Sonntag, 21. April 2013

Irayoä ftxozä a'awve oeyä / Mein erstes Dankfest

Ftxozä irayoä oeyä ulte swoa a'awve oeyä
(Mein erstes Dankfest und mein erster Alkohol?)

Wieder einmal bin ich alleine im Wald unterwegs, nachdem ich vor einigen Tagen meine yawntu (geliebte Person, Freundin) Ma'wey getroffen hatte. Wir waren dann zusammen in unsere Höhle gegangen, um dort zu schlafen. Doch es hatte mich gleich am nächsten Tag wieder hinaus in die Wälder gezogen. Hier in unserem Tal gibts so unglaublich viel zu entdecken und sei es nur ein kleines Tier, eine bisher noch nie gesehene Pflanze oder etwas anderes. Ab und zu kommt der kleine syaksyuk (Affe), der hier irgendwo im Wald leben muss, zu mir. Fast vermute ich, dass er keine Familie hat, denn er ist immer alleine, wenn ich ihn treffe. Auch an diesem Morgen kommt er auf einen kurzen Besuch vorbei. Ich glaube, er wird nach und nach immer zutraulicher, je länger und öfter wir uns sehen.

Aber ich werde nicht versuchen, ihn einzufangen, denn er ist ein freier tsmukan (Bruder) wie ich und daher freue ich mich einfach nur, wenn ich mit ihm zusammen treffe. Vielleicht gelingt es mir ja einmal, dass Ma'wey ihn auch sieht. Neulich flüchtete er hastig, als sie bei mir im Wald auftauchte. Als ich mich dann auf den Weg ins Lager mache, ahne ich noch nicht, was in den letzten Tagen alles geschehen ist...

Bereits bevor ich den Torbogen vor unserem Lager erreiche, fällt mir ein großes, brennendes Feuer auf, um das kreisförmig viele brennende Fackeln herum stehen. Am Eingang unserer Höhle erkenne ich Kxìrya, die ihr wirklich schönes und sehr aufwändiges, weißes Gewand trägt. Ich frage mich, ob etwas besonderes ansteht, wie eine Feier oder ein Ritual?  Bislang hatte ich nichts dergleichen mitbekommen und auch Ma'wey hat bei unserem letzten Treffen nichts erzählt.

So gehe ich geradewegs auf Kxìrya zu, Winataron und Sey stehen neben ihr, und begrüße die Gruppe freundlich, frage aber, was ich denn wohl verpasst habe?  Was ich jedoch dann erfahre, lässt mich etwas nachdenklich werden. Die Drei berichten mir davon, dass erst vor einigen wenigen Tagen alle Ikrane (Banshees), fast so als wären sie Steine, todkrank vom Himmel gefallen. Dank Kees Heilmittel konnten die Rey'engya den Tieren aber doch helfen, diese merkwürdige Krankheit zu überwinden.

Ein etwas beklemmendes Gefühl überkommt mich, weil ich nicht da war und ihnen helfen konnte. Ich entschuldige mich, aber Sey erklärt mir ohne jeglichen Vorwurf, dass ich mir keine Vorwürfe zu machen hätte. Ich sei im Wald unterwegs gewesen, als es passierte, und könne daher ja gar nichts mitbekommen haben. Da schon alles vorbereitet ist, lädt er mich ein: "Ma Txu, heute wollen wir Eywa für ihre Hilfe danken und nach dem Ritual werden wir feiern.

Wir gehen dann gemeinsam zum Baum der Seelen, wo unsere Tsahìk (spirituelle Clanfürerin) uns bereits erwartet. Mir fällt gleich ihr überaus hübsches und zeremonielles Gewand, das mit sehr vielen Federn geschmückt ist, auf. Aber bevor es log geht, muss ich sie einfach ansprechen, um mich auch bei ihr zu entschuldigen, dass ich nicht helfen konnte. Sie begegnet mir jedoch ebenso, wie der Olo'eyktan (Clanführer) vorhin und erklärt mir, dass ich mir keine Gedanken machen solle.

Dann beginnt das Ritual und Kee stimmt ein Lied an, nachdem wir uns unter dem Baum der Seelen nieder gesetzt haben. Zunächst ist es nur eine Melodie, als Kee jedoch einen Vers dazu singt, mit dem sie sich bei unserer großen Mutter für alles bedankt, bemerke ich ihre wundervolle Stimme. Noch nie zuvor hatte ich sie singen hören. Sie fordert uns alle dann auf, dass jeder ihrem Lied einen eigenen Vers hinzufügen möge. Den Anfang macht Winataron, Kxìryas muntxatan (Ehemann), dessen tiefe Stimme in einem direkten Kontrast zu Kees weicher und sehr weiblicher Stimme steht.

Als Kxìrya, die ebenso wie Kee eine sehr wohlklingende Stimme hat, dann an der Reihe ist und ihren Gesang beginnt, überkommt mich ein etwas beklemmendes Gefühl, weil ich einfach kein Sänger bin und vermute, dass ich mit meiner Stimme die Stimmung etwas zerstören könnte. Aber es gibt kein Entkommen für mich und so singe ich, als Kxìrya mich dann anschaut, einfach drauflos. Nach mir ist dann Sey an der Reihe, der zwar auch etwas singt, aber ich bin etwas erleichtert darüber, dass auch er offenbar eher ein Jäger als ein Sänger ist. Dennoch ist es einfach ein mitreißendes Gefühl zuzuhören, wie sich jeder Einzelne bei Eywa bedankt und einige auch noch den einen oder anderen persönlichen Wunsch an die große Mutter richten.

Dann gehen wir zurück zum Lager. Kxìrya hatte sich wohl etwas besonderes zum Essen einfallen lassen und als sie uns dann, dabei auf mehrere Schalen mit Fleisch, Teylu, Früchten und anderen leckeren Dingen deutend erklärt, dass sich jeder seine Spieße selber nach eigenem Geschmack zusammenstellen und braten kann, warte ich nicht lange, sondern greife gleich zu. Sey holt dann noch einen Krug, den er, wie ich glaube, versteckt hatte und verteilt ein offenbar besonderes Getränk, das von allen mit großer Freude angenommen wird.

Auch mir schenkt er einen Becher von seinem, wie sie es nennen, Beerenwein, ein. Gleich nach dem ersten Schluck muss ich jedoch erkennen, dass ich offenbar etwas zu viel oder zu hastig getrunken hatte. Ein fast schneidendes Gefühl läuft mir die Kehle hinunter und ich beginne hechelnd nach Luft zu schnappen. Also dieser Wein hat es wirklich in sich, obgleich sein Geschmack sehr fruchtig ist. Offenbar bin ich jedoch der Einzige, dem das Trinken solche Schwierigkeiten bereitet, denn Winataron, Kee und die Anderen scheinen über meine Reaktion eher belustigt zu sein. Aber das macht mir nichts aus, irgendwann probiert man eben alles zum ersten Mal...

Die Stimmung wird sehr ausgelassen und wir reden über vielerlei Dinge, lachen viel und es werden auch noch einige Becher Wein geleert. Nur ich halte mich zurück, denn es dauert nicht lange, als sich in meinem Kopf alles anfängt zu drehen.

Kee fragt dann, wie es mit meiner Ausbildung vorwärts geht und Kxìrya erläutert ihr, was ich bei ihr schon so alles gelernt habe. Kxìryas Beurteilung ist, wie ich feststelle, überaus positiv und auch Sey erklärt, dass ich wohl schon sehr bald weit genug sein werde, um meine erste Prüfung, das Iknimaya (Prüfung für Jäger und Krieger), anzutreten. Allerdings will er mich zuerst noch auf eine Jagd begleiten, um sich ein genaues Bild von mir machen zu können.

Ein wenig erfüllt es mich mit Stolz, was Sey und Kxìrya sagen und ich frage mich, was Ma'wey wohl sagen wird, wenn es endlich so weit ist?  Überhaupt fällt mir gerade auf, dass sie heute nicht anwesend ist, was ich ein wenig bedauere. Ich hätte dieses Fest gerne in ihrer Nähe verbracht. Hoffentlich ist ihr nichts zugestoßen?

Als ich dann wieder meine Augen aufschlage, scheint sich alles um mich herum noch etwas mehr zu drehen scheint und dass mich zwei dunkle Augen anblicken. Ich muss wohl eingeschlafen sein. Winataron hockt etwas schwankend und müde vor mir. Er legt mir freundschaftlich seine Hand auf die Schulter und bietet mir an: "Ma tsmukan (Bruder), wollen wir in die Höhle gehen und uns ausschlafen? Meine muntxate (Ehefrau) und die Anderen sind noch drüben am großen Feuer und tanzen."  Da mir nach viel reden nun gar nicht zumute ist, nicke ich ihm nur müde zu: "Srane."

Sehr schwankend gehen Wina und ich dann, dabei uns gegenseitig stützend, zur Höhle und ich bin Eywa sehr dankbar, als ich mich dann hinlegen kann. Ich möchte nur noch schlafen...

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