Samstag, 20. April 2013

Ftxozä irayoä / Dankesfest

Ftxozä fte irayo siveyi sa'nok anawm ayoeyä.
(Ein Fest. um unserer großen Mutter zu danken )

 "Heute gibt es viel zu tun." ist mein erster Gedanke, als ich meine Augen aufschlage. Immer noch in tiefen Schlaf versunken liegt, mich dabei fest umarmend, Winataron, mein muntxatan (Ehemann) neben mir. Ein wenig muss ich mich aus seinen Armen befreien und während ich dies versuche, ohne ihn dabei aufzuwecken, brummt er mit seiner tiefen, baritonen Stimme ein wenig. Am liebsten würde ich ja noch etwas neben ihm liegen bleiben, doch steht uns noch viel Arbeit für das Fest bevor, das wir heute feiern wollen.


Als ich aus der Höhle komme stelle ich jedoch fest, dass außer mir sonst im niemand Lager anwesend ist. Vermutlich sind die Anderen schon unterwegs, um Kräuter zu sammeln, zu fischen oder andere Dinge vorzubereiten. So mache ich mich daran, die Zutaten für unsere Fleischspieße vorzubereiten. Ich habe mir etwas neues ausgedacht. Ich werde Schalen aufstellen, in denen Fleischstücke, Teylu, Fruchtstücke, Pilze und verschiedene Kräuter sind. Dazu lege ich kleinere Holzstäbe, sodass sich jeder nach seinen Wünschen die Spieße selber zusammenstellen kann.

Wie ich eben dabei bin, das Fleisch in kleine Stücke zu schneiden, erschrecke ich plötzlich, denn mich küsst jemand, der sich offenbar von hinterrücks angeschlichen hatte, sanft auf meinen Hals und begrüßt mich mit tiefer Stimme: "Habe ich Dir heute schon gesagt, wie sehr ich Dich liebe, ma muntxate (Ehefrau)?"  Ein nicht unangenehmer Schauer läuft mir den Rücken herunter, denn Winas tiefe Stimme erkenne ich sofort. Wir begrüßen uns liebevoll mit einem Kuss, dann muss ich jedoch weiter machen, damit alles rechtzeitig fertig wird. Ohne ein Wort zu verlieren, hilft er mir dabei. Ich genieße seine liebevollen Blicke, die er mir währenddessen immer wieder zu wirft und erwidere sie.

Eine weitere Stimme begrüßt uns dann freundlich. Es ist Txu, der gerade aus dem Wald zurückkehrt. Etwas erstaunt fragt er, was denn los sei und wir erklären es ihm. Er war einige Tage unterwegs, um, wie ich glaube, einfach nur alleine zu sein. Als er von der Sache mit den kranken Ikranen (Banshees) erfährt, kann man ihm sein Bedauern geradezu ansehen. Er entschuldigt sich, dass er nicht da war, um uns bei dieser schwierigen Aufgabe zu unterstützen. Ich erkläre ihm, dass er sich darum keine Sorgen machen müsse, denn wir haben es geschafft und nur das ist wichtig. Trotzdem scheint er sich nicht so ganz wohl deshalb zu fühlen.

Sey, der inzwischen auch bei uns eingetroffen ist, erklärt Txu ebenso, dass er sich keine Gedanken machen solle. "Heute wird gefeiert...", muntert er ihn auf: "und Du feierst mit uns, denn Du bist ein Rey'engya, wie wir alle."  Wieder einmal stelle ich fest, wie sehr wir uns um einander kümmern. Wina und ich haben dann alles vorbereitet und tragen die Zutaten für unser späteres, gemeinsames Essen dann zur Feuerstelle hinüber.

"Kee fehlt noch.", stelle ich fest, schlussfolgere aber sogleich: "Vielleicht ist sie schon vorausgegangen zum Baum der Seelen."  So beschließen wir, dort nachzuschauen und tatsächlich finden wir sie dort auch. Sie bittet uns, dass wir uns in einem Halbkreis um sie und Sey herum hinsetzen sollen. Ich setze mich neben Wina, während auf der anderen Seite neben mir Txu Platz nimmt. Irgendwie ist es schön, zwischen den beiden zu sitzen. Bevor es aber los geht, steht Txu noch einmal auf, und geht auf Kee zu. Ihm hatte die Sache wohl doch keine Ruhe gelassen und er entschuldigt sich auch bei ihr noch einmal. Kee sieht natürlich ebenfalls sein Verhalten nicht als Fehler an. Dennoch scheint es, dass sie Txus Offenheit sehr schätzt.

Dann beginnt unser Ritual und Kee stimmt eine Melodie an, in die wir nach und nach einstimmen. Sie bedankt sich bei Eywa dafür, dass wir hier an diesem Ort leben dürfen und dass sie uns beigestanden und uns die Kraft gegeben hat, die Ikrane (Banshees) heilen zu können. Dann ist jeder Einzelne von uns angehalten, seine eigenen Worte zu wählen und sie in dem gemeinsamen Lied wiederzugeben. So danken wir, beginnend bei meinem muntxatan (Ehemann), reihum der großen Mutter. Als Txuratxan an der Reihe ist, glaube ich bei ihm etwas Unsicherheit zu bemerken. Vermutlich liegt es daran, dass dies das erste Ritual dieser Art für ihn ist. Sehr schön finde ich, dass er Eywa bittet, seinen immer noch verschollenen Bruder, Nay, zu beschützen und für ihn zu sorgen. Txu ist schon ein besonderer tsmukan (Bruder), der immer zuerst an andere zu denken scheint, bevor er sich über sich selbst Gedanken macht.

Nachdem Sey seinen Teil zu dem Lied beigesteuert hat, summen wir die Melodie gemeinsam noch eine ganze Weile weiter. Als Kee zwischendurch fragt, ob noch jemand etwas hinzuzufügen hätte, schießt mir sofort wieder ein Gedanke in den Kopf. Der Wunsch, der mich in letzter Zeit nahezu beherrscht: Gern würde ich bald sa'nu (Mama) werden und gemeinsam mit meinem yawntu (Liebsten) ein Kind bekommen. Aber ich spreche diesen Wunsch nur in Gedanken aus, habe jedoch ein Gefühl, als würde man mir dies von den Augen ablesen können. So ergänze ich unser Lied um den Zusatz, dass Eywa vielleicht auch auf Dallan, den tawtute (Himmelsmenschen) achten und ihn beschützen möge.

Wir stehen dann alle zusammen auf und schauen in die Baumkrone des Baumes der Seelen hinauf. Einer nach dem Anderen macht dann das Zeichen Eywas zu dem Baum, bevor wir den Rückweg zu unserem Lager antreten. Dort angekommen, machen wir uns über unsere zahlreichen Leckereien her. Die Idee, dass sich jeder seinen Spieß mit Früchten, Fleisch und Kräutern selber zusammenstellen kann, findet großen Anklang, doch es wartet noch eine Überraschung auf und, mit der wohl niemand gerechnet hätte.

Sey steht unvermittelt auf und geht zu unserer Höhle hinüber und wir alle fragen uns, was er denn wohl vor hat?  Mit einem großen Krug in der Hand, kommt er nach wenigen Momenten  strahlend zu uns zurück und erklärt, während er jedem von uns einen Becher aus seinem Krug eingießt, dass er etwas besonderes vorbereitet hätte. Wir schauen uns und ihn etwas verwundert an, denn das, was da in den Bechern ist, sieht aus und riecht wie Beerenwein. Aber ein besonderer Geruch ist deutlich zu bemerken. Sey grinst mich etwas an, als er ausführt: "Ma Kxìrya, erinnerst Du Dich noch daran, als wir oben auf den Felsen übernachtet gaben?  Da habe ich unbemerkt einige Kräuter mitgenommen und mit diesen habe ich den Wein versetzt, so wie ich es einst von einer Lehrerin gezeigt bekommen habe."

Natürlich erinnere ich mich daran, denn es war ein sehr schönes Erlebnis, dort oben mit dem Olo'eyktan eine Nacht zu verbringen, aber ich frage ihn, woher er denn wusste, dass eben genau diese Kräuter, die er da heimlich gesammelt hat, nicht vielleicht giftig sind?  Da ich dabei war, hätte er mich ja auch um Rat fragen können, überlege ich. Doch gleichzeitig gefällt es mir auch, dass er soviel Selbstsicherheit bewiesen hat, dass er auf meinen Rat verzichten konnte. Außerdem mag ich Überraschungen ebenso wie alle Anderen aus dem Clan auch...

Der Wein hat es wirklich in sich. Selbst Wina muss tief durchatmen, als er den ersten Schluck trinkt. Txu hat es besonders schwer. Da er noch nie zuvor etwas derartiges getrunken hatte, hat er nun gleich zwei Probleme. Einmal der Wein an sich, der schon ordentlich in den Kopf steigt und zum anderen die Kräuter, die Sey hinzugemischt hat. Sie verleihen dem Wein einen etwas scharfen, beißenden Geschmack. Allerdings begeht Txu den Fehler, beim ersten Schluck etwas zu viel zu trinken, was ihm dann zu unserer Erheiterung einige Probleme beim Atmen bereitet. Aber er schlägt sich tapfer und die Stimmung am Feuer wird sehr ausgelassen.

Wir essen, erzählen, lachen, trinken Seys Wein, erzählen, lachen und trinken wieder und die Zeit vergeht wie im Fluge. Wir kommen auch noch einmal auf diese merkwürdige Krankheit zu sprechen, die unsere Ikrane fast ausgerottet hätte. Aber wir sind glücklich, dass wir, die Rey'engya, unsere erste große Aufgabe, und mag es auch sehr schwer gewesen sein, so gut haben meistern können. Auch kommt die Sprache auf Txu, unseren 'eveng (Kind, Jugendlichen, hier Auszubildenden) und Kee fragt, wie es um seine Ausbildung steht?

Sey lächelt etwas hintergründig als er antwortet, dass er sich schon bald mit ihm zu einer Jagd aufmachen werde, um Txus Fähigkeiten zu prüfen und um dann zu entscheiden. In der Tat hat Txuratxan, wenn er mit mir unterwegs war, sehr viel gelernt und er bringt dieses Wissen auch immer zum Einsatz. So kommen wir zu der Erkenntnis, dass es möglicherweise schon sehr bald ein weiteres Fest in unserem, wenn auch kleinen, Kreise zu feiern geben wird. Eywa wird den richtigen Zeitpunkt wählen...

Nach einer Weile steht Kee'lanee dann auf und geht zu dem zweiten Feuer, dass wir gemacht hatten, um dort gemeinsam zu tanzen. Mein muntxatan (Ehemann), der die ganze Zeit über hinter mir saß und an dessen Bauch ich mit meinem Kopf angelehnt war, ist inzwischen etwas müde von seinem Platz gerutscht. Ich helfe ihm, indem ich ihn an einen Baumstamm anlehne und küsse ihn sanft, um ihm eine schöne Nacht zu wünschen. Dann gehe ich zu Kee, um mit ihr um das Feuer herum zu tanzen. Sey folgt uns erst nach mehreren Aufforderungen, bei ihm, ebenso wie bei uns, scheint der Wein seine Wirkung auch nicht zu verfehlen, denn das Laufen und auch das Tanzen bereiten uns anfänglich doch einige Schwirigkeiten. Einige Zeit später sind wir jedoch in einer derartig ausgelassenen Stimmung, dass es uns egal ist, ob wir über unsere eigenen Beine stolpern. Es ist einfach nur toll und auch Sey scheint von dem Tanz sehr angetan zu sein.

Vor lauter Spaß und Tanz bemerken wir dann gar nicht, dass wir Besuch bekommen haben. Erst als ich bemerke, dass Kee nicht mehr tanzt und zu ihr rüber schaue bemerke ich, dass Dallan von seiner Reise zurückgekehrt ist. Neugierig gehen Sey und ich dann zu den beiden und wir erfahren dann, dass seine Reise, die ihn weit hinter die Feuerberge geführt hatte, mehr als nur beschwerlich war. Er berichtet, dass er, also sein pa'li lefngap (Fahrzeug), von einem Palulukan angegriffen worden sei, was mich unwillkürlich an mir herab zu meinen Narben schauen lässt.

Kee ist mittlerweile sichtlich ermüdet, daher beratschlagen wir, gemeinsam wieder zu unserem anderen Feuer zurück zu gehen, wobei ich Kee so gut ich kann abstütze, denn auch meine Beine sind sehr wacklig geworden. Dort angekommen, stellen wir dann fest, dass Winataron und Txuratxan, die ja beide eingenickt waren, wohl inzwischen aufgewacht und zusammen in die Höhle gegangen sind. Wir verabschieden uns von unserer Tsahìk und danken ihr noch einmal für das überaus gelungene Ritual beim Baum der Seelen und für ihr sehr stimmungsvolles Lied, an dem wir Teil haben durften.

Dann setzen Sey, Dallan und ich uns noch gemeinsam ans Feuer, denn wir sind sehr an Dallans Geschichte interessiert. Ich lege noch einige Spieße auf das Feuer, da ich etwas Hunger habe. Seys Ohren stellen sich auf und seine Augen werden glänzend und groß, als Dallan, für den ich alles Gesprochene übersetze, so gut ich es kann, berichtet, dass er während seines Fluges mit dem Metallikran oftmals seine Lichter ausgeschaltet habe, um die wunderschönen leuchtenden Farben eywa'evengs (Pandoras) bestaunen und erleben zu können.

Dallen erzählt uns alles der Reihe nach und holt dann zwei merkwürdige Steine aus einer Tasche, die er Sey und mir überreicht. Er erklärt, dass sie nicht aus dem Metall sind, weshalb die sawtute (Himmelsmenschen) einst zu uns gekommen sind, sondern dass es eine Art von Kristall ist. Mir fällt auf, dass sich das Licht des Feuers darin bricht und zu wunderschön anzuschauenden Farbenspielen wird und auch Sey scheint dies zu gefallen.

Dann holt Dallan dieses merkwürdige Gerät heraus, auf dem er Bilder und auch Schrift erscheinen lassen kann. Wir schauen ihm sehr interessiert zu, als er uns das zeigt, von dem er zuvor berichtete. Wir können genau sehen, wie ein Palulukan (Thanator) Dallans pa'li lefngap (Fahrzeug) verfolgt, es dann mit einer seiner riesigen Pranken trifft und es wie ein Spielzeug einfach umwirft. Sey ist etwas erschrocken, da er das ja noch nie gesehen hatte. Auch für mich ist es irgendwie merkwürdig, dass Dallan all das festhalten und es sich immer wieder anschauen kann. Wieder schaue ich auf die Narben an meinen Beinen und meinem Bauch hinab und erkläre Dallan, dass er unglaublich großes Glück hatte. Sey vermutet, dass er nur durch die Hilfe der großen Mutter diesen Angriff habe überleben können.

Ein glucksendes Geräusch lässt mich aufhorchen. Ich gebe den beiden ein Zeichen, sich ganz still zu verhalten, dann erkenne ich den kleinen syaksyuk, den ich vor einiger Zeit schon einmal hatte um unseren Torbogen herumschleichen sehen. Ich greife mir in einer sehr vorsichtigen Bewegung einige Beeren aus einer Schale und versuche mich dann an das Tier heran zu schleichen. Da ich vermute, dass ein Herangehen von vorne ihn gleich verscheuchen würde, versuche ich von der Seite an ihn heran zu kommen. Als ich jedoch dicht neben ihm bin und ihm bereits meine Hand mit den darauf liegenden Beeren entgegen gestreckt habe, entdeckt das Tier mich und flüchtet quiekend und glucksend zurück in den Wald. Vorher hat er aber immerhin den Mut, mir die Beeren von der Hand zu grabschen.

Sey bemerkt, als ich zu den beiden zurückkehre, dass ich eine sehr gute Jägerin bin. Er erklärt Dallan, dass diese Tiere eigentlich so scheu sind, dass man eigentlich nie sehr nahe an sie heran kommt. Wor setzen unsere Unterhaltung fort und Dallan zeigt uns dann noch etwas anderes. Er zeigt Bilder von seinerm Heimatplaneten, den sie rrta' (Erde) nennen. Auch dort gibt es Tiere. Es gibt sogar, für die Verhältnisse der sawtute (Menschen) sehr große und auch gefährliche Tiere dort. Ich erinnere mich, dass er mir ein solches Tier schon einmal zeigte und bitte ihn, dieses Sey auch einmal ansehen zu lassen. Da ich den Namen des Tieres nicht kenne, versuche ich zu beschreiben: "Es ist ein großes Tier mit grauer Haut und mit einer sehr langen und bweglichen Nase, neben der rechts und links zwei sehr lange Fangzöhne aus dem Kopf heraus wachsen."  Dazu gestikuliere ich, um Dallan anzudeuten, dass diese Zähne etwas meine Armlänge hatten, soweit ich dies nach dem Bild beurteilen kann. Dallan weiß sofort bescheid und als er in sein Gerät offenbar den Namen des Tieres hinein spricht, sehen wir genau das Bild, das ich schon einmal gesehen hatte. Sey ist erstaunt und vermutet, dass dieses Tier wohl, ähnlich wie ein Palulukan (Thanator) auch, sehr gefährlich sein müsse. Dallen zeigt uns noch eine Reihe weiterer Bilder, es sind auch Bilder dabei, die sich bewegen und die eine Vielzahl von zum Teil sehr schönen Dingen zeigen. Ihre Welt scheint also doch nicht so leblos und trist zu sein, wie wir es immer vermuten?

Als wir dann bemerken, dass sich die tiefe Nacht über unser Tal gesenkt hat, stehen Sey und ich, inzwischen doch sehr müde, auf und verabschieden uns von Dallan. Sey bietet ihm an, dass er an unserer Feuerstelle schlafen könne, wenn er es mag und dass er sich dort auch mit Nahrung versorgen dürfe.

Alles ist still, als ich mich zu den Schlafplätzen hinauf schleiche. Nur ein brummendes Geräusch meines muntxatan (Ehemannes) ist zu vernehmen. Ich lege meine Sachen ab, kuschle mich eng an ihn und schließe ihn in meine Arme. Möge Eywa uns noch viele Feste dieser Art bescheren, denke ich mit einem kleinen Lächeln. Dann spüre ich, wie mich der Schlaf übermannt...



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