Dienstag, 9. April 2013

Dallanìri srung / Hilfe für Dallan

Rey'engya fmi srung sivi tawtute alu Dallan fwa tsun sleykivu mipa ya
(Die Rey'engya versuchen dem Himmelsmenschen Dallan zu helfen, damit er neue Luft produzieren kann)

Schon sehr früh, es ist noch am dämmern, stehe ich auf und gehe ins Tal der Stimmenbäume. Der leichte Morgentau ist zwar etwas kühl an meinen Füßen, aber das macht mir nichts aus. Eine lange Zeit sitze ich dann, verbunden mit einem der Stimmenbäume, am Ufer des Flusses und lausche unseren Ahnen. Ich höre ihre Lieder. Einige von Ihnen erzählen ihre alten Geschichten und ich nehme viele Gefühle und Eindrücke von ihnen in mir auf. Die Zeit vergeht und irgendwann trenne ich meine Verbindung von dem Baum und mache mich auf den Wen zurück zu unserem Lager.

Als ich durch die kleine Schlucht komme, dringt ein mir inzwischen sehr vertrauten Geräusch in meine Ohren und ich gehe etwas in Deckung, um den kleinen syaksyuk (Affen), der in der letzten Zeit häufig um unser Lager schleicht, nicht zu verängstigen. Doch er hat mich wohl schon gehört oder gesehen, denn er verschwindet quiekend im Unterholz des angrenzenden Waldes.
So gehe ich, fröhlich über diese Begebenheit, zum Lager und treffe auf Kee'lanee, die gerade eben mit der kleinen Tsìlpey von ihrem Ikran absteigt. Sie hat jedoch nicht nur ihr Kind dabei, sondern lädt nach und nach einige fremdartig aussehende Gegenstände unweit unserer Feuerstelle ab. Sie drückt mir ihr Töchterchen liebevoll in meine Arme, was mir jedes mal mein Herz sehr viel höher schlagen lässt, und beginnt dann, die Sachen zu einem großen Haufen aufzutürmen. Jetzt erkenne ich, dass es sich offenbar um Dinge handelt, die von den sawtute (Himmelsmenschen) stammen, denn einige Sachen kommen mir etwas bekannt vor.

Als Sey dann, offenbar war er ebenfalls im Wald unterwegs, ebenfalls zu uns kommt, begrüßen wir uns und Kee beginnt zu erklären, was es mit den vielen Sachen auf sich hat. Sie hat eine Reise in unser altes, von einer Seuche fast völlig zerstörtes, Tal gemacht und aus der dortigen Behausung der damals dort lebenden Menschen all diese Sachen in der Hoffnung, dass Dallan es damit schafft, seine Maschinen zur Lufterzeugung reparieren zu können, geholt. Sie ist sehr mutig, denn mein muntxatan (Ehemann) Winataron war ja auch erst kürzlich dort und er hatte schreckliches berichtet.

Kee bestätigt Winas Erzählungen und wir schauen uns dann die vielen Dinge an, mit denen wir zum größten Teil nichts anzufangen wissen. Wir wissen ja bei sehr vielen Teilen nicht einmal, wie sie heißen und woher sie kommen. Dennoch räumen wir alles vorsichtig zur Seite, um es Dallan zu zeigen, wenn er uns wieder einmal besuchen sollte, da wir ebensowenig wissen können, ob und welche dieser Teile für uns Gefahren in sich bergen.

Doch Kee'lanee hat auch Pflanzen mitgebracht und während wir sie betrachten und darüber sprechen fällt uns auf, dass diese Pflanzen in unserer Luft überleben und wachsen können. Wir stellen uns die Frage, wie dies möglich ist und kommen zu der Vermutung, dass sie sich vielleicht angepasst haben, um in der für sie fremden Umgebung leben zu können. Unsere Pflanzen machen dies schließlich auch, wenn sich ihr Lebensraum sehr stark verändert. Warum, so ist unsere Hoffnung, sollte das bei den Pflanzen der Himmelsmenschen nicht möglicherweise genau so sein?

Wir reden dann noch eine Weile, bevor Kee sich dann verabschiedet. Verständlich, denn nach einer solch anstrengenden Reise, noch dazu mit einem kleinen Kind, muss sie einfach müde sein. Sey bleibt aber noch mit Tsìlpey und mir am Feuer und wir beginnen, mit der Kleinen zu spielen. Einen kleinen Stock hatte ich ihr vorhin schon ins Händchen gegeben und sie war wohl sehr begeistert davon, mich damit zu bearbeiten. Ich mag dieses kleine Bündel so unglaublich gern bei mir haben. Sey und Kee können sich gar nicht vorstellen, was für ein großes Geschenk sie mir jedesmal damit machen, wenn ich sie mal zu mir nehmen darf und sei es auch nur für einen kurzen Moment...

Dass der Abend noch lange nicht zu ende ist, ahnt zu diesem Zeitpunkt noch niemand von uns dreien. Wir singen gemeinsam, ich lasse die Kleine auf meinen Knien sitzend reiten und wir lachen viel. Tsìlpey ist heute sehr aufgeweckt und so geschieht, was irgendwann einmal geschehen musste. Vor lauter Aufregung, Lachen, Reiten und Herumtollen spüre ich dann plötzlich, dass mir etwas an meinen Beinen hinunter läuft. Tsìlpey hat einem ganz natürlichen Drang nachgeben müssen, aber was soll´s? Ich reiche sie kurzerhand an Sey weiter und gehe zum Fluss, um das Missgeschick zu beseitigen.

Als ich so im Wasser hocke, kommen mir aber plötzlich sehr starke Gedanken an meine Zukunft mit Winataron. Werde ich selber einmal ein Kind haben?  Gut, dass Sey nicht sehen kann, dass ich deshalb einige Tränen in den Fluss vergieße. Als ich dann zu ihm zurück gehe, muss ich mich etwas zusammenreißen, denn es war eine so ausgelassene Stimmung vorhin und die mag ich nicht zerstören. Er bemerkt es aber dennoch und spricht mich an. Es vergehen jedoch nur wenige Augenblicke und dann lachen, singen und tollen wir drei weiter am Feuer herum.

Schließlich setze ich mich an unsere Trommel und, mag Eywa den Grund dafür kennen, ich jedenfalls nicht, beginne ein Lied zu singen. Den Text dazu improvisiere ich, weshalb dieses Lied wohl eher nicht in die Liedersammlung der Na'vi Völker eingehen wird. Aber wir haben Spaß. Tsìlpey ist überaus interessiert an den Klängen unseres Instrumentes und ich glaube, auch Sey hat Spaß, denn er beginnt, mit seiner Tochter auf dem Arm, um das Feuer herum zu tanzen.

Wie lange ist es her, dass ich so etwas erlebt habe?  Ich kann die Tage gar nicht zählen. Doch wie es scheint, ist hier in unserer neuen Heimat einiges ganz anders, als damals in unserem alten Clan. Nach einer Weile geht mir etwas die Puste aus und ich stelle den Gesang und auch das Trommelspielen ein. Genau zur richtigen Zeit, wie ich feststelle, denn ich höre etwas. Ein Geräusch, dass aus Richtung unseres Torbogens, der am Eingang zu unserem Lager steht, kommt, lässt mich aufhorchen und ich gebe Sey ein Zeichen, sich hinzuhocken. Es war wieder der kleine syaksyuk (Affe). Ich habe ihn gerade noch ins Dickicht flüchten sehen. Wir hören nur noch einige Momente lang sein Glucksen und Quieken, dann ist es wieder still.

Auch Sey scheint ihn gesehen zu haben, denn er lächelt mich zufrieden an. Ich erkläre ihm, dass ich das Tier bereits einige Male beobachtet habe, wie es neugierig um unser Lager herum geschlichen ist. Es ist mittlerweile sehr tiefe Nacht geworden und Tsìlpey hat nun auch, müde von all den vielen Aktionen, ihre Augen geschlossen und gluckst nur noch leise. Sey beschließt dann, mit ihr schlafen zu gehen.

Ich bin zwar auch etwas müde, will aber unbedingt noch zum Baum der Seelen hinüber gehen, um dort für meinen muntxatan (Ehemann) noch einmal zu Eywa zu sprechen und die große Mutter zu bitten, dass sie auf ihn aufpassen möge, denn er ist wieder unterwegs. Mit Gedanken an ihn und Tsìlpey gehe ich dann eine ganze Zeit später ebenfalls zur Höhle zurück und lege mich in meine Hängematte. Eine Weile lang höre ich noch das Knistern des Feuers und Sey, der im Schlaf hin und wieder vor sich hin schnurrt, dann übermannt auch mich der Schlaf...

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