Mittwoch, 8. Mai 2013

Kxawm oer layu prrnen / Vielleicht bekomme ich ein Baby

Prrnenìri tìpänkxo muntxatanhu oeyä vitrautraläo. 
(Gespräch mit meinem Ehemann über ein Baby uter dem Baum der Seelen.)

Angenheme Geräusche dringen in meine Ohren, als ich erwache. Ich höre, wie der laue Wind mit den Blättern der Bäume spielt und nehme mannigfaltiges Vogelsingen wahr. Trotz meiner sehr schwankenden Gefühle in den letzten Tagen freue ich mich sehr auf den heutigen Tag, der ein sehr schöner Tag zu werden verspricht, wenn ich den noch blassen Sonnenstrahlen glaube, die durch einige der Öffnungen in unsere Höhle dringen.

Das Geschenk für Seys sa'nok (Mutter) kommt mir in den Sinn und von einem zum anderen Moment bin ich hellwach und nehme den halbfertigen Umhang und meine Arbeitssachen mit nach unten, um mich damit ans Feuer zu setzen. Die Sonne erwärmt langsam unser Tal immer mehr und ich beginne mit sehr viel Freude, das Kleidungsstück weiter zu bearbeiten. Eine leise Melodie vor mich hin summend, versinke ich nach und nach immer mehr in meine Arbeit...

Urplötzlich ist wieder so ein merkwürdiges Gefühl in mir. Obwohl alles in Ordnung ist und ich eigentlich fröhlich und guter Laune bin, kommen mir Zweifel. Doch woran zweifle ich?  Ich habe keine Antwort auf diese Frage. Als ich mein Arbeitszeug langsam auf meine Knie sinken lasse, bemerke ich, dass mein muntxatan (Ehemann) vor mir steht. Mein Herz wird von einem heftigen Ruck durchfahren und ich stehe auf, um ihn zu begrüßen. Dabei fällt mir jedoch der Umhang herunter und es lösen sich zwei Federn, die ich daran befestigt hatte, was ohnehin schon sehr viel Geschick erfordert. 

Fauchend, mich über meine eigene Unachtsamkeit ärgernd, begrüße ich Winataron dann eher abweisend mit einem lustlosen: "Kaltxì, ma yawntu." ("Hallo, Liebster.") und werfe das Geschenk für Seys sa'nu (Mama) eher achtlos auf das Fell, auf dem ich bis gerade noch saß. Winataron bemerkt, dass etwas mit mir nicht stimmt und nimmt mich sehr zärtlich in seine Arme. Nach einem sehr liebevollen Kuss fragt er mich dann, ob etwas nicht mit mir stimmt. Aber so sehr ich es auch möchte, ich kann ihm, ebenso wie Dallan neulich, nichts genaues sagen. Daher erkläre ich ihm so gut ich es kann, was ich im Moment empfinde.

Wie gut er mich doch kennt, bemerke ich dann im nächsten Augenblick, denn er deutet mit seinem Kopf in Richtung des Baumes der Seelen und fragt mich, dabei lächelt er sanft, ob ich mit ihm dort hin gehen mag, damit wir beide uns gemeinsam mit dem Baum verbinden könnten?  Wina schafft es einfach immer wieder, mich zu leiten, mich zu führen, ohne mich jedoch zu bevormunden oder zu etwas zu zwingen. Seine herzliche und warme Art ist es, die ich so unsagbar an ihm liebe. Alleine wie mich seine wundervollen, dunklen Augen gerade ansehen... Ein Schauer läuft mir über den Rücken... Ich liebe ihn und und seine Art einfach von ganzem Herzen.

Durch unsere gemeinsame Verbindung zu dem Baum bedarf es an sich keinerlei gesprochener Worte zwischen uns und dennoch sage ich ihm bestimmt unzählige Male, wie sehr ich ihn liebe und dass ich mir gerade sehr wünsche, dass er mir Halt gibt. Und genau dies tut er durch seine bloße Anwesenheit, durch seine Umarmungen, seine Zärtlichkeiten und dadurch, dass er mir zuhört, was bestimmt im Augenblick nicht leicht für ihn sein mag. Zu verworren sind meine Versuche, ihm meine Gefühle zu schildern und auch meine Ängste, von denen ich selber nicht weiß, woher sie so plötzlich kommen.

Als ich dann bemerke, dass mittlerweile schon wieder die Abenddämmerung begonnen hat, wird mir erst klar, wie lange wir hier so eng umschlungen und durch unsere Zöpfe mit dem Baum der Seelen verbunden unter diesem stehen. Mein yawntu (Liebster) hört mir nahezu unermüdlich zu, tröstet mich, spricht mir gut zu und gibt mir die Zuversicht, die mir augenblicklich zu fehlen scheint. Nach und nach wird mir, nicht zuletzt auch durch seine Äußerungen und Vermutungen, dann klar, woher meine so plötzlichen Stimmungsschwankungen und Ängste kommen könnten. Dallan vermutete es auch schon und ich begreife langsam, dass es nun vielleicht endlich so weit ist und dass ich wohl bald sa'nu (Mama) werden könnte. 
Mir wird es etwas mulmig zumute, obgleich ich mich innerlich so sehr darauf freue. Aber vor was habe ich immer wieder solch große Angst, dass ich am liebsten weinen möchte?  Auch wenn wir es noch nicht ganz sicher wissen, bin ich dennoch schon jetzt unheimlich stolz auf meinen muntxatan (Ehemann), dass wir beide es vielleicht geschafft haben, was er selber noch vor einiger Zeit bezweifelte. Langsam lassen wir uns zu Boden gleiten, umarmen uns immer wieder sehr innig und voller Liebe und ich spüre, wie er mich innerlich stärkt und wie er mir Zuversicht gibt und die Kraft, das nun Kommende zu begreifen und auch durchzustehen.

Wir er mir vorhin, als wir noch gemeinsam am Feuer saßen, riet, werde ich mit Kee, unserer Tsahìk (spirituelle Clanführerin) und meiner besten Freundin, darüber reden und hoffen, dass sie meine Gefühlsausbrüche versteht und nicht gekränkt oder verletzt ist, wenn ich sie vielleicht unüberlegt anfahre oder ihr etwas sage, was ich im selben Moment bereuen werde. Doch ich glaube, dass sie es nachvollziehen kann, ebenso wie ich es von Sey auch vermute - Nein, ich weiß es!


Ein Gefühl überkommt mich und ich möchte urplötzlich mit Wina am liebsten sehr intim werden und ihn lieben, spüre zugleich aber auch, dass mich die Müdigkeit etwas übermannt. Wieder ist er es, der mir mit einem bloßen Vorschlag zeigt, wie sehr er mich liebt, denn er schlägt vor, dass wir uns in unseren Cocon legen, uns mit unseren Zöpfen direkt miteinander verbinden und so gemeinsam einschlafen könnten. Nichts auf der Welt würde ich jetzt lieber machen und so machen wir uns schließlich auf den Heimweg.

Eng aneinander gekuschelt in unserem Cocon liegend reichen wir uns gegenseitig unsere Zopfenden, beobachten, wie sich die Nervenstränge gegenseitig umschlingen und dann...  Es ist immer wieder ein wundervolles Gefühl, Winatarons Nähe so direkt zu spüren und ihm ohne Worte so viel mehr sagen zu können, als es die Wörter unserer Sprache jemals zulassen würden.

Als ich ihm dann durch unsere Verbindung zu verstehen gebe, dass ich ihn liebe, geschieht etwas neues und merkwürdiges. Nicht nur dass wir beide fast gleichzeitig einschlafen, wie aus dem Nichts formen sich in meinem Geist die Worte: "Wir lieben Dich, ma Winataron." und mir ist für einen Moment, als hätte nicht ich diese Worte gedacht, sondern jemand oder etwas anderes... Etwas in mir...


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