Dienstag, 23. April 2013

Tìtaron afe' / Eine schlechte Jagd

Taron oel yerikit slä ke tspang pot. Olo'  srung si oer fte tsun rivun fìtsmukan. 
(Ich jage ein Yerik, aber töte es nicht. Der Clan hilft mir, den Bruder zu finden.)

Dass dieser Tag einerseits zunächst so schlecht verläuft, andererseits aber dann doch so gut endet, hätte ich nicht gedacht. Wie so oft schon streife ich an diesem Morgen wieder einmal durch den Wald auf der Suche nach neuen Entdeckungen. Dabei fallen mir Spuren von Yeriks (hirschähnliche Tiere) auf, die auf den ersten Blick recht frisch aussehen. Neugierig und von ein wenig Jagdfieber angetrieben untersuche ich die Spuren und stelle fest, dass sie wirklich sehr frisch sind. Erst vor kurzer Zeit müssen zwei oder sogar mehr dieser Tiere hier gewesen sein. Ich beschließe, sie zu suchen...

Mich sehr genau umschauend und immer nach Fährten witternd bewege ich mich durch den Wald und versuche dabei so lautlos wie irgend möglich zu sein. Es dauert eine ganze Weile, bis ich plötzlich, zwar sehr leise, aber durchaus deutlich, Geräusche vernehme und mich sofort flach ins Gras hinunter lege, um nicht entdeckt zu werden. Nach einiger Zeit bemerke ich Bewegungen und dann sehe ich eines der Yeriks (hirschähnliches Tier). Zuerst ist es nur eine Nasenspitze, die hinter einem Baum hervor kommt, dann folgen ein Kopf, der lange Hals und schließlich steht es in voller Größe vor mir. Allerdings ist es etwas zu weit entfernt, sodass ich, um ganz sicher nicht daneben zu schießen, etwas näher an mein Beutetier heran schleichen muss.

"Wäre doch jetzt Sey dabei...", kommt mir ein Gedanke daran, dass er bald eine Jagd alleine mit mir machen wollte. Aber ich konzentriere mich dann sofort wieder auf das Tier. Langsam und mit Bedacht ziehe ich lautlos meinen Bogen ab und nehme einen Pfeil aus meinem Köcher, den ich an die Sehne anlege. "Nur noch ein kleines Stückchen näher heran.", denke ich bei mir und schiebe meinen Körper flach über den Boden, dabei den Bogen mit dem angelegten Pfeil in einer Hand haltend.

Das Tier scheint mich nicht zu bemerken. Ich schaue mich vorsichtig um, ob ich nicht vielleicht inzwischen selber zum Gejagten eines anderen Tieres geworden bin, kann aber nichts erkennen. Auch meine Nase zeigt mir, dass es nichts gefährliches in der näheren Umgebung gibt. Dann richte ich mich sehr langsam auf und beginne den Bogen zu spannen. Ich versuche mich zu entspannen und ziele ganz genau, damit ich das Yerik (hirschähnliches Tier)  möglichst mit einem Schuss töte. Dies ist für mich ganz wichtig bei der Jagd, denn ein verletztes Tier kann einerseits zu einem sehr unangenehmen Feind werden, andererseits sollen unsere Beutetiere nicht lange leiden müssen.

Ich atme noch ein letztes Mal tief durch, ziele ganz genau und entspanne die Muskeln meiner Finger, die den Pfeil an der Sehne halten, langsam. Genau in dem Moment, als mein todbringender Pfeil mit einem leisen "Sssssssssttt..." davon zischt, weiß ich jedoch, dass es eine schlechte Jagd sein wird, weil mein Pfeil das Tier nicht sofort töten wird. So ist es dann auch. Zwar schwer getroffen, sackt das Tier dennoch nicht in sich zusammen, sondern läuft gröhlend vor Schmerz und Wut in den Wald hinein. Meine Versuche ihm zu folgen scheitern, da das angeschossene Tier einfach zu schnell und dabei ständig unkontrolliert seine Richtung ändernd davon rennt.

Alle meine Versuche, seine Spur wieder zu finden, scheitern ebenso und so mache ich mich zähneknirschend vor Hass und Wut auf mich selber auf den Heimweg. Ich muss es den Anderen berichten, sie um Hilfe und auch um Entschuldigung bitten. Ich mache mir große Sorgen und auch Vorwürfe, weil ich vielleicht doch etwas zu selbstsicher war oder mich selber überschätzt habe.

Geknickt komme ich zum Lager, wo ich auf die Anderen treffe, die ich versuche freundlich zu begrüßen, was mir jedoch ordentlich misslingt. Natürlich werde ich von Kxìrya, Sey und Kee gleich gefragt, was denn mit mir los sein und so berichte ich ihnen von meinem Missgeschick. Sie alle versuchen mir gut zuzureden, mich zu trösten und erklären mir, dass es nicht meine Schuld, sondern Eywas Wille war und dass ich mir keine Sorgen und Vorwürfe machen soll. Aber was soll ich machen?  Ich habe einem tsmukan (Bruder) unnötig große Schmerzen zugefügt...

Als sie mir dann anbieten, das verwundete Tier gemeinsam zu suchen, bin ich in meinem Inneren allen sehr dankbar dafür. Kxìrya bleibt jedoch im Lager zurück, da sie auf die kleine Tsìlpey aufpasst, solange wir fort sind. So gehen Sey, Kee'lanee und ich dann los, um meinen Fehler wieder gut zu machen. Ich hoffe inständig, dass unsere Suche erfolgreich sein wird...

Wir finden im Wald Spuren von Yeriks (hirschähnliche Tiere), aber eine Fährte, die auf ein verwundetes Tier schließen lässt, können wir nicht entdecken. Kee ist es dann, die plötzlich auf schaut. Sie hat eine große Anzahl Atokirina' (Saat des heiligen Baumes) entdeckt und erklärt, dass eine solche Menge dieser Waldgeister sehr unüblich sei. Sie vermutet dann, es könne sich um ein Zeichen handeln, das uns die große Mutter schickt. Aber wir können sonst nicht weiter entdecken.

Die, es müssen einige hundert sein, Atokirina' (Saat des heiligen Baumes)  schweben jedoch zielstrebig vor uns her in eine ganz bestimmte Richtung und als Kee mich dazu ermuntert, ihnen zu folgen, entdecke ich schließlich an einem Wasserloch liegend, das inzwischen tote Tier. Eine große Blutlaache hat sich unter ihm gebildet, die langsam in dem weichen Boden versickert und ich knie einerseits erleichtert, andererseits sehr betroffen neben dem Yerik (hirschähnliches Tier) nieder.

Das Messer, das ich zur Vorsicht zuvor gezogen hatte, brauche ich jetzt nicht mehr und stecke es wieder weg. Dann spreche ich für den tsmukan (Bruder) ein Gebet, bedanke mich aber besonders bei der großen Mutter, dass wir es gefunden haben. Kee untersucht das Tier dann und erklärt mir mit einem kleinen Lächeln im Gesicht, dass zwar mein Pfeil abgebrochen sei, das Tier aber dennoch nicht lange habe leiden müssen. Auch wenn ich nicht direkt in sein Herz getroffen habe, so war der Treffer noch gut genug, um dem Tier einen schnellen Tod zu bringen.

Dann, als ich gerade aufstehen will, um das Tier auf meine Schultern zu laden, geschieht etwas, das selbst Sey und Kee mit großem Erstaunen verfolgen. Die Atokirina' (Saat des heiligen Baumes), die uns eben den Weg zu dem toten Tier deuteten, sind noch nicht verschwunden. Sie kommen langsam auf mich zu und nach einigen kurzen Augenblicken haben sie meinen Oberkörper fast vollständig eingehüllt. Es fühlt sich irgendwie fremdartig und doch vertraut zugleich an, aber ich begreife nicht, was da gerade mit mir geschieht und schaue dem Treiben der kleinen Waldgeister nur verblüfft zu.

Urplötzlich verschwinden sie dann allesamt wieder und verteilen sich im Wald. Ich schaue Kee mehr als fragend an, ebenso wie Sey auch. Sie scheint irgendeine Ahnung zu haben, bemerkt jedoch außer: "Ma Txuratxan, Du musst etwas ganz besonderes sein." nichts weiter dazu. Dann lade ich die Beute auf meine Schultern, Kee und Sey beobachten mich dabei. Ich glaube, sie wollen sich anschauen, wie ich mich dabei anstelle, denn diese Tiere sind wahrlich nicht leicht zu transportieren.

Mir gelingt es schließlich, das Tier zu Schultern und wir gehen dann zum Lager zurück. Ich möchte unsere Beute zumindest noch Häuten und so weit zerteilen, dass wir das Fleisch in unserer Höhle lagern können. Als wir zu Kxìrya, die spielend und singend mit Tsìlpey am Feuer sitzt, zurück kommen und ihr berichten, was passiert ist, schaut auch sie sehr erstaunt und bemerkt: "Also so etwas ist mir bei der Jagd noch nie passiert. Es muss es etwas zu bedeuten haben."

Sey bietet mir zwar an, mir bei der Arbeit zu helfen, aber ich möchte es alleine versuchen. Er hatte mir ja schon alles gezeigt, was man dazu wissen muss und so mache ich mich an die Arbeit. Meine Stimmung ist nun wieder etwas besser, obgleich ich mir immer noch sage, dass es so nicht hätte sein müssen.

Als ich dann fertig bin, stelle ich die Schalen mit dem Blut des Tieres zur Seite, da mich Kee darum gebeten hatte. Offenbar hat sie damit etwas besonderes vor. Das Fell hänge ich zum trocknen an unser Gestell auf, während ich das geschnittene Fleisch auf Blätter lege und es dann in unsere Höhle hinein trage, da es dort am Wasser recht kühl ist und das Fleisch lange frisch bleibt.

Dann setze ich mich noch etwas zu den anderen ans Feuer. Schon bald überkommt uns jedoch die Müdigkeit und als Kee'lanee Kxìrya dann fragt, ob sie die kleine Tsìlpey einmal während der Nacht zu sich nehmen möge, schaut diese Kee mit glänzenden Augen an. Obwohl man ihr deutlich ansehen kann, dass sie nur zu gerne "Ja" sagen würde, gibt sie Kee ihr Kind zurück und begründet dies: "Ma Kee, ich glaube ein kleines Kind gehört während der Nacht zu seinen Eltern. Warten wir damit vielleicht lieber noch etwas ab, bis Tsìlpey etwas größer ist."

Ich bin sehr erstaunt über diese Bemerkung, weil wir alle wissen, wie gern Kxìrya die Kleine mag und wie sehr sie sich auf ein eigenes Kind freut. Aber Kee respektiert Kxìryas Wunsch. Dann gehen wir alle gemeinsam in die Höhle und suchen unsere Schlafplätze auf.

Als ich schon fast am Einschlafen bin, bemerke ich jedoch, dass Kxìrya noch einmal aufsteht. Sicher hat sie Durst oder sie hat irgendetwas vergessen. Doch sie kehrt nicht mehr zurück und ich frage mich, was sie denn wohl hat?

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