Dienstag, 28. Mai 2013

Tsam sawtutewä / Krieg gegen die Himmelsmenschen

Frasmukan sì frasmuke 'efu meyp slä ayyora'tu ayoe lu!
(Alle Brüder und Schwestern fühlen sich schwach, doch wir sind die Sieger.)

Ma Eywa, war das eine Nacht. Winataron und ich wurden, nachdem der Kampf gegen die sawtute (Himmelsmenschen) von den Rey'engya gewonnen wurde, von Sey zur Nachtwache abgestellt. Offenbar befürchtete Sey, dass sich vielleicht doch noch irgendwo sawtute (Himmelsmenschen) versteckt haben, um uns dann im Schlaf zu überraschen. Aber es war alles ruhig.

Wina und ich sitzen also am Feuer und zunächst schweigen wir lange. Doch nicht, weil wir uns nicht mögen, es sind vielmehr die persönlichen Sorgen und Ängste, die uns beschäftigen. Er ist es dann auch, der das Schweigen bricht, indem er sagt: "Ma tsmukan (Bruder), ich mach uns mal etwas zum Essen. Du hast doch sicher auch Hunger?"

Ich nicke ihm zu und beobachte, wie er zwei große Stücke Fleisch auf das Feuer legt. "Wie geht es Deiner muntxate (Ehefrau)?", frage ich und ich meine damit nicht die Verletzungen, die Kxìrya von dem Kampf davon getragen hat. Meine Sorge gilt eher ihrem Baby. Auch wenn ich im Augenblick nicht so sehr viel mit Kindern anfangen kann, ich mag sie dennoch. Sicher weiß ich aber, dass Kxìrya daran zerbrechen würde, wenn mit ihrem Kind etwas nicht in Ordnung wäre. Sie hat so lange darauf gewartet und ist nun so voller Freude darüber...

Wina lächelt mich sanft an und brummt mit seiner markant tiefen Stimme: "Es ist alles in Ordnung, sie wurde von..." Er unterbricht sich, denn ihm fällt Nìm'weys Name nicht ein. Ich helfe ihm dabei und er schaut mich an: "Ist sie neu bei uns? Ich habe sie noch nicht sehen können. Aber sie hat meine yawntu (Liebste) offenbar sehr gut versorgt."

Ich erzähle ihm, was ich bisher von ihr weiß und als er hört, dass sie Ma'wey fast wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich sieht, muss er lächeln. Als er jedoch hört, dass sie aus dem selben Clan kommt, in dem auch er, Winataron, zuletzt gelebt hat, da wird er ernst. Er ist sehr überrascht, denn er kann sich nicht an sie erinnern. "Ich werde mich so bald wie möglich mit ihr unterhalten." versichert er mir mit einem freundlichen Eindruck.

Dann ist unser Fleisch fertig und wir essen. Es ist wieder still und nur die Geräusche der nachtaktiven Tiere und das leise Rauschen des Wasserfalls sind zu hören. Ab und zu summt ein Insekt an meinen Ohren vorüber. "Und...", fragt mich Wina dann kauend: "wie geht es mit Dir voran? Bald ist doch sicherlich Dein Iknimaya (Prüfung für Jäger und Krieger)?"  Ich nicke ihm zu: "Sey will mit mir bald alleine zur Jagd gehen." entgegne ich, nutze die Gelegenheit aber, um ihm die selbe Bitte zu stellen, da wir, weshalb auch immer, nicht so sehr viel gemeinsam unternehmen.

Er schaut mich zuerst an, ohne dass sein Ausdruck sich ändert. Dann nickt er lächelnd: "Ich würde gerne einmal zusammen mit Dir jagen. Ma'wey und Kxìrya haben ja schon einige Male berichtet, dass Du große Fortschritte machst und sehr eifrig bist."  Als er Ma'weys Namen erwähnt, sehe ich sie kurz vor mir. Lange war sie nicht hier und seit Nìm'wey da ist, fällt es mir noch schwerer, nicht an sie zu denken, weil die beiden sich so unglaublich ähnlich sehen.

Wina reißt mich aus meinen Gedanken: "Was ist los? Bist Du müde, tapferer Jäger?" und klopft mir, mit seiner tiefen Stimme lachend, auf die Schulter. Wir beschließen dann, einige Schritte um das Lager herum zu gehen, um nach ungewöhnlichen Dingen Ausschau zu halten, doch außer einem fkio (flamingoähnlicher Vogel), der aus einem Baum davon fliegt, geschieht nichts besonderes.

Wieder am Feuer sitzend unterhalten wir uns dann wieder, ohne dabei jedoch unsere eigentliche Aufgabe zu vernachlässigen. Wina erzählt mir einiges von sich, seinem alten Clan, wie er Kxìrya kennen lernte und wie sie dann seine Lehrerin und später sogar seine muntxate (Ehefrau) wurde. Auch ich erzähle ihm von mir und wie mein Clan von den sawtute (Himmelsmenschen) vernichtet wurde. Ich erzähle von meinem Bruder Nay, der seit unserer Flucht durch die Wälder verschollen ist und ich berichte, wie ich zu den Rey'engya kam. Dann habe ich wieder Ma'weys Bild im Kopf...

Als die Sonne weit hinten über dem großen Ozean aufgeht, werden wir nach und nach immer müder, können unsere Augen nur noch mit großer Anstrengung offen halten. Ich glaube, Wina ist mindestens so froh wie ich, als Kxìrya dann fröhlich und ausgeschlafen  am Feuer erscheint: "Rewon lefpom ma mesmuk  ("Guten Morgen ihr beiden.")." Wina und sie begrüßen sich, wie immer, sehr liebevoll und in diesem Moment würde ich sehr gern Ma'wey in den Arm nehmen...

Kxìrya schickt uns dann nach oben, damit wir uns nun auch ausschlafen können. Ich bin wirklich todmüde und kann kaum ein Bein vor das andere setzen, als wir in unsere Höhle gehen. Ich lasse mich einfach auf einen Cocon fallen und...

Ein lauter Knall lässt mich hochschrecken und ich verspüre einen etwas stechenden Schmerz an meinem Hinterkopf. Ich schrecke hoch. Doch als ich realisiere, dass ich in unserer Höhle bin, weil Wina ein Stück weiter leise brummend in seinem Cocon liegt, schaue ich mich stirnrunzelnd um. Dann erst begreife ich, was passiert ist.

Ich hatte mich wohl offenbar falsch herum in den Cocon gelegt und als ich mich dann im Schlaf gedreht habe, gab das schmale Ende nach und ich fiel auf den Boden, auf dem ich nun sitze. Im nächsten Moment steht Kxìrya vor mir und fragt, was denn geschehen sei?

Als sie sieht, was ich nicht verheimlichen kann, lacht sie prustend und muss sich den Bauch halten. Ich kann es ihr nicht einmal übel nehmen. Doch, und ich kenne sie nicht anders, sie ist dann sehr bemüht, als sie mir etwas kühlendes auf die Beule legt, die sich inzwischen gebildet hat. Es tut ordentlich weh und ich ärgere mich über mich selber.

Sie hilft mir dann wieder, mich in den Cocon zu legen, nur diesmal richtig herum. Sie legt mir noch etwas weiches unter den Kopf, damit es beim Liegen nicht ganz so weh tut. So lege ich mich wieder hin und muss daran denken, dass ich hier, im Clan der Rey'engya, nun wirklich zu Hause bin....

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