. Ein Kribbeln geht mir durch den Magen. Zusammen mit Sey'syu werden wir heute ihr erstes Ritual abhalten, das für sie ganz alleine ist. Um Eywa, unsere große Mutter zu Ehren und ihr zu danken, werden wir das Herz des von Sey'syu erlegtem Yerik (hirschähnliches Tier) an einem Ort vergraben, den sie, die erfolgreiche Jägerin,  ganz alleine auswählen wird. Da ich schon gestern alles vorbereitet hatte, um dem Tier das Herz entnehmen zu können, warte ich nun auf meine yawntu (Liebste). Sie schläft noch, stelle ich etwas belustigt fest. Offensichtlich hatte die gestrige Jagd ihr doch sehr viel abverlangt.

Aus Richtung des Torbogens kommt plötzlich Ne'wey zu mir gelaufen. Sie scheint aufgeregt zu sein, doch meine Vermutung, dass dies wegen des Rituals sein könnte, ist nicht zutreffend. Nach einer kurzen Begrüßung klärt sie mich darüber auf, dass Neo, der Forscher, vor unserem Lager wartet. Er hat wohl, so Ihre Vermutung, neue Nachrichten für uns, was unser Wasser und unser Land betrifft. Da Sey, um Neo unser Vertrauen zu zeigen, erlaubte, dass Neo bis zu unserem Kampfplatz ins Lager hinein kommen darf und wir dafür sogar eine kleine Feuerstelle dort errichtet haben, gehe ich zu Neo, um ihn dorthin zu führen.

Ne'weys leicht missmutige Blicke entgehen mir nicht, doch Sey hat es so entschieden und ich finde es Neo gegenüber ebenfalls angebracht. Dank seiner Hilfe sind die Röhren und das Gift aus unserem Land verschwunden. Auch wenn dies durch die Hand der sawtute (Himmelsmenschen) ausgelöst wurde, so ist es nicht Neo, der dafür die Verantwortung trägt. Der bemerkt natürlich auch gleich, dass wir mesawtute (zwei Himmelsmenschen) gefangen halten und fragt uns nach dem Grund dafür. Da ich Sey'syu mit dem Yerik helfen muss, entschuldige ich mich bei Neo und bitte Ne'wey, so lange bei ihm zu bleiben, da ein Gast nicht alleine im Lager bleiben sollte. Außerdem denke ich, lernt sie ihn dabei auch etwas näher kennen.

Ich gehe zurück zu unserer angehenden Kriegerin und zeige ihr, wie und wo sie schneiden muss, um einerseits das Fell unserer Beute möglichst wenig zu zerstören, gleichzeitig aber auch das Herz möglichst ebenso unbeschadet herauszulösen. Sey'Syu schaut mir genau zu, jedoch bemerke ich ihre leichte Aufregung. Ich glaube, so ergeht es einem jeden von uns und so muss und soll es auch sein. Ich lächle ihr zu...

Das Blut rinnt bereits nach dem ersten Stich Sey'syus aus dem Yerik (hirschähnlichen Tier)  und ich stelle zunächst eine große Schale darunter, um es aufzufangen. Sey'syu legt dann das Herz mit einer beinahe andächtigen Geste in diese Schale. Sie fragt mich, ob wir das Fell auch gleich noch abziehen wollen, was ich aber verneine. Sey, so weiß ich ziehmlich , wird Sey'syu gerne seine besondere Methode erläutern wollen, mit der sich Felle sehr leicht und ohne sie zu zerstören abziehen lassen. Da er es aber war, der diese Methode in unseren Clan einbachte, soll er es auch an unsere Schüler weiter geben.

Gemeinsam gehen wir dann zurück zu Ne'wey und Neo, dem man seine Freude darüber, dass er diesem, für sawtute (Himmelsmenschen) recht ungewöhnlichen Ritual, beiwohnen zu dürfen, sehr deutlich ansehen kann. Zwar habe ich zunächst einige Zweifel, ob ich ihm diese Erlaubnis geben kann, da Sey nicht anwesend ist, aber ich denke, unser olo'eyktan (Clanführer)  wird nichts dagegen haben. Wir verlassen dann zu viert das Lager. Sey'syu übernimmt die Führung der Gruppe, da nur ihr ja der Ort bekannt ist, an dem das Ritual stattfinden wird.

Stimmen, die uns freundlich begrüßen, lassen uns kurz bevor wir in den Wald hinein gehen, dann zunächst anhalten. Tac'ìri und Korlan sind wohl gerade auf dem Weg zu uns und als sie hören, was wir vor haben, schließen sie sich unserer Gruppe an. Natürlich sind die beiden über die Anwesenheit Neos nicht sehr erfreut, wie es mir scheint. Dennoch begleiten sie uns und schon bald bleibt Sey'syu vor einer kleinen slär (Höhle) stehen, um nur wenige Momente später im Dunkel derselben zu verschwinden. Wir hören nur einige Geräusche, warten aber zunächst ab, was weiter passieren wird.

In diesem Moment begreife ich, wohin Sey'syu uns zu führen beabsichtigt. Sie sucht den Ort auf, an dem wir sie einst fanden und der beinahe zu ihrem Grab geworden wäre, hätten wir sie nicht eher zufällig entdeckt.  Schon bald stellt sich dann aber heraus, dass Sey'syu sich geirrt hat, denn sie kommt, dabei etwas verärgert murmelnd, zurück und führt uns dann weiter in den Wald hinein. Vor einem etwas steileren Hügel bleibt sie dann abermals stehen und schon im nächsten Augenblick sehen wir, wie ihr Schweif im Dickicht vor uns verschwindet.

Begleitet von raschelnden Geräuschen klettert sie den Hügel hinauf und es dauert eine kleine Weile, ehe sie uns dann zuruft, dass sie die Höhle wieder entdeckt hat. Der Aufstieg ist etwas holprig und wir müssen an den glatten und feuchten Felswänden etwas aufpassen, um nicht abzurutschen. erreichen dann aber unser Ziel. Korlan und Tac'ìri, die als letzte der Gruppe folgen, schließen zu uns auf und gemeinsam betreten wir mit großer Vorsicht das dunkle Loch vor uns.

Nur langsam gewöhnen sich meine Augen an die veränderten Lichtverhältnisse, da nur wenige Lichtstrahlen ins Innere der slär (Höhle) fallen und uns daher auch nur eine sehr schwache Sicht ermöglichen. Die bläulich schimmernden Beeren, von denen Sey'syu berichtete, dass sie ihr während ihrer unfreiwilligen Gefangenschaft  ein paar Tage lang das Überleben ermöglicht hätten, geben ebenfalls ein schwaches Licht ab. Wirklich viel sehen können wir also nicht...

Sey'syu macht sich gleich daran, das Herz des Yerik (hirschähnliches Tier) unter einem kleinen Hügel aus herumliegenden Steinen, die sie mehr tastend zusammen sammelt, zu begraben. Eine für dieses Ritual sicherlich etwas ungewöhnliche und bisher von uns auch noch nie praktizierte Art und Weise, aber ich lasse sie gewähren. Tac'ìri und Korlan beobachten das Geschehen, so gut es geht, ebenfalls wortlos und interessiert. Sey'syu geht sehr behutsam vor und als sie dann fertig ist und ihre blutigen Hände auf den Steinhaufen legt, beginnt sie beinahe andächtig zu sprechen. Sie bedankt sich bei unserer großen Mutter, bedankt sich bei unserem tsmukan (Bruder),  ihrem Beutetier und sie dankt auch uns, dass wir sie alle diese Dinge gelehrt haben.
Ich empfinde Stolz und Freude für meine yawntu (Liebste), denn obgleich ich mir eigentlich einige Worte für dieses Ritual zurecht gelegt hatte, spreche ich diese nicht aus. Sey'syu hat bereits alles gesagt und ihre Worte klangen in meinen Ohren wunderschön. So mache ich nur eine kleine Anmerkung und danke Eywa auch noch einmal in kurzen Worten. Tac'ìri und Korlan sprechen auch einige Worte und nach einigen andächtigen Momenten, die wir noch hier an diesem Ort verweilen, machen wir uns auf den etwas beschwerlichen Weg aus der Höhle hinaus und schließlich nach unten.

Die Maguyuk (befreundeter Nachbarclan)  verabschieden ich von uns, nachdem wir wieder festeren Boden unter unseren Füßen haben, der nicht ganz so glatt und rutschig ist, wie der in dieser Höhle dort vor uns. Ein wenig glaube ich Ehrfurcht von Tac'ìri und Korlan ausgehend spüren zu können. Auch diesen beiden, sehr erfahrenen Kriegern dürfte dieses Ritual verdeutlicht haben, wie erwachsen und reif Sey'syu inzwischen geworden ist. Sie ist mittlerweile wahrlich alles andere, als eine numeyu (Schülerin) und nur zu gerne lasse ich mich von ihr an der Hand nehmen und zurück ins Lager führen.

Da wir beide doch etwas müde geworden sind, beschließen wir, am Feuer zu schlafen. So lege ich noch ein paar Holztücke in die Glut und während knisternd unzählige Funken aufsteigen, lege ich mich zu Sey'syu und wir schmiegen uns etwas aneinander. Sie lächelt mich zufrieden an und während ich beobachte, wie sie einschläft, spüre ich ebenfalls große Zufriedenheit in mir - und Liebe...

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Alle Bilder zu diesem RP findet Ihr in meinem flickr Fotoalbum.

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