Donnerstag, 25. April 2013

Wutso mì na'rìng / Ein Essen im Wald

Ayoe kä ne na'rìng fte yivom ulte nìn pxeyerik amip. 
(Wir gehen in den Wald, um dort zu essen und entdecken drei neue Yeriks.)
Mit klopfendem Herzen wache ich schweissgebadet auf, sehe immer noch die letzten, grausamen Bilder meines Traumes vor mir und halte mir die Hände vor meine Augen. In der Hoffnung, Dann erst, einige viel zu lange Momente später realisiere ich, dass alles nur ein Traum war. Aber es war alles so fürchterlich real...

Ich höre noch immer die Schmerzensschreie der Jäger und Krieger, der Frauen und ihrer Kinder, ihrer fa'li (Schreckenspferde) und ayikran (Banshees), höre immer noch das Dröhnen der Metallikrane und das Zischen und Knallen ihrer Waffen. Bilder, Geräusche und Gefühle, die ich wohl niemals werde vergessen können. Es war der erste Angriff der sawtute (Himmelsmenschen), den ich miterlebt habe und der schon sehr lange zurück liegt.

Die Gedanken abschüttelnd gehe ich nach unten und aus unserer Höhle hinaus, treffe aber auf niemanden und beschließe daher, mich auf dem großen Baum, der über der Höhle steht, niederzulassen. Dann kommt mir ein sehr schöner Gedanke, der die schlimmen Bilder und Gefühle sofort durch schönere ersetzt. Ich hatte mir schon seit einiger Zeit vorgenommen, für die kleine Tsìlpey ein kleines Geschenk zu machen. Ein kleines Armbändchen soll es werden. Ich sehe es im Geiste schon ganz genau vor mir.

Es dauert gar nicht lange, bis ich damit fertig bin, denn es ist ja nichts wirklich aufwändiges. Und kaum, dass ich es fertig habe, bemerke ich Sey, der aus dem Wald zu kommen scheint. Kee'lanee kommt ebenfalls kurze Zeit später mit der Kleinen auf dem Arm zu uns und ich verstecke mein Geschenk, dass ich immer noch in der Hand habe, schnell hinter meinem Rücken, denn es soll eine kleine Überraschung werden.

Kee klärt uns dann darüber auf, dass sie herausgefunden hat, woran unsere ayikran (Banshees) erkrankt sind. Sie berichtet, oben auf den schwebenden Felsen eine bisher noch nie gesehene Art von Pilzen gefunden zu haben, die um die Stämme der Bäume herum wie ein Geflecht wachsen. Die Tiere fraßen davon und wurden krank. Zu unserer Erleichterung erzählt sie weiter, dass sie dieses moosartige Geflecht von den Bäumen entfernen konnte. Sey und auch ich bedanken uns bei ihr. Sie ist wirklich eine tolle Tsahìk (spirituelle Clanführerin), ich mag sie sehr...

Wir beratschlagen dann was wir machen können und ich schlage vor, dass wir, statt am Feuer zu sitzen, ja mal ein Stück in den Wald hinein gehen könnten. Die beiden stimmen mir zu und bemerken sogar, dass sie neue Yeriks (hirschähnliche Tiere) gesehen haben. Bevor wir uns dann auf machen, packe ich schnell noch einige von den Teylu (Käferlarven) ein, die ich gestern in Blätter eingerollt hatte. Für Tsìlpey stecke ich noch zwei kleine Früchte in meinen Beutel und lasse auch gleich ihr Armband mit darin verschwinden.

Wir kommen dann zu einer kleinen Lichtung, die in gelbrotes Sonnenlicht getaucht zu sein scheint. Ein wunderschöner Ort, den wir einstimmig zu unserem Lagerplatz auserwählen. Als ich den beiden dann die Teylu (Käferlarven) anbiete, die man ja so, zusammengerollt mit frischen Kräutern, in den Blättern nicht sehen kann, schauen sie erstaunt und auch etwas neugierig, was ich denn da gemacht habe. Obwohl es an sich nichts sehr spektakuläres ist, schmeckt es uns ausgezeichnet.

Auch Tsìlpey hat ihren Spaß und als Sey dann ein Zeichen gibt, dass ganz in der Nähe ein Yerik (hirschähnliches Tier) an uns vorüber läuft, schauen wir alle sehr gespannt und ohne einen Laut von uns zu geben, dem Tier nach. Wir sind uns dann, als es wieder im Wald verschwunden ist, alle einig, dass es ein sehr schönes Tier war und essen dann weiter. Etwas weiter entfernt, beobachten wir weitere dieser Tiere.

Dann entsinne ich mich an Tsìlpeys Geschenk, zeige es Kee und frage sie, ob ich es der Kleinen anlegen darf. Sie nickt mir lächelnd zu. Sey schaut mich zunächst etwas verdutzt an, als ich ganz nahe an ihn heran rutsche und Tsìlpeys Ärmchen nehme, um ihr das Armband vorsichtig überzustreifen. Als er dann sieht, was ich da mache, strahlt er mich an. Auch die Kleine scheint, obwohl zunächst etwas verdutzt, sich dann darüber zu freuen. Sie ist schon so groß, stelle ich fest...

Sie gluckst und brabbelt ein wenig, ist aber an sich heute sehr ruhig, wie ich feststelle.
Ich mache solche Dinge wirklich inzwischen wieder sehr gerne. Noch vor einiger Zeit hatte ich das Gefühl, dass solche kleinen Geschenke nicht immer gerne von dem Einen oder Anderen gesehen wurden. Warum auch immer... ?
Ich erzähle den beiden, ein wenig in Gedanken verfallend, dass ich als junges Mädchen solche Dinge sehr oft und mit großer Begeisterung gemacht habe. Dann kommt mir mein erstes Gewand, ein Umhang in tiefem Rot, der mit weißen Verzierungen versehen war, in den Sinn. Ich frage die Beiden, ob wir so etwas nicht viellicht auch in unserem Clan einmal machen könnten, bemerke dann aber, dass mich Sey irgendwie komisch anschaut. Ob er solche Dinge nicht mag?  Ich denke, ich werde ihn in den nächsten Tagen dazu noch einmal befragen, denn an sich weiß ich ja, dass er Schmuck und solche Dinge eigentlich sehr mag.
In den letzten Tagen war mir Kees neue Kleidung aufgefallen, die ich ebenfalls sehr schön finde. So spreche ich sie darauf an, ob sie es sich neu gemacht hat oder ob sie es schon länger hat?  Sie erklärt, dass sie es während der letzten Zeit gemacht habe. Es macht sie sehr, nein unglaublich hübsch, finde ich...

Die Sonne senkt sich nun langsam am Himmel und wir fragen uns, jedoch keineswegs betrübt oder unzufrieden darüber, wo die Zeit geblieben ist. Tsìlpey ist inzwischen eingeschlafen und so beschließen wir dann, gemeinsam zum Lager zurück zu gehen, um uns schlafen zu legen. Einen Moment lang überlege ich, ob ich Kee fragen soll, Tsìlpey während der Nacht zu mir zu nehmen, verwerfe den Gedanken jedoch rasch wieder. Sie gehört einfach noch zu ihrer sa'nok (Mutter), sage ich mir.

Ein klein wenig traurig macht mich dann, als ich nach oben gehe, der Gedanke, dass Winataron, mein muntxatan (Ehemann)  ja wieder unterwegs ist und dass ich daher heute wieder alleine in meinem Cocon schlafen werde. So bete ich im Stillen zu Eywa, dass sie ihn beschützen möge und schließe dann, mich in meinen Schweif einrollend, die Augen. Für wenige Momente kommen mi noch einmal die Bilder aus meinem Traum in den Sinn, doch dann sehe ich ein Bild deutlich vor mir, dass diese schlimmen Bilder rasch verdrängt...

Keine Kommentare :