Freitag, 31. Mai 2013

Ylltxepro / An der Feuerstelle

Sunu oer fwa ultxa si Kee'lanee nìmun. Slä... pesengit tok Winataronil?
(Ich freue mich, Kee'lanee wiederzusehen.. Aber wo steckt Winataron?)

Eine freundliche Stimme erreicht meine Ohren und, noch bevor ich meine Augen aufschlage und realisiere, wer vor mir sitzt, gilt mein erster Gedanke meinem muntxatan (Ehemann) Winataron. Doch es ist Kee'lanee, die mir freundlich gegenüber sitzt. Nach einer sehr herzlichen Begrüßung berichtet sie von ihrer Reise zu einer sehr alten Tsahìk (spirituellen Clanfüherin) und erzählt, dass sie einige Tage länger bei ihr verbracht hat, da es ihr sehr schlecht ging. Kee hat Tsìlpey auf dem Arm und ich bemerke, dass unsere kleine Jägerin wieder ein kleines Stückchen gewachsen ist. 

Als ich Kee dann davon berichte, ich kann meine Freude darüber einfach nicht zurück halten, dass ich mein Baby immer öfter und deutlicher spüren kann, fragt sie mich, ob sie einmal fühlen dürfe. Diesen Wunsch spreche ich ihr natürlich nicht ab und nach einer Weile sagt sie mir mit sehr glücklichem Blick: "Deinem Kind, ma Kxìrya, geht es sehr gut.", was in mir ein unbeschreibliches Gefühl von Glück und gleichzeitig auch Liebe auslöst.

Doch Kee bemerkt, dass mich auch etwas bedrückt und so antworte ich auf ihre Frage, dass Wina mir nicht gesagt hatte, wohin er geht und was er vor hat und dass mich das etwas verärgert. Doch offensichtlich hatte ich in dem ganzen Trubel während unseres Kampfes gegen das Drachenschiff der sawtute (Himmelsmenschen) nur nicht mirbekommen, dass Kee ihn zu einem befreundeten Clan geschickt hat, damit er notfalls Verstärkung holen könnte. Sie erklärt mir dann weiter: "Und außerdem wolle er etwas besonderes für Euch machen. Er sucht nach einem besonderen Holz, aus dem er eine Wiege für Euer Kind machen möchte."

Nun bin ich plötzlich innerlich einerseits sehr glücklich, weil ich weiß, dass es ihm gut geht und dass er sich um uns beide sorgt, andererseits bin ich aber immer noch etwas verärgert. Aber nun eher über mich, denn diese Gefühlsschwankungen stören mich immer wieder sehr, weil ich nichts dagegen tun kann. Wäre er jetzt hier, ich hätte ihn vermutlich zu unrecht angefahren und ihn im selben Moment um Verzeihung bittend umarmt. Es ist manchmal einfach so unglaublich schwer, diese Gefühle im Zaum zu halten. Hoffentlich zerbreche ich damit nicht ungewollt irgendetwas zwischen uns...?  Ich liebe ihn sehr...  Aber ich verletze ihn auch immer wieder...

Mit einem gekonnten Sprung landet Sey dann genau vor dem Fell, auf dem wir gerade sitzen. Stolz schaut er zu seiner 'ite (Tochter) und zu seiner muntxate (Ehefrau) und nimmt Tsìlpey dann liebevoll zu sich auf den Arm, um mit ihr zu spielen.. Während sich Kee und Sey ein wenig unter sich unterhalten, hole ich meine neueste Arbeit aus der Höhle. Für unser bevorstehendes Fest möchte ich mir ein Stirnband machen. Kee scheint es sehr zu gefallen, ich muss aber zugeben, dass die Idee eigentlich von Nìm'wey stammt. Ich hatte ihr zugeschaut, als sie ihr neues Gewand machte und da kam mir der Gedanke, so etwas herzustellen.

Tsìlpey ist heute ganz auf ihren sempul (Vater) fixiert und er kümmert sich sehr rührend um sie. Einige Momente lege ich meine Arbeit zur Seite, denn in mir formen sich Bilder. Ich sehe meine eigene kleine Familie vor Augen. Wina mit stolzem Blick und seinem Kind im Arm, ich an seiner Seite. Das ganze im Kreise der Rey'angya...

Ein Geräusch unterbricht meine Gedanken und dann sehe ich plötzlich Txu ankommen. Er macht einen etwas ausgezehrten Eindruck und er trägt ein kleines Yerik (hirschähnliches Tier) auf seinen Schultern. Gerade erst heute morgen in aller Frühe hatte er mir gesagt, dass er versuchen wolle, etwas Fleisch für unser Fest zu besorgen. Doch noch bevor ich ihn fragen kann, warum er ausgerechnet ein Jungtier erlegt hat, erklärt er es uns: "Es war bereits verwundet...", sagt er, "und ich habe ihm damit nur unnötig viel Leid erspart."

Er setzt sich auf einen Tee kurz zu uns, weil er die Beute noch verarbeiten will und als Kee dann bemerkt: "Ich glaube, ma Sey, er ist so weit.", strahlt Txuratxan auf einmal über das ganze Gesicht. Sey bemerkt dann mit einem Blick zu den Iknimayabergen (schwebende Felsen) hinauf, dass wir dort wohl sehr bald hinauf klettern werden. Doch zuvor möchte er alleine mit Txu in den Wald gehen, um sich von dessen Fähigkeiten zu überzeugen.

Txu macht sich dann an die Arbeit, die Beute zu Häuten, sie zu zerlegen und das Fleisch dann in unserer Höhle zu deponieren. Dann, er hatte es uns vorher angekündigt, ist er verschwunden, um sich auszuschlafen. Sey macht einen sehr stolzen Eindruck, als er Txus Arbeit lobend erwähnt und ich muss ihm Recht geben. Txu bringt sich wirklich sehr in den Clan ein und hilft, wo er nur kann. Ich glaube, darum hat Sey auch nichts dagegen, dass Txu so oft, obwohl er noch ein numeyu (Schüler) ist, alleine in den Wald geht.

Beinahe gleichzeitig stehen wir dann auf, um uns ebenfalls schlafen zu legen. Im Vorübergehen fällt mir auf, dass Txu wirklich gute Arbeit gemacht hat. Ich lege mich dann in meinen Cocon und blicke kurz zu Kee, Sey und Tsìlpey herüber. Eine kleine Familie in einem Cocon. Mit diesem Bild vor Augen schlafe ich dann ein...

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