Samstag, 27. April 2013

Tawtute amip pähem / Ein neuer Mensch kommt

Mipa tawtute ayoer pähem. Lam oer fwa por lu yayawr nì'it teri Dallan.
(Ein neuer Himmelsmensch kommt zu uns. Es scheint mir, sie ist etwas verwirrt wegen Dallan.)

Die Nacht war ruhig. Hatte mir Eywa in der Nacht zuvor noch einen sehr schlimmen Traum gebracht, so belohnte sie mich diesmal mit einem sehr, sehr schönen, denn ich träumte von meinem muntxatan (Ehemann), der mir zärtlich seine Hand tastend auf meinen immer dicker werdenden Bauch legt und mir sagt, wie sehr er mich liebt und wie sehr sich auf unser Kind freut. Ich vermisse ihn...

Für heute habe ich mir vorgenommen, mit Ya'rrì, meinem Ikran (Banshee) zu den Iknimaya Bergen (schwebende Felsen) hinauf zu fliegen, um nachzusehen, wie es den anderen Ikranen (Banshees) dort geht. Haben sie die seltsame Krankheit tatsächlich alle gut überstanden?  Hat Kee diese Pilze wirklich alle entfernen können oder wachsen sie vielleicht wieder nach?

Auf Ya'rrì muss ich nicht allzulange warten. Bereits nach meinem ersten Ruf höre ich seine kreischende Antwort von weit über mir. Als er dann, nur wenige Momente später, mit lautem Krächzen und in einem sehr waghalsigen Sturzflug heranbrausend bei mir landet, kann ich erstmal nur leicht den Kopf schütteln: "Du wirst Dich irgendwann noch einmal bei Deinen Späßen zu Tode stürzen.", vermute ich leise zu ihm sprechend und frage ihn weiter: "Und was soll ich dann machen?  Etwa wieder einen neuen Ikran von dort oben holen?  Wieder mit einem Deiner Brüder kämpfen?", wobei ich ihm leicht auf den Hals klopfe. So gewitzt er ja auch immer ist, aber jetzt schauen mich zwei seiner Augen an, als würden sie mich um Vergebung bitten. Ich streichle ihm über seinen Kopf und sage: "Taaaam... Schon gut... Du bist, wie Du bist und genau so mag ich Dich."

Wir fliegen dann gemeinsam einige Runden, bevor wir oben in der Nähe des Ikrannestes ankommen. Durch Ya'rrìs ankündigende Rufe vorgewarnt, verhalten sich seine Artgenossen recht ruhig, sodass ich mich ihnen bis auf einige Schritte nähern kann. Mich umschauend stelle ich fest, dass Kee wirklich gute Arbeit gemacht hat, denn an den umliegenden Bäumen ist nichts mehr von diesem merkwürdigen, moosartigen Pilzgewächs zu sehen. Auch die Tiere scheinen wieder bei bester Gesundheit zu sein, denn ich sehe einige sehr gierig fressen, während andere vor der aufsteigenden Morgensonne ihre Runden am Himmel drehen.

Eine leichtes Lächeln umspielt dann meine Mundwinkel, als ich feststelle, dass mein Ya'rrì wohl auch auf dem allerbesten Wege ist, eine kleine Familie zu gründen. Er und dieses blaugrüne und sehr hübsche Exemplar scheinen sehr miteinander beschäftigt zu sein. So trete ich an den Rand des Ikranfelsens, um mich dort hinzusetzen und den Tieren einfach nur eine Weile zuzusehen. Soll er noch etwas Zeit mit seiner yawntu (Liebsten) verbringen, denke ich bei mir.

Nach einiger Zeit jedoch wende ich mich ihm wieder zu und wir fliegen dann in Richtung des Lagers zurück. Ich gebe ihm ein Stück Trockenfleisch und entlasse ihn dann auch gleich, denn ich ahne, dass er sehr schnell wieder nach oben zu seiner yawntu (Liebsten) fliegen will und ich verstehe ihn nur zu gut.

Am Feuer vor unserer Höhle treffe ich auf Sey. Wir begrüßen uns und kommen dann in ein Gespräch, in dem ich ihn frage, warum er mich gestern so komisch angeschaut hat, als wir davon sprachen, neue Gewänder zu machen. Sey hatte das wohl etwas missverstanden. Offenbar dachte er, dass ich von Dallans Kleidung inspiriert worde wäre, was aber natürlich nicht der Fall ist. So erkläre ich ihm, dass ich Gewänder für besondere Anlässe meinte und frage ihn, ob er das denn so nicht kennt? Wir haben früher immer sehr hübsche Gewänder für Feiern oder Rituale gemacht, führe ich dann weiter aus und er erinnert sich dann, dass Kee ihm auch schon einmal diesbezügliche Fragen gestellt hatte.

Dann erscheint Kee'lanee bei uns und nur kurze Zeit später begrüßt uns dann auch Dallan. Unser Gesprächsthema ändert sich und wir kommen darauf zu sprechen, wie es denn mit den Reparaturen seiner Maschinen voran geht, mit denen seine Luft hergestellt wird.  Er erklärt uns, dass ihm etwas sehr wichtiges noch fehlen würde. Nach einigen Verständigungsschwierigkeiten verstehen wir aber, dass er die Haut eines Tieres benötigt, um daraus eine Art Gelee zu kochen, das er dann für seine Reparaturen benutzen kann.

Gemeinsam überlegen wir, welches Tier wohl geeignet sei und Sey kommt dann der Gedanke, dass sich dazu vielleicht salioang (Sturmbeests) eignen könnten. Doch dann kommen uns einige Bedenken, denn niemand von uns, Dallan eingeschlossen, wird ein Tier nur wegen seiner Haut töten. So beschließen wir, dass wir so lange damit warten, bis unsere Fleischvorräte wieder zur Neige gehen. Dallan bekundet, dass er so lange ausharren wird, bis wir ihm sagen, dass wir zu Jagd gehen werden.

Dann hat Sey einen Einfall, der Kee und mir zunächst etwas utopisch erscheint. Er schlägt vor, Dallan solle bei dieser Jagd mit anwesend sein und er solle versuchen, das talioang (Sturmbeest) selber zu schießen. Da wir alle nicht wissen, ob und wie gut Dallan mit seinem etwas merkwürdig aussehenden Bogen umgehen kann, sprechen wir ihn darauf an und er zeigt uns zunächst einen seiner Pfeile. Sie sind anders gemacht als unsere. Viel leichter, dafür aber scheinbar auch sehr viel stabiler. Auch die Spitzen sind ganz anders. Sie sind außergewöhnlich scharf und aus einer Art von Metall. Dallan warnt uns, die Spitzen nicht anzufassen, da man sich sehr schnell daran verletzen könne.

Dann nimmt er seinen Pfeil, legt ihn an seinen Bogen an und schießt, ohna dies anzukündigen, auf unser Übungsziel. Und er trifft. Ein guter Schuß, stellen Sey und ich fest. Dann tun wir es ihm gleich und schießen ebenfalls einige Pfeile auf dieses Ziel ab. Unsere Treffer sind ebenso gut wie Dallans, trotzdem bin ich etwas unzufrieden mit mir, da ich bemerkt hatte, dass mein Pfeil nicht so ganz genau treffen würde. "Wir sollten das öfter trainieren.", stelle ich Sey gegenüber nüchtern fest.

Hatte sich Kee'lanee bereits vor einer Weile von uns verabschiedet, wird Sey nun auch von der Müdigkeit übermannt und geht zu ihr in die Höhle. So bleiben Dallan und ich noch etwas am Feuer sitzen und reden miteinander, bis wir schließlich ein Geräusch hören, das wir in dieser Art bisher nicht kannten. Ich zumindest nicht...

Es erstaunt mich dann doch etwas, wie schnell Dallan aufspringt, gleichzeitig dabei seine Menschenwaffe zieht und plötzlich einer fremden tawtuté (Menschenfrau) gegenüber steht. Auch ich ziehe meinen Bogen und lege einen Pfeil ein, spanne ihn jedoch noch nicht sehr stark. Dann beobachte ich ein Gespräch zwischen den beiden, wobei ich zunächst nicht zu erkennen gebe, dass Dallan meine Sprache versteht und ich die der sawtute (Himmelsmenschen).

Augenscheinlich hält diese Frau, sie nennt sich Tessy, Dallan zunächst für einen Verräter, da er sie mit seiner Waffe bedroht und sie sehr energisch fragt, was sie bei uns wil?  Mich drückt er etwas zur Seite mit dem Worten: "Ma sa'nu, sei bitte vorsichtig."  Doch ich weiß, sie könnte, selbst wenn sie uns jetzt angreifen würde, niemals uns beide gleichzeitig treffen. Einer von uns würde sie in jedem Fall töten können. In diesem Moment bin ich mir aber sehr sicher, dass würde sie, Tessy,  zuerst auf mich schießen, Dallan sie ganz bestimmt sofort und ohne zu zögern umbringen würde.

Ich höre dem Gespräch der beiden eher teilnahmslos zu, verstehe aber, dass Tessy etwas verwirrt darüber zu sein scheint, dass Dallan sehr bestrebt ist, zu uns und zu unserem Clan zu gehören. Sicher, er hat erkannt, was eywa'eveng (Pandora) ihm bietet, er weiß um die große Mutter, er hat seine Sichtweisen in weiten Bereichen geändert, aber diese Fremde...?  Sie kennt ihn, wie er vor langer Zeit war und als er ihr erklärt, dass er und ebenso Tessy von den sawtute (Himmelsmenschen) eigentlich nur ausgenutzt worden seien, senkt sie schließlich ihre Waffe.

Plötzlich und mit einem fast ohrenbetäubenden Kreischen kommt ein Ikran (Banshee) nahezu im Sturzflug in unser Tal herab gestürzt. Nur dicht über dem Fluss fängt er sich ab, krächzt einmal sehr laut, erhebt sich dann schnell wieder geräuschvoll und mit kraftvollen Flügelschlägen in die Lüfte und fliegt den Iknimaya Bergen (schwebende Felsen) entgegen. An seinem Krächzen habe ich Ya'rrì natürlich gleich erkannt und an der Art, wie er wieder einmal versucht, Eindruck bei uns zu schinden. Ich lächle und winke ihm nach und auch Dallan scheint sich nicht mehr erschreckt zu haben. Tessy zuckt jedoch mehr als deutlich zusammen, schaut ihm nach und bemerkt dann, dass sie diese Tiere noch nie habe besonders gut leiden können.

Wir wenden uns wieder unserer Unterhaltung zu und erst jetzt stelle ich mich Tessy mit meinem Namen vor. Obwohl ich den Eindruck habe, dass sie noch immer sehr verwirrt ist, begrüßen wir uns nun nachträglich. Erst als Dallan und ich wieder alleine sind, weil Tessy, um ihre Gedanken zu ordnen, zurück in die Menschensiedlung geht, erzählt er mit etwas mehr über sie. Wie ich erfahre, ist sie einmal seine yawntu (Liebste) gewesen. Doch er erklärt mir, dass dies schon sehr lange vorüber sei. Für einen kurzen Augenblick kommt mir Aketuan in den Sinn...

Dallan bricht dann ebenfalls auf, um in der Menschensiedlung bei Tessy zu übernachten und ich verstehe ihn. Ich weiß, er würde gern auch bei uns im Lager schlafen, aber ich respektiere seinen Wunsch, dass er einerseits ohne seine Maske besser schlafen kann, er sich andererseits aber auch darüber freut, einmal wieder ein menschliches Gesicht sehen zu dürfen.

So lege ich mich in meinen Cocon, denke noch eine Zeit lang über diese Begegnung nach und schlafe dann irgendwann ein, wobei ich spüre, dass meine beiden Hände sich wie schützend auf meinen Bauch gelegt haben...

1 Kommentar :

Kee'lanee hat gesagt…

Sehr schön geschrieben :) wie immer !