Sonntag, 14. April 2013

Pesengit tok Ma'weyli? / Wo ist Ma'wey?

Fratseng ke tsun oe rivun pot. Kempe lamen?
(Ich kann sie nirgendwo finden. Was ist geschehen?)

Wenn ich so zurückdenke, ist es viele Tage her, dass wir alle, also der Clan der Rey'engya, beisammen waren. Oftmals treffe ich nur auf den Einen oder Anderen. Kxìrya sehe ich sehr oft, doch in den letzten Tagen sprechen wir nur noch über belanglose Dinge. Ich glaube, sie bedrückt irgendetwas, das sie mir aber nicht sagen möchte. Allerdings habe ich sie auch nicht danach gefragt, denn ich glaube, es steht mir nicht zu, mich in ihre persönlichen Dinge einzumischen.

Auch Sey und Kee'lanee treffe ich eher seltener. Unser letztes Zusammentreffen endete damit, dass sie wohl gemeinsam zu den Iknimayabergen (fliegende Berge) hinauf fliegen wollten. Da Kxìryas muntxatan (Ehemann) wohl kurz zuvor erst von einer Reise zurückgekehrt war, wollte sie mit ihm wohl lieber auch einmal alleine sein. Sie nahm dann Kee die kleine Tsìlpey ab, um während der Abwesenheit der beiden auf die Kleine aufzupassen. Sie ist wirklich sehr hilfsbereit, aber ich glaube ihr deutlich anmerken zu können, dass sie wohl gerne auch bald ein Kind bekommen möchte. Man muss ihr nur in die Augen sehen, wenn sie Tsìlpey auf dem Arm hat...

An diesem Abend jedoch fühle ich mich irgendwie überflüssig, etwas beiseite gedrängt oder zu viel, wie man es nennen mag. Daher beschließe ich, die Anwesenden zu fragen, ob ich in den Wald gehen darf. Ich bin nicht einmal sehr überrascht, als meine Idee von allen begrüßt wird und mache mich nach einer kurzen Überprüfung meiner Waffen dann auf den Weg.

Mein eigentliches Ziel ist es jedoch nicht, nach Pflanzen zu suchen, Spuren zu lesen oder etwa die Menschensiedlung zu beobachten. 
Danach steht mir heute irgendwie gar nicht der Sinn. Viel mehr werde ich die Gelegenheit dazu nutzen, um nach Ma'wey zu suchen, die die letzten Tage weder in der Höhle übernachtet hat, noch im Lager anwesend war. Wo mag sie sein? Sucht sie vielleicht nach etwas? ...

Insgeheim bete ich zu Eywa, dass sie Ma'wey beschützen möge. Sicher, sie ist eine überaus gute Kriegerin. Sie weiß ihre Waffen einzusetzen und kann auch genau abschätzen, wann man besser wegrennt, als sich einem Kampf zu stellen. Dennoch sorge ich mich um sie mehr, als ich es nach außen hin zeige. Schließlich möchte ich niemanden mit den Problemen und Sorgen eines verliebten numeyu (Schülers) behelligen.

Doch so sehr ich auch meine Augen über die Landschaft, durch die Täler und über die Hügel wandern lasse, ich kann sie einfach nirgendwo entdecken. So suche ich mir dann, als die Sonne beginnt, hinter dem Horizont zu verschwinden, einen Lagerplatz hoch oben auf einem der großen Bäume. Unten im Wald wäre es viel zu gefährlich, denn dort lauern insbesondere nachts sehr viele Gefahren. Viel mehr, als am Tage, wo es schon nicht immer überall sicher ist.

Um meine Langeweile und auch meine Gedanken an Ma'wey zu überspielen, habe ich mir einen langen Stab mit hinauf in die Baumkrone genommen, sowie einige Beeren und etwas Wasser. Nach einigen kleinen Happen ist mir jedoch einfach nicht mehr nach essen zumute und ich beginne mit meinem Messer den Holzstab zu bearbeiten. Ein Speer soll es werden, für sie, Ma'wey...

Als ich nur unweit von mir dann plötzlich glucksende Geräusche wahrnehme, halte ich in meiner Bewegung inne und erspähe die nahe Umgebung. Zunächst kann ich nichts erkennen, höre nur immer wieder das Glucksen und so etwas wie ein Kichern. Dann sehe ich aber nach einer Weile, dass nur ein paar Bäume von mir entfernt ein kleiner syaksyuk (Affe) in den Ästen herumtollt. Ich lege mit einer sehr langsamen Bewegung den Holzstab und mein Messer beiseite, um das Tier nicht zu erschrecken.

Er scheint mich dann auch bemerkt zu haben, denn er verharrt plötzlich ebenfalls in seiner Bewegung und richtet seinen Blick auf mich. Ich verhalte mich ganz still und beobachte, was er macht. Da ich in der näheren Umgebung keine seiner Artgenossen sehen kann, bin ich ein wenig verwundert, denn eigentlich sind sie immer in kleinen Rudeln unterwegs.

Eine merkwürdige Situation. Der syaksyuk (Affe) und ich sitzen uns, während die Dunkelheit nun das Land eingehüllt hat und die farbenfrohe Beleuchtung des nächtlichen Waldes für genügend Licht sorgt, um etwas sehen zu können, stumm und bewegungslos gegenüber. Keiner von uns beiden traut sich, auch nur die kleinste Bewegung zu machen, um den Anderen nicht zu erschrecken und damit in die Flucht zu schlagen. Wobei das Tier mich nun nicht wirklich erschrecken oder gar verjagen könnte.

Mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung greife ich zu den Beeren, die ich gesammelt und dann doch nicht gegessen hatte und halte dem Affen eine hin. Er scheint interessiert daran zu sein, aber zu scheu, um sie gleich zu holen. So dauert es eine ganze Weile, bis seine Neugier seine Angst bezwingt und er sich ganz langsam auf mich zu bewegt. Dann grabscht er sich die Beere hastig aus meinen Fingern und weicht sofort wieder in eine sichere Entfernung zurück, um sie zu beschnuppern und schließlich auch zu fressen.

Dieses Spiel wiederholt sich noch einige Male und ich befürchte, dass meine Beeren bald zur Neige gehen und er dann verschwindet. Doch es kommt dann ganz anders. Mit einem Satz hüpft er urplötzlich direkt auf den vor mir liegenden Ast. Er ist mir so nahe, dass ich ihn völlig problemlos einfangen könnte, doch warum sollte ich das tun?  Er ist ein freies Tier so wie ich ein freier Na'vi bin. Doch fasziniert es mich, dass er nach und nach immer zutraulicher wird.

So lege ich mehrere Beeren auf meine ausgestreckte, flache Hand und versuche ihn dazu zu bewegen, sie sich von dort zu holen. Wie erwartet, macht das Tier genau das, was ich beabsichtigt hatte. Was er jedoch nicht zu bemerken scheint ist, dass ich nach jedem seiner hastigen Griffe meine Hand ein kleines Stückchen näher zu mir heranziehe. So ist er nach einer Weile gezwungen, wenn er denn die Beeren haben möchte, auf meinen Ast herüber zu hüpfen. Es scheint ihn noch ein Stück Überwindung zu kosten, doch dann sitzt er mir plötzlich ganz dicht gegenüber und gluckst mich an. Irgendwie kommt es mir so vor, als freue er sich über meine Beeren und so halte ich ihm dann auch noch die letzten Beeren hin, die er sich natürlich eine nach der anderen holt, um sie zu verspeisen.

Ich muss etwas lächeln, als er mich dann fordernd anschaut, ich ihm aber keine Beeren mehr geben kann. So zeige ich ihm meine leeren Hände. Er scheint diese Geste irgendwie zu verstehen. Entgegen meiner Befürchtung, er würde nun wieder schnell im Wald verschwinden, bleibt er noch eine Weile bei mir sitzen und lässt hin und wieder sein lustiges Glucksen und Quieken verlauten. Doch schließlich verschwindet er dann sehr schnell und ich bewundere, wie zielsicher er von Ast zu Ast und von Baum zu Baum hüpft.

Dann ist er verschwunden und ich lehne mich an den Baumstamm zurück, um an dem Speer, den ich Ma'wey, der schönsten Frau der Welt schenken möchte, weiter zu schnitzen. Hatte ich jedoch gehofft, meine Gedanken an sie seien durch die Begenung mit dem syaksyuk (Affen) in andere Bahnen gelenkt worden, sehe ich mich nun einem Irrtum aufgesessen. Sie ist einfach allgegenwärtig in meinem Kpf und vor allem in meinem Herzen. Nicht an sie zu denken und sei es auch nur, dass ich für kurze Momente glaube, sie im Wald umherschleichen zu sehen oder ihren Duft zu riechen, ist mir einfach nicht möglich.
Mit gemischten Gefühlen, Bildern und Gedanken beschließe ich dann, heute noch nicht wieder ins Lager der Rey'engya zurückzukehren, sondern hier im Wald zu bleiben. Nahrung gibt es hier genug, Wasser ebenso, aber eines wird mir doch sehr fehlen...

1 Kommentar :

Kee'lanee hat gesagt…

wunderschööööön :)