Mittwoch, 17. April 2013

Muntxatan oeyä tolätxaw / Mein Mann kehrt zurück

Winataron tolätxaw ulte por lu  ayfmawn asìltsan nìtxan.
(Winataro kehrt zurück und hat sehr gute Neuigkeiten.)

Wieder ein Morgen ohne ihn, wieder tastet meine Hand nach Winataron, als ich aufwache und wieder greift sie ins Leere. Ich weiß, dass er niemals etwas unüberlegtes tun würde und auch nichts, das mich verletzen würde. Aber ich mache mir doch immer Sorgen um ihn, wenn er nicht da ist. Manchmal frage ich mich ja, ob ich ein wenig zu sorgenvoll ihm gegenüber bin?  Er ist ein sehr guter Jäger, kann auf sich aufpassen und weiß sich alleine gut zu helfen. Doch wenn ich an meine lange Suche nach Kee und Sey zurückdenke und was ich davon getragen habe... Viele Gefahren lauern da draußen...

So beschließe ich, zunächst aus der Höhle hinaus zu gehen und zu schauen, was der neue Tag uns bringt. Hunger habe ich ein wenig und so führen mich meine ersten Schritte an unser Feuer, dem ich erstmal neue Nahrung in Form von einigen großen Holzstücken gebe. Als ich mich dann, auf einem Fruchtstück kauend umdrehe, um in Richtung des Baumes der Seelen zu marschieren, höre ich plötzlich einen Schrei. Es ist ein lauter, krächzender Schrei und ich erkenne gleich, wessen Ruf ich da höre. Es ist Winatarons Ikran (Banshee).

Sogleich verwerfe ich meinen Gedanken, zum vitrautral (Baum der Seelen) zu gehen, um dort für meinen muntxatan (Ehemann) zu beten, denn er ist soeben zurückgekehrt und ich höre, wie er von seinem Begleiter abspringt. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen, als ich auf ihn zu eile.

Als wir uns dann in den Armen liegend begrüßen, halte ich mich zunächst einmal mit meinen Fragen zurück, die ich ihm eigentlich stellen will. Er soll mir das erzählen, was er für richtig und wichtig hält. Ohne Umschweife beginnt er auch gleich, nachdem wir es uns Arm in Arm am Feuer bequem gemacht haben, zu berichten. Ich bin erstmal nur froh, dass er wieder da ist und schmiege mich eng an ihn, höre ihm aber aufmerksam zu. Ebenso lausche ich aber auch dem mir überaus vertrauten Klang seiner tiefen Stimme und dem Schlag seines Herzens, an dem mein Ohr liegt.

Er erklärt mir, dass er nach unserem letzten Gespräch einfach keine Ruhe hatte und es ihn drängte, zu seiner alten Tsahìk (spirituelle Clanführerin) zurück zu fliegen. Er bat sie, ihm die Sache mit seinen Brüdern, deren Frauen und den Schwierigkeiten dieser Parre, Kinder zu bekommen, noch einmal genau zu erörtern. Wie er so erzählt, spüre ich ein großes Gefühl von Dankbarkeit ihm gegenüber in mir. Er hat diese nicht ganz ungefährliche Reise abermals auf sich genommen, um Antworten auf seine, oder besser unsere Fragen zu bekommen. 

Als er dann endet, schaue ich ihn liebevoll und mit etwas glänzenden Augen an und bemerke in seinen dunklen, tiefgrünen Augen auch ein merkwürdiges Funkeln. Ihn eng an mich drückend, entschuldige ich mich bei ihm, denn ich habe das Gefühl, dass ich in letzter Zeit vielleicht etwas zu eigensinnig war und zu oft eher an mich als an uns beide oder ihn gedacht habe. Aber was soll ich machen?  Ich muss die kleine Tsìlpey nur sehen und mein Herz beginnt sofort schneller zu schlagen. So verspreche ich ihm, zukünftig zu versuchen, etwas weniger nur an mich selber zu denken. 

Ich glaube, er ist ganz schön überrascht üner meine Reaktion, doch ich versichere ihm noch einmal, dass ich in ihm viel mehr sehe, als nur einen yawntu (Liebsten). Ich sehe sein starkes Herz, seinen starken Willen, mich glücklich zu machen und seinen Ehrgeiz, für uns zu sorgen, auch für den Clan. Als er mir dann erklärt, dass seine Brüder, laut Aussage der Tsahìk (spirituelle Clanführerin)  wohl nur deshalb keine Nachkommen haben können, weil deren Frauen aus dem selben Clan stammen, bestätigt er damit den Verdacht, den wir beide ja schon hatten. Aus der winzigen Chance ist nun immerhin eine etwas größere geworden.

Trotzdem erzähle ich ihm von meinem Gespräch mit Dallan und dass er mir angeboten hatte, uns mit seinen maschinen helfen zu wollen. Ich gebe ihm aber unmissverständlich zu verstehen, dass ich dies strikt ablehnen werde. Ich werde meinen Mann niemals einer fremden Maschine überlassen, die dann vielleicht während eines einzigen Wimpernschlages sein Leben auslöscht oder etwas in oder an ihm zerstört. Lieber verzichte ich auf eigene Kinder, habe dafür aber einen gesunden und starken muntxatan (Ehemann) an meiner Seite.

In diesem Moment steigt in mir das unbedingte Verlangen auf, mich mit Winataron zu verbinden, ihn zu spüren und ihm gleichermassen meine Gefühle ausdrücken zu können. Als ich ihn danach frage, lächelt er mich zustimmend an und wir gehen in unsere Höhle hinauf, legen uns in unseren Cocon und, mich an ihn kuschelnd, halte ich ihm meinen tswin (Zopf) hin. Er zögert keinen Augenblick und dann stehen wir in einem Kontakt miteinander, der jedes gesprochene Wort überflüssig macht.

Sind es anfänglich nur verschwommene Gefühle und bunte Farbenbilder, die wir austauschen, formen sich schon recht bald Bilder in meinem Kopf, die er vor seinem geistigen Auge sieht und Gedanken, die er denkt. Es entsteht ein sehr inniges Zwiegespräch zwischen uns und schließlich kommen mir Gedanken an meinen Geburtsclan in den Sinn. Ich sehe ein kleines Mädchen. Ihr Name ist Layora und sie wurde oft von älteren, insbesondere von jungen Jägern geärgert und herumgeschubst. Ich glaubte, sie schon längst vergessen zu haben und frage mich, ob aus ihr wirklich inzwischen eine große Heilerin geworden ist. Sie war schon als kleines Kind sehr interessiert an Pflanzen und ihr Wunsch war es schon von klein an, sich der Heilkunst zuwenden zu wollen.

Dann sehe ich plötzlich etwas von Wina. Es sind drei Junge Na'vi, von denen ich in einem meinen noch jungen muntxatan (Ehemann) erkenne. Die beiden anderen schubsen ihn etwas herum, aber es ist nur ein Rangeln und nichts ernstes. Ich muss lächeln. Er hatte wohl eine sehr schöne Kindheit und er zeigt mir noch einige schöne Bilder und Eindrücke aus dieser Zeit.

Die einzigen gesprochenen Worte wechseln wir dann miteinander, als mir ein Fest in den Sinn kommt, um unsere erfolgreichen Jäger nach einer überaus glücklichen Jagd zu ehren und uns bei Eywa für deren Erfolg zu bedanken. Ich war noch sehr jung und hatte immer viel Freude daran, den Frauen und etwas älteren Mädchen unseres Clans bei der Herstellung von zeremoniellen Gewändern und Schmuck zu helfen. Für einen Moment erinnere ich mich an einen Umhang, den ich einst trug. Es war der schönste, den ich jemals hatte, ganz in dunklem rot und mit weißen Verzierungen und Mustern. Winataron scheinen diese Bilder und Gedanken zu gefallen, denn er denkt daran, ein solches Fest vielleicht einmal bei uns machen zu wollen, auch wenn es dafür nicht unbedingt gerade einen Grund gibt. Ein schöner Gedanke...

Nach und nach werden wir immer ruhiger und schläfriger, wobei durch unsere Verbindung unsere beiden Herzen schon seit einer geraumen Zeit fast im selben Rhythmus schlagen. Ein wunderbares Gefühl. Winataron und ich erleben unsere Kinder- und Jugendzeit nochmals, nur diesmal gewissermaßen gemeinsam miteinander und mir ist, als würden wir uns schon fast ein ganzes Leben lang kennen. Dennoch sind es oft die ganz kurzen Erinnerungen, die ich sehr intensiv von ihm empfinde.

Bevor meine Gedanken und Gefühle dann in die Welt der Träume abschweifen, bedanke ich mich bei ihm abermals dafür, dass es ihn gibt. Ein gleichzeitiger Gedanke von uns beiden an unsere große Mutter noch, dann...


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